Wenn man einer Band jegliche Qualität in Sachen innovative Songstrukturen absprechen möchte, nennt man ihre Musik gemeinhin Power Pop. Das klingt dann in etwa so wie Abba, nur ohne Melodien, dafür aber mit noch mehr Gitarren. Im schlimmsten Fall kommt dabei dann so was raus, wie die letzte Platte von Weezer. Eine uninspirierte Aneinanderreihung von Melodien und Sing-A-Longs ohne Inhalt. Kurz gesagt: Ganz großer Mist, da fällt einem glatt die Gabel vom Stapler. Und es ist ein kleines Wunder, dass man Sloan trotzdem nicht gleich die Toilette runter spülen möchte. Die spielen nämlich so eine Art Untermalung für Cabriofahrer mit dicken Soundsystem, aber ohne Geschmack. Nur setzen sich ihre Melodien auf „Parallel Play“ (6) sonderbarer Weise tief im Hirn fest, ohne den schalen Geruch zu atmen, den Jet mit ihrem unsäglichen „Are You Gonna Be My Girl?“-Nonsens verbreiteten. Da lässt man ihnen am Ende sogar die Dauerschleife an Hand-Claps durchgehen und fragt sich, wie lange es wohl dauert, bis das Formatradio anbeißt. Spätestens dann nämlich könnten einem die ganzen Mitgröhler der Marke „Burn For It“ und Konsorten schon wieder zum Hals raushängen, wie Knutschflecken. Bis dahin allerdings lassen wir uns gern ein bisschen verzaubern von diesem Sammelsurium an Wohlfühlhymnen, die scheinbar über jegliche Abnutzungserscheinungen erhaben sind. Und widmen uns hinterher den charmanten Chansons von Frau Barbara Carlotti. Die überfällt einen auf ihrem neuen Werk „L´Idéal“ (6) komischerweise mit überraschend gut gelaunten Pop-Tralalas. Hätte sie dabei allerdings hin und wieder auf die Bremse getreten und ihrem Weltschmerz freien Lauf gelassen, hätte die Scheibe sogar in den Spitzenrängen Platz gefunden. So wirkt die Musik manchmal seltsam atemlos. Getrieben. Ruhelos. Dabei hätten viele Songs als Skizzen ihrer selbst sogar besser funktioniert. „Bete Farouche“ zum Beispiel verschafft dem Hörer einen Eindruck davon, wozu die Künstlerin im Stande ist, wenn sie vorwiegend auf sich allein gestellt ist. Zu oft verwischt die Produktion die Intensität ihrer Stücke. Kann selbige aber – und das ist die gute Nachricht – am Ende dann doch nicht kaputt machen. Etwas düsterer geht es da schon bei Leila zu. Die Künstlerin aus Persien versucht sich auf ihrem Werk „Blood Looms And Blooms“ (5) an düster vertrackten Elektro-Tracks im Grenzgebiet zwischen Tricky und Aphex Twin. Das ganze wirkt dabei allerdings oftmals so ambitioniert, dass der Hörgenuss schnell anstrengend wird. Zweifelsohne wohnt einem Song, wie „Little Acorns“ ein gewisser Charme inne. Nur laufen daneben so viele Tracks ins Leere, dass man sich fragt, ob es nicht besser gewesen wäre, den Ideenfluss hin und wieder mal in Zaun zu halten. Umso schöner hingegen wirken in diesem Sounduniversum die Ausflüge in poppige Gefilde. „Daisies, Cats & Spacemen“ klingt wie ein von Shirley Bassey intoniertes Monstrum für einen Bond Film. Und so bleibt am Ende die Hoffnung, dass die Künstlerin in Zukunft genau hier anknüpft. Sich ihrer Stärken besinnt und einfach mal soundtechnisch etwas tiefer stapelt. Dann geht da noch einiges. Derweil wagen wir mal einen Abstecher zu Wolf Parade. Die entwerfen herrlich abseitigen Inide-Pop mit ziemlich viel Trara. „At Mount Zoomer“ (7) klingt, als