mit Büchern von Nicola Karlsson, Sven Regener, Ernst Haffner, Oscar Coop-Phane und Enno Stahl.
// Wer sich für glaubwürdige Generationen-Portraits interessiert, der kommt an dem aktuellen Werk von Nicola Karlsson nicht vorbei. „Tessa“ ist ein literarisches Debüt, das einem noch Tage später im Kopf herumschwirrt. Das Buch erzählt von einer auf sich selbst fixierten Gesellschaft, die es als äußerst wichtig erachtet, was all die Gleichaltrigen da draußen eigentlich für eine Meinung über sie hat. Im Mittelpunkt steht eine junge Frau namens Tessa, die Stück für Stück die Kontrolle über ihr eigenes Leben verliert.
Erst sind es nur ein paar Beruhigungstabletten in Kombination mit dem einen oder andere Glas Alkohol. Dann aber schlittert sie immer tiefer in den Abgrund und merkt schließlich, dass sie schon mitten drin steckt in dieser Sache, die gemeinhin als Depression bezeichnet wird. Der Autorin gelingt es in diesem Zusammenhang eine polarisierende Protagonistin zu erschaffen, die an ihrer eigenen Unsicherheit zu zerbrechen droht. Zudem strotzt ihr Roman nur so vor poetischen Sätzen, die einen in einen Sog der Emotionen reißen. Ihr solltet euch dieses packende Debüt also auf keinen Fall entgehen lassen.
// Jaja, so ist das eben manchmal im Leben. Unverhofft kommt oft. Und weil man sich dessen eigentlich schon immer bewusst gewesen ist, findet man sich auch schon nach wenigen Seiten in dem aktuellen Werk von Bestseller-Autor Sven Regener wieder, der mit „Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt“ einen neuen, äußerst lesenswerten Roman aus dem Ärmel schüttelt. Die Geschichte selbst dreht sich um eben jenen, im Titel bereits erwähnten Protagonisten, der am Tag der Maueröffnung Opfer eines Nervenzusammenbruchs wird. Ein paar Jahre später entdecken ihn ein paar alte Kumpels in einer Drogen-Einrichtung in Hamburg und kommen auf die fixe Idee, ihn als Partner mit ins Boot zu holen. Sie wollen nämlich eine groß angelegte Techno-Tour durch Deutschland starten und brauchen jemand, der alle Sinne beieinander hat, während die fette Party über die Bühne geht. Wer also würde sich da besser eigenen, als ein Ex-Junkie, der keinerlei Interesse daran hat, einen Rückfall zu erleiden. Karl jedenfalls lässt sich drauf ein und möchte endlich ins echte Leben zurückfinden. Ob ihm das gelingt oder ihn der ganze Mist von früher doch noch einmal einholt? Sven Regener gelingt es mit seinem Werk eine verquere Geschichte dermaßen liebevoll zu erzählen, das man schon nach wenigen Seiten nicht mehr aufhören mag zu lesen.
// Bereits im Jahre 1932 ist der Roman „Blutbrüder“ erstmals erschienen und wird nun – dem „Metrolit“-Verlag sei Dank – noch einmal in einer neuen Auflage veröffentlicht. Das Werk von Ernst Haffner dreht sich um eine Gruppe von obdachlosen Jugendlichen, die sich Anfang der 30er Jahre daran versuchen, in den Straßen Berlins nicht unter die Räder zu kommen. Die so genannten „Blutsbrüder“ pennen nicht nur in maroden Quartieren, sondern pendeln auch zwischen Kneipen und Bahnhofshallen hin und her. Darüber hinaus scheint ihnen nur die Wahl zwischen Gefängnis und Fürsorgeanstalt offen zu stehen, aber unterkriegen lassen sie sich davon trotzdem nicht. Ganz im Gegenteil. Trotzig bahnen sie sich ihren Weg durch die Straßenschluchten der Stadt und finden sich in einem kriminellen Umfeld wieder, das kein Pardon kennt. Dem Autor gelingt es in diesem Zusammenhang ein äußerst authentisches Bild seiner Zeit zu zeichnen und so freut man sich am Ende nur umso mehr, diesen literarischen Schatz nach all den Jahren wieder in den Händen halten zu dürfen. Wenn du also auch wissen möchtest, wie das damals so war, schnapp dir diesen „Berliner Cliquenroman“. Es lohnt sich.
// Ebenfalls in Berlin spielt die Geschichte des Autors Oscar Coop-Phane, der von Frédéric Beigbeder schon als die literarische Entdeckung des Jahres gefeiert wird. In „Bonjour Berlin“ konzentriert er sich voll und ganz auf den Moment der Ekstase. Er inszeniert die Bühne Berlin als Sehnsuchtsort, den man unbedingt erreichen möchte und ist man erst mal dort angekommen, auch nicht so schnell wieder verlassen möchte. Der Autor selbst spricht in diesem Zusammenhang aus Erfahrung. Er stammt nämlich selbst nicht aus Berlin, sondern aus Paris. Dort aber nervt ihn die Kälte und die Geschäftigkeit und so entscheidet er sich in Berlin ein neues Leben zu beginnen. Als Neuer taucht er ein in die Clubs, die Kulturszene und das Leben zwischen Drogenexzess und Weltschmerz. Heraus kommt ein Werk, das einen unmittelbar auf eine Reise mitnimmt und dafür sorgt, dass man schon nach wenigen Seiten selbst einen Abstecher in Richtung Hauptstadt absolvieren möchte. Wenn du also auf popkulturelle Literatur am Puls der Zeit stehst, solltest du dir dieses Werk auf keinen Fall durch die Lappen gehen lassen. Wir jedenfalls haben seit Airens „Strobo“ und Ju Innerhofers „Die Bar“ nichts Berauschenderes mehr gelesen.
// Der Duisburger Autor Enno Stahl, seines Zeichens studierter Germanistiker und Philosoph, wagt sich in seinem Werk „Diskurspogo“ zu guter Letzt an die diffizile Fragestellung heran, warum realistische Literatur eigentlich oft ein wenig wirklichkeitsfern ist. Im Rahmen dreier aufschlussreicher Kapitel widmet er sich der deutschen Literatur unserer Zeit und nimmt dabei unter anderem die Werke von Christian Kracht und Juli Zeh unter die Lupe. In diesem Zusammenhang konfrontiert er einen als Leser nicht nur mit provokanten, durchaus diskutablen Thesen, er fordert auch mehr Engagement von den Autoren, sich mit gegenwärtigen, gesellschaftlichen Themen auseinander zu setzen. So ist sein Werk, welches mit dem Untertitel „Über Literatur und Gesellschaft“ versehen ist, äußerst spannend zu lesen und regt im Anschluss zum Nachdenken über fragwürdige Kategorien, wie „Popkultur“ oder die Zusammenhänge zwischen „Literatur und Terror“ an. Wenn du also auf Literatur stehst, die sich intensiv mit sich selbst auseinander setzt, kommst du an diesem Werk nicht vorbei. Und damit Schluss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.
UND WAS NUN?