mit Büchern von Simon Garfield, Oliver Bendel, Gunther Eschke & Rudolf Bohne, Zoran Ferić und Kathrin Weßling.
// Ein wirklich gelungenes Buch über die faszinierende Welt der Typographie schüttelt in diesen Tagen der britische Journalist Simon Garfield aus dem Ärmel. Der war zuletzt nicht nur Herausgeber von „Time Out“ und „Independent“, sondern ist auch vernarrt in die wunderbare Welt der Schriften. In seinem Werk, welches er in diesen Tagen unter dem treffsicheren Namen „Just My Type“ veröffentlicht, dreht sich alles um einen gewissen Cyrus Highsmith. Der ist nicht Typograph, sondern hat auch eine ausgeprägte Abneigung gegen die Schriftart „Helvetica“.
Deshalb versucht er einen Tag lang ohne diese Schrift auszukommen, stellt aber schon beim Futtern des morgendlichen Müslis fest, dass es nahezu unmöglich ist, dem schriftgewordenen Wahnsinn zu entkommen. Die Kreditkarte und die Scheine in seiner Tasche, einfach alles scheint „Helvetica“-verseucht zu sein. Also Augen zu und durch. Andrew Garfields Werk ist ein imposanter Rundumschlag auf den typographischen Wahnsinn, der alltäglich mehr oder weniger bewusst auf uns Menschen einprasselt. Das fängt schon beim Cover seines Buches an. Darauf finden sich acht verschiedene Schriftarten von „Aeronaut“ („U“ und „P“) über „Cyclone“ („T“) bis hin zu „Polytone Reliant“ („E“). Der Name des Autors, den wir hier natürlich nicht unterschlagen werden sollte, ist fast schon klassisch in „Gill Sans“ gesetzt – eine Schriftart die auf den Schöpfer Eric Gill zurück geht, welcher bereits vor geraumer Zeit mit Inschriften auf Holz und Stein von sich reden machte. Womit wir auch schon beim größten Pluspunkt dieses Romans wären. Simon Garfield verliert sich bei seinen Aufzeichnungen nämlich nicht etwa in klein-kariertem Fachgesimpel, sondern schüttelt ganz nebenbei ein paar interessante Anekdoten zum legendären Beach Boys-Klassiker „Pet Sounds“ oder Obamas „Yes We Can“-Kampagne aus dem Ärmel. Da wird man mit zunehmender Lauflänge selbst zum Nerd in Sachen Typographie. „Just My Type“ ist nicht nur ein äußerst informatives, sondern auch unglaublich spannendes Buch, welches einen dazu bringt, die Welt und ihre zahllosen „Schriftstücke“ mit anderen Augen zu sehen.
// Der aufschlussreiche Schmöker „Die Rache der Nerds“ setzt sich mit der Bedeutung eben jener computer-affinen Spezies hinsichtlich unseres täglichen Lebens auseinander. Heimlich, still und leise haben sich die bebrillten Superhirne an die Schalthebel der Macht gesetzt und bestimmen von dort aus unseren Alltag. Natürlich ist auch das Werk des freien Schriftstellers Oliver Bendel mit QR-Codes durchsetzt, welche jedem Smartphone-Besitzer ein paar interessante Hintergrundinformationen bescheren. Gleich zu Beginn plädiert er eindringlich für eine „Informationsethik“ und geizt anschließend nicht mit Anekdoten aus seinem eigenen Leben. Im Rahmen der einzelnen Kapitel setzt er sich darüber hinaus nicht nur mit der „Macht der Konzerne“, sondern auch mit „Cyborgs und Maschinenmenschen“ auseinander. Das ist aber noch lange nicht alles: Der Autor widmet sich auch noch zahllosen weiteren Fragestellungen unserer zunehmend digitalisierten Gesellschaft, wenn er sich mit dem „gläsernen Patienten“, dem „Recht am eigenen Bild“ und der „Kontrolle im Netz“ auseinander setzt. „Die Rache der Nerds“ ist dabei nicht nur einfach zu lesen, sondern wirft auch zahlreiche Fragen auf, die bereits seit geraumer Zeit unbeantwortet im Raum stehen. Somit ist „Die Rache der Nerds“ vor allem ein Werk, das sich an den Leser persönlich richtet. Jeder einzelnen von uns muss nämlich am Ende mitentscheiden, in welcher Art von Informationsgesellschaft er gerne leben möchte.
