mit den Bänden „Torpedo“, „Andrax“, „Bourbon Street“, „Seelenfresser“ und „Antonio Ligabue“.
// Fans von „Sin City“ sollten jetzt mal ihre Ohren spitzen. Im „Cross Cult“-Verlag ist nämlich noch eine weitere, wirklich gelungene Noir-Novelle namens „Torpedo“ erschienen, die sich alle Fans von düsteren Kriminalgeschichten unbedingt ins Regal stellen sollten. Die Reihe selbst ist bereits in den 80er Jahren erschienen und spult den Leser zurück in das Jahr 1936. Dort treffen im Rahmen der Geschichte nicht nur zahlreiche Killer auf erfolglose Boxer aufeinander, die Mafia hat auch ihre Finger im Spiel. Die beiden Schöpfer Enrique Sánchez Abuli (für den Text verantwortlich) und Jordi Bernet (Zeichnungen) verstehen ihr Handwerk und haben mit „Torpedo“ die Vorlage für zahlreiche weitere Werke dieses Genres geschaffen.
So streifen wir im Rahmen des zweiten Bandes mit dem Profi-Killer Luca Torelli durch die Unterwelt New Yorks und dürfen ihm nicht nur bei seinen Auftragsmorden, sondern auch im Privaten über die Schulter schauen. Im Gegensatz zu vielen anderen Comic-Strips der damaligen Zeit ist die Persönlichkeit der Hauptfigur im Rahmen der einzelnen Bände sehr intensiv herausgearbeitet, was dazu führt, dass man Luca Torellis Werdegang vom Vollwaisen zum Auftragsmörder als nachvollziehbar empfindet. Zusammen mit seinem Helfer Rascal (von dem Torelli anfangs ermordet werden soll) erledigt er Kapitel für Kapitel seinen Job und sieht sich dabei immer wieder mit den Geistern seiner Vergangenheit konfrontiert. Neben der verzwickten Herkunftsgeschichte (welche die eine oder andere böse Überraschung bereithält), bekommt man im Rahmen der Gesamtausgabe nun auch erstmals die Möglichkeit, der Geschichte weitestgehend chronologisch zu folgen. Hier dienen zum Teil historische Ereignisse als Anhaltspunkt, um als Leser nicht den Überblick zu verlieren. Ursprünglich war übrigens auch der Cartoonist Alex Tooth an „Torpedo“ beteiligt, ist aber nach zwei Episoden wieder ausgestiegen, weil er mit den schwarzhumorigen Elementen des Werkes nicht so richtig warm wurde. Man sollte sich auch als Leser auf eine ruppige Wortwahl und einige explizite Szenen gefasst machen, darf sich dafür aber über zahlreiche, spannende Geschichten freuen, welche allen Fans von klassischer „Noir“-Unterhaltung ein breites Grinsen aufs Gesicht zaubern sollten. Die kompletten fünf Bände von „Torpedo“ sind im „Cross Cult“-Verlag im schicken A5-Hardcover-Einband erschienen und werden auf diese Weise hoffentlich auch hierzulande zahlreiche Fans finden. Verdient hätten sie es.
