mit neuer Musik von Hans Unstern, Hans Söllner, The Velvet Underground & Nico, Lena, Neigungsgruppe Sex, Gewalt & Gute Laune, Placebo und den Compilations Bravo Hits 79 & Soulfood – Food Music, Fat & Yummy.
// Hans Unstern begibt sich auf seinem neuen Album weiterhin in abseitige Pop-Gefilde. Songs wie „Ich schäme mich“ und „Entweder&Oder“ rufen bei mir persönlich schöne Erinnerungen an die zugänglicheren Tracks von Einstürzende Neubauten wach. Hans Unstern aber ist bei aller Vielschichtigkeit ganz tief im Pop verwurzelt und es ist vor allem dem Talent des Musikers geschuldet, dass er sich an seinen ambitionierten Tracks nicht überhebt. „The Great Hans Unstern Swindle“ ist genauso hintersinnig, wie das Artwork zu vermitteln vermag. In ihren sperrigen Momenten erinnert die Scheibe an das aktuelle Album von Ja, Panik und setzt deren Sound eine Helium-Maske auf. Wer auf anspruchsvollen, vielseitigen, kritischen Indie-Pop steht, sollte sich dieses Werk auf keinen Fall entgehen lassen. Es wird all seine Erwartungen bis ins Mark erschüttern.
// Hans Söllner wiederum wiederum macht auf seinem neuen Album wieder genau das, was er am Besten kann. Er schüttelt eine bayrische Variante von wortgewaltigem Liedermacher-Pop aus dem Ärmel und richtet den Blick nach der Rückbesinnung auf dem Vorgänger „Mei Zuastand“ wieder nach vorne. „SoSoSo“ beinhaltet in diesem Zusammenhang einige der textlich-gelungensten Tracks, die Söllner bisher veröffentlichte, scheut sich aber auch nicht davor, ein paar desillusionierte Seitenhiebe in Richtung Politik („Ihr seids alle gleich“) abzufeuern. Hans Söllner wird auch auf seine alten Tage nicht müde, seine Meinung zum Besten zu geben. Das macht ihn ebenso faszinierend wie streitbar und zu einem der wichtigsten Songwriter der vergangenen Jahrzehnte. Nach diesen 11 Songs freut man sich jetzt schon auf Weiteres.
// Eine „Deluxe Edition“ des alten The Velvet Underground & Nico-Klassikers ist schon seit vielen jahren übverfällig gewesen. Nun erscheint die gefeierte Kollaborations-Arbeit mit der schicken Banane vorne drauf endlich in einer aufgemotzen Variante, die mit einer großen Menge an Bonus-Material versehen ist. Neben dem klassischen Album, das unter anderem die Klassiker wie „All Tomorrow´s Parties“ und „I´m Waiting For My Man“ beinhaltet, finden sich auf der ersten Scheibe noch einige gelungene Alternativ-Versionen von „Heroin“ und „European Son“. Der zweite Silberling nimmt sich den „Scepter Studio Sessions“ aus dem Jahr 1966 an und ringt den zahlreichen Klassikern ein paar neue, bisher ungeahnte Facetten ab. Darüber hinaus finden sich als zusätzlicher Anreiz noch die bisher unveröffentlichten „Factory Rehearsals“ auf der zweiten CD, die jedem Fan des Kollektivs ein breites Grinsen ins Gesicht zaubern sollten. Allein das fast zwölfminütige „Niss Hoanie Lee“ ist das Eintrittsgeld wert. Soll heißen: eine würdige Neuauflage, die auch für Besitzer des Originals interessant sein sollte.
// Lena musste sich nach ihrem zweiten Durchlauf beim „Eurovision Song Contest“ so Einiges gefallen lassen. Dabei hatte sie mit „Taken By A Stranger“ einen der hintersinnigsten Pop-Tracks des Jahres im Gepäck, der vom Publikum aber als (scheinbar?!?) zu abstrakt empfunden wurde. Mit ihrem neuen Album „Stardust“ ist sie jetzt trotzdem eingeschlagen wie eine Bombe und punktet mit einer bunten Mischung aus unterschiedlichen Stilen. Lena hat für „Stardust“ nicht nur auf die Hilfe von Stefan Raab verzichtet, sondern mit zahlreichen Kollegen wie Linda Carlsson („Miss Li“), Johnny McDaid („Snow Patrol“) und Alexander Schroer („Mobilée“) zusammengearbeitet. Auf dem Album ist dementsprechend auch für jeden etwas dabei – das wichtigste aber ist: Lena schreibt wieder Hits. Allein das zauberhafte „Bliss Bliss“ empfielt sich jetzt schon als nächste Single – daneben sind mindestens drei weitere Chartbreaker vertreten, die dem Hörer ein breites Grinsen ins Gesicht zaubern sollten. Lena hat auf ihrem ersten „eigenen“ Album viel richtig gemacht – und man kommt selbst als Fan von Kate Nash und Konsorten nicht umhin, beim einen oder anderen Song hemmunglos mitzuschnippen.
