Wie jetzt? Ihr wollt bei der Hitze einfach auf der faulen Haut liegen und abspannen? Dann schiebt bloß nicht „X Marks Destination“ (6) von The Whip (klickt auf den Interpreten und ihr gelangt zum Reinhören sofort auf dessen Myspace Seite) in den Player. Die verpassen euch nämlich einen astreinen Synthie-Rock-Arschtritt der Sonderklasse. Schon nach zwanzig Sekunden hält es keinen mehr auf den Sitzen. „I wanna… I wanna be trashed“. Ein minimalistisches Elektromonster walzt da heran und ehe man sich versieht, ist man mittendrin in den 80ern. Neonfarben fluten die Wohnblocks. Und die Lampen hinter den Zimmerfenstern flackern solange im Takt, bis man eine Choreografie zu erkennen scheint. Dieses Album ist ein wohlschmeckendes Aufputschmittel, das dich aus der Umlaufbahn schleudert, bis du plötzlich mit beiden Beinen an der Zimmerdecke hängst, wie Homers Spiderschwein. Trotzdem gilt auch hier wieder: Wohl dosiert genießen, sonst schmeckts irgendwann, wie abgestandene Cola. Aber welche Band kann schon von sich behaupten, dass sich ihre ballernden Synthie-Kracher nicht irgendwann abnutzen. Das schaffen ja nicht mal The Faint. Und das will einiges heißen. Hinterher wird dann erstmal ordentlich in Nostalgie gebadet. Und man ist sich auch nach mehreren Durchläufen noch nicht so ganz sicher, ob Gavin Rossdale jetzt einen Bauchplatscher oder einen schicken Köpfer hingelegt hat. „Wanderlust“ (5) jedenfalls ist beileibe nicht so schlecht, wie es in diversen Gazetten bereits verbreitet wurde. Zugegeben… Die Single „Love Remains The Same“ trieft regelrecht vor Schmalz. Aber der Opener „Can´t Stop The World“ und auch „Another Night In The Hills” zeigen den Sänger in wesentlich besserer Verfassung, als noch zu unsäglichen “Institute”-Zeiten. Insgesamt sollte man deshalb jetzt bestimmt kein Meisterwerk erwarten. Dazu fehlt Herrn Rossdale einfach der Mut zur Unberechenbarkeit. Aber alle, die sich vor Jahren noch bei diversen Bush-Konzerten in den Schlammlagen gewälzt haben, dürften an diesen Songs durchaus Gefallen finden. Bleibt am Ende eigentlich nur das Manko der hohen Balladendichte und der glatten Produktion. Außerdem besteht natürlich auch bei Gavin Rossdale die Gefahr, dass er irgendwann als Abziehbild seiner selbst endet. Deshalb sollte er das nächste Mal vielleicht mal ein paar gefragte Produzenten anrufen, die auch den Mut zu Risiken haben. Seine Liebste dürfte da ja sicher ein paar Kontakte haben. Womit wir dann die Bühne freimachen für Danger Mouse. Der hat nämlich The Shortwave Set produktionstechnisch unter die Arme gegriffen und das klingt dann auf „Replica Sun Machine“ (7), als würden die Gorillaz mit The Velvet Underground fusionieren. Gleich von Beginn an schickt dich die Scheibe auf Achterbahnfahrt durch die Milchstraße und entlässt dich schließlich in den endlosen Weiten der Atmosphäre. Psychedelischer Pop klang selten so spannend. Das liegt vor allem an den Melodien, die immer wieder schöne Erinnerungen an die Flaming Lips wachrufen. So schön, wie in „No Social“ wurde jedenfalls schon lange nicht mehr in hymnischen Refrains vor sich hin geschwelgt. Überhaupt scheint hier alles irgendwie aus dem Nichts aufzutauchen. Dass die Scheibe trotz aller psychedelischen Ansätze dann auch noch kurzweilig wirkt, ist am Ende fast schon ein kleines Wunder. Und zwar eines, von dem man sich in warmen Sommernächten gerne durch die Straßen der Stadt treiben lässt. Mit Kopfhörern versteht sich. Und dann scheint E.T. gar nicht mehr so weit weg zu sein, wenn du plötzlich mit Fahrtwind im Rücken einen kleinen Hügel hinabsaust. Am Fuße dessen wiederum purzelst du allerdings erstmal in einen Fahrstuhl, der dich schnurstracks wieder nach oben hievt. Zu ihr… Zu einem Album, das mehr Spektakel ist, als eine Ansammlung von Songs. Behaupten zumindest alle. Denn Carla Bruni ist ein