// Genauso wie die Geschichte „Andrax“, die inzwischen ebenfalls auf fünf Bücher verteilt von „Cross Cult“ neu veröffentlicht wurde. Fans der „Primo Comics“ oder „Zack“ werden schon wissen, wovon hier die Rede ist. Die Reihe erzählt in schwarz-weißen Motiven die Geschichte eines Zehnkämpfers namens Michael Rush (oder Andrax), der an den Olympischen Spielen von Montreal im Jahre 1976 teilnimmt. Im weiteren Verlauf wird er nicht nur gefangen genommen, sondern auch als Versuchskaninchen in einen 2000-jährigen Tiefschlaf versetzt. Als er wieder aufwacht, findet er sich plötzlich in einer rundum veränderten Gesellschaft wieder. Das Einzige, worauf er sich verlassen kann, sind seine Fähigkeiten als Sportler (und Kämpfer) und seine Intuition. So wird er schon sehr früh von einigen Weggefährten als Anführer auserkoren, wehrt sich aber zu Beginn noch gegen seine verantwortungsvolle Rolle. Die beiden Schöpfer Jordi Bernet und Peter Wiechmann kreieren unterdessen einen gelungenen Stilmix aus humoristischen und gruseligen Passagen. Mit ihren fantasievollen Geschichten nehmen sie den Leser mit in Richtung Zukunft und machen sich im letzten Act sogar die Mühe, das Geheimnis um die sich zusehends veränderte Gesellschaft zu lüften. Vorher aber sieht sich der Protagonist nicht nur mit einem geheimnisvollen Nebeneinander zahlreicher Epochen konfrontiert, auf das er sich einfach keinen Reim bilden kann und findet in König Holernes einen treuen Begleiter, welche ihm im Laufe der einzelnen Kapitel immer wieder den Rücken frei hält. Während er also durch diese Welt voller Ungeheuer und Dinosaurier stolpert, sieht er sich statt mit einer perfekten Gesellschaft vielmehr mit einem archaisch-anmutenden System konfrontiert, in welchem nur das Recht des Stärkeren zählt. Wie aber konnte es soweit kommen. Was ist passiert in den vergangenen 2000 Jahren? Die beiden Macher spielen sehr lange mit der Neugier des Lesers Katz und Maus, bevor sie die letzten Geheimnisse lüften. Eben deshalb wird man auch nicht müde, die fünf Bände nahezu in einem Aufwasch zu verschlingen. Die zahlreichen Seithiebe auf die Religion oder die zunehmende Digitalisierung unseres Lebens sorgen dafür, dass die Geschichte, obwohl sie bereits in den 70er Jahren erschienen ist, trotz des Retro-Looks noch heute aktuell ist. Mit „Andrax“ verhält es sich in diesem Zusammenhang ähnlich wie mit dem Literatur- und Film-Klassiker „Die Zeitmaschine“, welcher einen ähnlichen Ansatz verfolgt und auch heute noch für Begeisterungsstürme bei den Zuschauern sorgt.
// All jene, die sich in letzter Zeit über die gelungene TV-Adaption „Treme“ gefreut haben, welche das Leben in New Orleans nach dem Hurrikan „Katrina“ differenziert zu umreißen versucht, können in diesen Tagen auch mal einen Blick ins gut-sortierte Comic-Regal riskieren. Da stehen nämlich zwei Bände über die so genannte „Bourbon Street“ in den Regalen, die sich differenziert mit dem Leben der Musiker vor Ort auseinander setzen. In braunstichigen Motiven führt uns Zeichner Alexis Chabert an die Welt der Musik heran und gibt einem so das Gefühl, man würde von einem nostalgischen Schleier umhüllt. „Die Geister des Cornelius“ -so der Name des ersten Bandes- spielt in den 90er Jahren und thematisiert den Versuch eines alternden Jazz-Gitarristen die Vergangenheit in Richtung Gegenwart zu überführen. Nachdem er von der Reunion des „Buena Vista Social Cubs“ hört, trommelt er seine alten Kollegen zusammen, mit denen er in den 20er Jahren durch die Clubs der Stadt tingelte. Einer aber scheint verschollen zu sein und so machen sich die drei verbliebenen Musiker auf die Suche nach dem Vermissten und begeben sich, ohne dass sie es wissen, auf die vielleicht letzte große Reise ihres Lebens. Im zweiten Band (namens „Abschiedstournee“) wird dann nicht nur die Psyche der einzelnen Figuren intensiver herausgearbeitet, es wird auch deutlich, dass die Liebe zur Musik, wenn sie schon immer da gewesen ist, mit den Jahren niemals vollends versiegt. Ob es das Quartett am Ende schafft, wieder in voller Besetzung auf der Bühne zu stehen? Am besten du findest es selbst heraus. Es lohnt sich. Auch weil Texter Philippe Charlot sich im Rahmen der Geschichte fast vollständig auf Dialoge beschränkt und das Geschehen dadurch in Windeseile an einem vorbeizieht. Man fühlt sich kurz gesagt: wie in einem Rausch der Musik.