wären The Arcade Fire auf ihrem zweiten Album nicht die Ideen ausgegangen. Entrückte Songs treffen auf Melodien voller Schönheit. Und diese Stimme. Die kann Herzen brechen… mindestens. Diese Platte suhlt sich aber nicht etwa im eigenen Weltschmerz. Sie schlängelt sich hindurch. Erst stolpert man, nur um dann vom Boden aus wieder gen Himmel zu blicken. Ein Werk, wie geschaffen, um den verträumten Weltenwandler aus der Umlaufbahn der eigenen Melancholie zu stoßen. Da hilft am Ende eigentlich nur Weitertanzen. Vielleicht ja mit den Herren von Digitalism? Die haben nämlich den heißesten Scheiß des Sommers gebündelt und in einem schicken Mix namens „Kitsuné Tabloid“ (6) verwurstet, wie Metzgermeister. Schon nach zwei Tracks verwandelt dieser Sound die Welt um dich herum in eine mit Neon-Sticks behangene Tanzfläche. Manches, von den Kills bis hin zu Hercules & The Love Affair sorgt dabei zwar zwischendurch für den ein oder anderen Verstolperer in Sachen Flow. Aber darum geht’s hier ja nicht. Dieser Sound will dich auf die Partymeile lotsen, wie Fluggesellschaften. Und dann hebst du ab. Schwebst mit den B´52s im „Funplex“ und reckst zu Hot Chip deine Fäuste in die Höhe. Runterkommen kannst du anschließend mit den Jungs von My Morning Jacket. Die waren ja eigentlich schon als Altrocker verschrien, bis sie mit ihrem letzten (nebenbei grandiosem) Werk zu den „nächsten Radiohead“ hoch geredet wurden. Umso schöner, dass sich die Band von all dem ziemlich unbeeindruckt zeigt. Denn „Evil Urges“ (7) zeigt mal wieder eine Combo, die viel Mut zum Experimentieren mitbringt. Bei machen Songs hat man sogar ein wenig das Gefühl, die Band wüsste selbst nicht so genau, wo das alles enden soll. Eben das aber macht ihre Musik so spannend. Unter der Oberfläche der vertrackten Songs schimmern nämlich schillernde Ohrwürmer, wie sie Prince nicht besser hinbekommen hätte. „Reines Gold“ würden sie wohl in diversen Ausgrabungsstätten brüllen und mit staubigen Händen hinauf zur Sonne blicken, um sich völlig im Glanz ihrer Umgebung zu suhlen. Selten hat man eine Band gehört, die auf ihrem fünften Album so hemmungslos herum experimentierte. „Evil Urges“ klingt wie der Funke, der aus der Lagerfeuerstelle hüpft und der Dunkelheit um dich herum trotzt. Das wiederum tun die allseits beliebten Fratellis auf ihrem Zweitling „Here We Stand“ (7) ebenfalls. Die Mitgröhlchöre des Vorgängers wurden kurzerhand über Bord geworfen. Als Anker fungieren diesmal Gute Laune-Kracher der Marke „Mistress Mabel“, „A Heady Tale“ und „My Friend John“. Nur hat man dabei eben auch hin und wieder einen Gang zurück geschalten, die Punkrockausflüge in poppigere Gefilde gelenkt und dazu die nervige „Wir lassen mal ein paar leicht bekleidete Mädels dazu tanzen“-Attitüde über Bord geworfen. Jeder, der die Band schon mal live bei einem Festival gesehen hat, weiß wozu sie im Stande sind. Da verwandeln sich ganze Schlammfelder plötzlich in Seelandschaften. Da werden Bauchplatscher hingelegt und Ringelreih-Tänze aufgeführt. Und natürlich immer wieder ganz laut gesungen. „Look Out Sunshine. Here´s The Punchline.“ So simple ist das manchmal. Und ebenso wunderschön. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
// von Alexander Nickel-Hopfengart
UND WAS NUN?