// Schon seit Jahren ist die Reihe „Bravo Hits“ der absolute Spitzenreiter in Sachen Compilations. Nun steht bereits die 79te Ausgabe in den Regalen und präsentiert einen bunten Rundumschlag aus all jenen Hits, die derzeit im TV und Radio rauf und runter geleiert werden. Die Kritiker werden auch diesmal wieder entnervt abwinken und darauf hinweisen, dass Compilations dieser Art heutzutage sowieso überflüssig sind, wo sich doch jeder zuhause sein persönliches Lieblings-Mixtape zusammenstellen kann. Alle anderen wiederum blicken gespannt auf das Backcover, ob es diesmal auch ihr persönlicher Favorit zwischen die 44 Songs geschafft hat. Die beinhalten neben Lenas „Stardust“ auch den neuen Tote-Hosen-Knaller „Altes Fieber“ und die zauberhafte Pop-Rakete „We Are Young“ von Fun. Ft. Janelle Monáe. Der Marteria-Überhit „Lila Wolken“ zusammen mit Yasha & Miss Platnum darf natürlich ebensowenig fehlen, wie der Bundesvision Song Contest-Favorit „Schau nicht mehr zurück“ von Xavas (alias Kool Savas und Xavier Naidoo). Dazwischen findet sich viel Diskussionswürdiges, was aber im Rahmen der „Bravo Hits“-Geschichte seit jeher so gewesen ist. Soll heißen: auch die 79te Auflage der „Bravo Hits“ erfüllt ihren Zweck und wird bei Fans wie Kritikern die allseits bekannte Reaktion hervorrufen. Na dann, bis zum nächsten Mal. Weitere Hits stehen schließlich jetzt schon in der Warteschlange.
// Wer sich das abendliche Dinner gerne mit ansprechender musikalischer Untermalung zu Gemüte führt, kommt an der neuesten Veröffentlichung aus dem Hause „Trikont“ nicht vorbei. Das Box-Set „Soulfood – Food Music, Fat & Yummy“ präsentiert nicht nur eine gelungene CD mit 18 Tracks, die mit zauberhaften Klängen von RZA („Grits“), Rufus Thomas („Greasy Spoon“) und Bo Diddley (der Klassiker „Soul Food“ darf in diesem Zusammenhang natürlich keinesfalls fehlen) gesegnet ist, es beinhaltet auch ein zauberhaftes Buch, das sich differenziert mit der afroamerikanischen Koch-Geschichte auseinander setzt. Ob „Gefüllte Rinderzunge“ oder „Katmandos Ochsenschwanz“. Man muss ich einlassen auf dieses Werk, das selbst vor einem „Alligator Eintopf“ nicht Halt macht. Wer es etwas weniger exotisch mag, kann sich alternativ auch über zahlreiche Rezepte zum Thema „Frittierte Kochbananen“, „Maisbrot“ und „Pfirsichkuchen“ freuen. Wer sich also mal wieder so richtig versündigen möchte, sollte sich dieses Werk zum Thema „Real African American Cooking“ von Sven „Katmando“ Christ auf keinen Fall entgehen lassen. Es lohnt sich.
// Spätestens seit ihrer Cover-Version des Babyshambles-Tracks „Fuck Forever“, den sie augenzwinkernd in einen astreinen Bierzelt-Schunkler ummodelten, hat sich die Neigungsgruppe Sex, Gewalt & Gute Laune für immer in unsere Herzen gespielt. Nun nehmen sie sich auf ihrem neuen Album Artwork-technisch den Beatles an und präsentieren auf dem Back-Cover die traurige Nachricht, dass „Loss mas bleim“ ihr letztes Album sein soll. Schade eigentlich, möchte man ihnen zurufen, wenn man sich die neuen zwölf Songs so zu Gemüte führt. Auf der Scheibe finden sich neben österreichischen Varianten von Lana Del Rey („Video Spü“) bis Velvet Underground auch Neu-Interprationen von Nirvana und Neutral Milk Hotel. Außerdem gibt die werte Kollegin Soap & Skin drei kurze Gastspiele und veredelt den Abgang von Neigungsgruppe Sex, Gewalt & Gute Laune mit großen Emotionen. Besser geht’s eigentlich kaum. Danke Jungs… wir verneigen uns vor euch.
// Auch, wenn wir beim „Zuckerbeat“ normalerweise keine Kleinformate besprechen, machen wir im Falle von Placebo natürlich gerne mal eine Ausnahme. Nachdem die Band vor kurzem erst geäußert hat, dass es sich bis zum nächsten regulären Release noch ein wenig hinziehen wird, erscheint nun ein kleiner Vorgeschmack in Form einer schicken EP namens „B3“. Darauf finden sich fünf Tracks, die einem die Zeit bis zum nächsten offiziellen Release versüßen. Die Band klingt nach dem poppigen letzten Album wieder etwas schroffer als zuvor. Allein der Titeltrack ist dermaßen scheppernd in Szene gesetzt, dass man sich am Liebsten auf Knien das eigene Hosenbein aufschürfen würde. Der größte Hit wiederum hört auf den Namen „The Extras“ und punktet mit einer zauberhaften Melodie, die man noch Stunden später im Ohr hat und die gegen Ende ordentlich ausdriftet. Über die volle Distanz lässt sich sagen, dass Placebo auf ihrem neuen Werk wieder etwas mutiger zu Werke gehen, als zuvor. „B3“ ist ein kratzbürstiges Mini-Album, das auf Großen hoffen lässt. Wir sind jedenfalls jetzt schon gespannt, was da noch kommen wird. Und damit Schluss für heute. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?