// Wer auf TV-Serien der Marke „Dr. House“ oder „Monk“ steht und ein bisschen mehr über die darin erzählten Dramaturgie wissen möchte, der sollte sich mal an das aktuelle Werk von Gunther Eschke und Rudolf Bohne heranwagen. Beide Autoren sind seit 2001 als Lektoren tätig und haben in diesem Zusammenhang bereits Erfahrungen bei unterschiedlichen Fernsehkanälen gesammelt. In ihrem Werk „Bleiben Sie dran!“ erklären sie für jedermann verständlich, warum wir Woche für Woche die Flimmerkiste anschmeißen, um uns eine bestimmte Serie zu Gemüte zu führen. Dabei liegt das Hauptaugenmerk des Buches weniger auf dem Inhalt der einzelnen Reihen, es geht vielmehr ums Eingemachte. Das Buch beschäftigt sich in den einzelnen Kapiteln nicht nur mit den „Grundlagen der Dramaturgie von Serienfiguren“, sondern auch mit genre-typischen Aspekten und der Grundstruktur diverser TV-Serien. Dabei kommen auch die beiden Chefautoren der deutschsprachigen TV-Reihe „Verliebt in Berlin“ zu Wort, welche ein paar interessante Einblicke hinter die Kulissen einer solchen Produktion liefern. Im letzten Teil des Bandes kommt dann auch noch mal die Digitalisierung zu Sprache. In einem Gastbeitrag von Dr. Frauke Schmickl und im Rahmen eines Interviews mit den beiden Web-Serie-Produzenten Sven Miehe und Marco Knies wird über die Möglichkeiten des Seriellen im digitalen Bereich diskutiert, was diesen Rundumschlag an geballter Dramaturgie-Hintergrundinformation schließlich zu einem gelungenen Ende geleitet.
// Der Zagbreber Autor und Kolumnist Zoran Ferić macht sich derweil daran, eine imposante Variante des allseits beliebten Klassentreffen-Themas zu kreieren. In seinem Roman „Das Alter kam am 23. Mai gegen 11 Uhr“ lässt er die ehemalige Klasse eines Zagbreber Gymnasiums im hohen Alter auf Schiffsreise entlang der dalmatinischen Küste gehen. Die Gruppe, deren Mitglieder inzwischen alle um die 70 sind, macht sich daran, ein großes Abenteuer zu erleben und wird dabei immer wieder von den Geistern der Vergangenheit eingeholt. Der Werk selbst ist dabei nicht nur gespickt mit zahllosen Rückblenden, welche die gegenwärtigen Ereignisse immer wieder im neuen Licht erscheinen lassen, es kommt auch zu einem fatalen Zwischenfall, der das Leben von drei Menschen vollkommen auf den Kopf stellt. Dass das Ganze mit zunehmender Dauer immer drastischerer dargestellt wird, ist nicht weiter hinderlich und wirkt vor allem zu keinem Zeitpunkt unglaubwürdig. Ganz im Gegenteil. Von Seite zu Seite scheint sich die angespannte Atmosphäre ein Stück weit mehr auf den Leser zu übertragen und man ist zunehmend gespannt, wie die ganze Geschichte wohl ausgeht. Dabei stellt der Autor immer wieder sein Gespür für schmissige Dialoge und schwarzen Humor unter Beweis und macht deutlich, dass manche Wunden – so sehr das Leben sie auch in den Hintergrund gerückt hat – niemals wirklich verheilen. Ganz im Gegenteil: die Beteiligten scheinen sich in ihrem Verhalten fast wieder zu pubertierenden Teenagern zurück zu entwickeln. Wie das Ganze am Ende ausgeht? Am besten du findest es selbst heraus. Es lohnt sich.
// Eine Depression kann einem im wahrsten Sinne des Wortes das ganze Leben versauen. Kathrin Weßling versucht in ihrem neuen Buch „Drüberleben“ das Licht am Ende des Tunnels zu finden, ohne dabei in die Sarah Kuttner-Falle zu tappen. Die Protagonistin ihres Romans muss sich im Rahmen des Buches nicht nur mit ihrer depressiven Stimmung auseinander setzen, sondern gleich zu Beginn eine wichtige Entscheidung fürs Leben treffen: Will sie den Rest ihres Lebens wirklich in diesem verdammten Grauschleier verbringen, der sie ständig umgibt oder stellt sie sich lieber ihren Problemen? Sie entschließt sich für Letzteres, besucht fortan eine psychiatrischen Klinik -zum wiederholten Mal wohlgemerkt- und lernt auf diese Weise Schritt für Schritt sich mit den unbarmherzigen Dämonen in ihrem Kopf auseinander zu setzen. Das Schöne an Kathrin Weßlings Buch ist, dass ihr trotz des traurigen Themas niemals der Humor ausgeht – ganz im Gegenteil: man fiebert mit der Betroffenen namens Ida mit und freut sich über jeden hellen Punkt im eintönigen Leben der Protagonistin. Solltest du also auch nach einem Gegenmittel gegen das (wie sagt es der Buchrücken so schön) „Tiefdruckgebiet in deinem Kopf“ suchen, bist du bei diesem Werk an der richtigen Adresse. Und damit Schluss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.
UND WAS NUN?