Weltstar. Wie sie sich in verschiedenen Welten spielend zu Recht findet, verwundert und verzaubert. Auf ihrem dritten Album „Comme si de rien n´était“ (6) wirkt sie überraschend befreit. Befreit vielleicht von dem Umstand, dass sie diesmal keine Gedichte des 19ten und 20ten Jahrhunderts vertont, was ihr am Ende aber dennoch sehr gut gelang. Vielleicht auch von dem Umstand, dass es da draußen neben Blues & Folk noch andere Spielwiesen für Songschreiber gibt. Und so streckt sie ihrem eigenen Albumtitel in musikalischer Hinsicht erstmal den Mittelfinger entgegen. Hier ist nämlich rein gar nichts, als ob nichts gewesen wäre. Man spürt vielmehr das Anliegen der Sängerin ihre Songs von der reduzierten Atmosphäre loszureißen, die ihre frühen Alben ausstrahlten. Ein Schlupfloch entdeckt sie schließlich in der Welt der Popmusik und inszeniert sich selbst als Teil einer Band. Ja, sie stellt sich mit „You Belong To Me“ sogar Großmeister Bob Dylan im direkten Vergleich… und muss damit scheitern. Sorgt aber dennoch mit ihren eigens komponierten Songs dafür, dass dieses Album nicht nur im Kontext ihrer Person die Charts empor schießen wird, sondern auch unabhängig von den äußeren Umständen seinen musikalischen Reiz entfaltet. Zudem kann man sich kaum eine schönere Scheibe vorstellen, die einen beim Schlendern durch die Straßenschluchten einer altertümlichen europäischen Stadt begleitet. Alles wirkt so herrlich distanziert und dennoch zum Greifen nahe. Wie alte Gemäuer eben auch. Fehlen jetzt eigentlich nur noch der passende Altar und ein paar Steinfelsen zum Rumsitzen und dann hätte man die perfekte Atmosphäre für die Fleet Foxes (7). Die spielen eine Art Gospel-Folk und schaffen es trotzdem, nicht austauschbar zu klingen. Ihr größtes Kapital sind die Melodien und die glasklare Produktion, die das Sammelsurium an Sounds wunderbar aufeinander abstimmt. So umschmeicheln einen schimmernde Perlen der Marke „Ragged Wood“, bei dem man sich immer wieder fragt, wie die Band trotz ihrer ständigen Abstecher ins Absurde wieder in die Spur zurückfindet. Überhaupt. Wie die Fleet Foxes es scheinbar spielend meistern, dass ihnen die Musik nicht völlig aus der Bahn gleitet: Das ist schon ganz großes Kino. Und beschert einem am Ende elf Stücke, die wirken, als hätte da jemand eine Jamsession der Beach Boys anberaumt und dann kämen plötzlich Arcade Fire rein gestürmt. Das neue Album der Gruppe Sport tritt ebenfalls in große Fußstapfen. Allerdings sind es diesmal die eigenen. Der Vorgänger „Aufstieg und Fall der Gruppe Sport“ war nämlich so etwas, wie das beste Kante-Album, das Kante nie geschrieben haben. „Unter den Wolken“ (7) ist nun etwas unscheinbarer geraten. Und trotzdem schließt man wunderbare Songs, wie „Der Schmerz“ nach einigen Durchläufen ganz tief ins Herz. Wer sein Album mit einem Stück namens „Gehirnerschütterung“ und den Zeilen „es trifft dich wie ein Schlag“ einläutet, der hat Großes vor. Umso schöner aber, dass sich hinter diesen Schlagworten auch immer noch tiefsinnige Inhalte verstecken. Denn Sport haben (im Gegensatz zu den Sportfreunden) diese seltene Fähigkeit, ihre Worte nach mehr als nur Worte klingen zu lassen. Und irgendwann hat sich sicher jeder schon mal gefragt: „Wenn alle Stricke reißen, was ist zu verlieren, was Wert wäre zu behalten?“ Und so wirkt dieses Album letztlich vor allem als Gesamtkunstwerk. Thronten beim Vorgänger noch Songs, wie „Newton“ oder „Ein Ende“ erhaben über den restlichen Stücken, scheinen sich Sport nun endgültig ihres Weges sicher zu sein. Und der führt geradewegs nach oben, auch wenn sie ein paar Stolperfallen eingebaut haben. Kurz gesagt: Diese Scheibe rockt wie Hölle. Und wir stemmen uns dem Wind entgegen bis wir abheben. Also haut rein. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
// von Alexander Nickel-Hopfengart
UND WAS NUN?