// Gerade erst hat auch die Reihe „Seelenfresser“ den Preis als „Bester Indiependent Comic 2012“ erhalten und da möchten wir natürlich ebenfalls auf das gelungene Gesamtkunstwerk aus der Feder des Schöpfers Schwarwel hinweisen. Der Leipziger Künstler, der eigentlich Thomas Meitsch heißt, hatte in den vergangenen Jahren nicht nur die Ehre als „Art Director“ für die Gruppe Die Ärzte zu fungieren, sondern auch den gelungenen Comic-Band über die Punkband in Szene gesetzt (Name: „Die Ärzte – Angriff der Fett-Teenager“). Von ihm stammen unter anderem die Album-Cover der Farin Urlaub-CDs „Die Wahrheit übers Lügen“ und „Am Ende der Sonne“. In „Seelenfresser“ widmet er sich in düsteren Motiven einer Gruppe von Menschen in der ostdeutschen Provinz. Im Mittelpunkt der Handlung stehen eine gewisse Nova, ihr Hund Joey, ihr Ehemann Hardy, dessen Geliebte und ein Wesen aus einer anderen Welt. Während sich der erste Band „Liebe“ sehr intensiv mit der Einführung der einzelnen Charaktere auseinander setzt und relativ gemächlich voranschreitet, wird das Tempo im just erschienen Nachfolger „Glaube“ dann ordentlich angezogen und der Zuschauer in einen düsteren Strudel der Emotionen gerissen. Zahlreiche „Splatter“-Momente sind da natürlich genauso Ehrensache, wie die eine oder andere explizite Sex-Szene, aber das Beste ist: all das wird unterfüttert mit einer gelungenen Geschichte, die einen jetzt schon gespannt auf die Veröffentlichung des dritten Werkes warten lässt, welches den Namen „Glauben“ tragen wird. (die erste Seite des Werkes findet sich bereits auf der „Seelenfresser“-Homepage.) Kurz und knapp: Wer auf die Werke von Charles Burns oder Mike Mignola steht, sollte mal reinschauen.
// „Antonio Ligabue“ zählt zu den wichtigsten Künstlers des „Art brut“. Darunter versteht man Kunst, die von Laien, Kindern oder Menschen mit geistiger Behinderung gemacht wird. Nun widmet sich eine gelungene Graphic Novel aus dem „Jacoby & Stuart“-Verlag dem außergewöhnlichen Leben des Künstlers, welcher in den letzten Monaten vor der Jahrhundertwende im Jahr 1899 geboren wurde. Ligabue selbst wiederum sieht sich im Laufe seiner Jugend mit zahlreichen Pflegefamilien konfrontiert. Mit 18 weist man ihn in die Psychiatrie ein und weil er anschließend keine feste Bleibe findet, weist man ihn ein paar Jahre später wieder aus der Schweiz aus. In den Wäldern Italiens haust er schließlich in einer einsamen Hütte im Wald, wo er alle Ecken und Kanten mit Kunst vollstopft. Dann aber wird ein berühmter Maler auf ihn aufmerksam, wobei es allerdings immer wieder zu Konflikten zwischen dem eigenwilligen Protagonisten und dem langjährigen Förderer kommt. Vier Jahre vor seinem Tod erreicht Ligabue dann doch noch Weltruhm, nachdem eine vielbeachtete Ausstellung stattfindet, welche ihn zum „italienischen Van Gogh“ avancieren lässt. Dem Zeichner Hannes Binder gelingt es die Geschichte des Künstlers anhand zahlreicher großformatiger, allesamt schwarz-weißer Motive in Szene zu setzen, die den Text von Giuseppe Zitroni gekonnt ergänzen. Streckenweise scheinen Motive und Sprache regelrecht ineinander zu verschwimmen und so erhält man auch als Laie einen imposanten Einblick in das bewegte Leben Ligabues. Es lohnt sich also mal reinzuschauen in „Antoni Ligabue – Von der Qual eines Künstlerlebens“. Und wir verabschieden uns erst einmal für heute. Viel Spaß mit unseren Comic-Tipps. Bis zum nächsten Strichcode.
UND WAS NUN?