mit neuer Musik von Tori Amos, Michael Jackson, Kamikazes, Samy Deluxe, 3Plusss, Santana, Swans und Pink Mountaintops.
// Die Zeiten, als ein neues Werk von Tori Amos uns noch zu himmelhochjauchzenden Jubelarien verleitete, sind lange vorbei. Ihr neues Album allerdings ist trotzdem bemerkenswert, weil es einem formvollendet vor Augen führt, warum man diese Künstlerin in den vergangenen zwanzig Jahren so innig ins Herz geschlossen hat. Nahezu spielend meistert sie den Balance-Act zwischen anspruchsvoller Kunst und Popmusik und beschert uns auf „Unrepentant Geraldines“ eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle. Fast meint man als Zuhörer noch einmal in der Zeit zurück gespult zu werden, während diese Musik hier das heimische Soundsystem flutet. Die Dringlichkeit, die Nähe, die Überraschungsmomente. Plötzlich ist all das wiederum zum Greifen nah und wickelt einen in all seiner Pracht schon nach wenigen Sekunden um den kleinen Finger. Tori Amos klingt auf ihrem 14. Studioalbum als wäre es ihr Erstes und so lassen wir uns einfach mal treiben von der Musik, die die Welt um uns herum schon nach wenigen Takten auf Zeitlupe schubst.
// Trotz seines Todes erscheinen inzwischen in regelmäßigen Abständen posthumane Veröffentlichungen von Michael Jackson. Auf „Xscape“ bekommen die Fans zur Abwechslung mal wieder neues Songmaterial präsentiert und das reiht sich perfekt ein in das bisherige Schaffen des Pop-Helden. Acht neue Tracks haben es am Ende auf die Scheibe geschafft, die auf der „Deluxe Edition“ auch alle noch einmal in der Originalversion zu hören sind. Das Bemerkenswerte an der Platte ist dabei aber nicht nur die hohe Qualität der Aufnahmen (der Vorgänger lies da ja bereits schlimmste Befürchtungen aufkommen), Produzent Timbaland versteht es auch sehr gekonnt, Michael Jacksons Musik in einen zeitgenössischen Kontext zu transportieren. Auf diese Weise entsteht ein wirklich spannendes, ziemlich kurzweiliges Pop-Album, mit dem wahrscheinlich auch der Künstler selbst zufrieden gewesen wäre. Wir jedenfalls hätten eigentlich gar nicht mehr damit gerechnet, dass unter dem Banner MJ nochmal so illustre Hits wie „Chicago“ und „A Place With No Name“ erscheinen. Also schnuppert mal rein. Und freut euch zusätzlich noch auf einen Gastauftritt von Justin Timberlake im Rahmen der Bonus-Tracks.
// Wer im vergangenen Jahr ebenso viel Spaß an der neuen Platte von Prezident hatte wie wir, der sollte in diesen Tagen unbedingt zum neuen Werk der Wuppertaler Rap-Crew Kamikazes greifen. Die beiden Künstler liefern mit „Kleiner Vogel“ eine der wohl spannendsten Platten der vergangenen Monate ab. Voraugesetzt natürlich man steht auf Rapmusik, die mit viel Liebe zum Detail produziert worden ist. Schöne Erinnerungen an Doppelkopf und R.A.G. werden wach, wenn die Scheibe hier läuft. Antagonist und Mythos lassen sich nicht ins Handwerk pfuschen, das merkt man den Songs immer wieder an. Es ist fast ein bisschen so, als hätten sich da zwei für ein paar Wochen im Studio vergraben und ihre persönliche Vision von einem runden „Whiskeyrap“-Album aus dem Ärmel geschüttelt. Natürlich gibt auch Prezident bei zwei Songs der Platte ein kurzes Gastspiel, wobei die Scheibe diese Art von Namedropping eigentlich gar nicht nötig hat. Man versteht sich eben, teilt eine Vision und schüttelt Textzeilen aus dem Ärmel, die einen das Tor zu einer anderen Welt aufstoßen. Sind wir nicht alle irgendwie auf der Suche nach dem Sinn? Und trifft eine Textzeile wie diese nicht den Nagel auf den Kopf…? „Ich bin ein Gast in diesem Zimmer / die Aussicht dieses Palasts geht nach innen / Wendeltreppen werden in der Höhe immer enger / Ich hab’ keinen blassen Schimmer, worin ich mich hier verrenne“ Ja, wer den Blick gerne auf Äußerlichkeiten richtet, der ist hier an der falschen Adresse. Auf „Kleiner Vogel“ geht’s ums Eingemachte. Kamkikazes wollen den Dingen auf den Grund gehen. Und wenn du dir Zeit nimmst, dann werden sie dir ein äußerst nachhaltiges Rap-Brett vor den Latz knallen. Wir jedenfalls sind begeistert und freuen uns jetzt schon auf die weiteren Releases aus dem Hause „Whiskeyrap“ über die wir euch auch weiterhin an dieser Stelle auf dem Laufenden zu halten versuchen.
// Der altehrwürdige Samy Deluxe hat ebenfalls mal wieder ein neues Album am Start und macht sich nach seinem gelungenen Mixtape weiterhin daran, das Thema „Männlichkeit“ zu beackern. Ja, der Mann heutzutage ist ein äußerst wandelbares und vielschichtiges Wesen und so beleuchtet der Musiker diesen Umstand auch aus unterschiedlichsten Perspektiven. Schön zu sehen ist dabei vor allem, dass er mit dem Macho-Gehabe diverser Kollegen nur wenig am Hut hat, stattdessen bekommt man sympathische Nostalgie-Bretter („Fantasie Pt. 1“) oder Altherrenwitze mit Augenzwinkern („Schaukelstuhl“) präsentiert. All das funktioniert vor allem dann wirklich gut, wenn Samy mal ordentlich das Gaspedal durchdrückt und wie im abschließenden „Halt dich gut fest“ mit freundlicher Unterstützung von den Fantastischen Vier dem versierten Wortakrobaten in sich freien Lauf lässt. Ansonsten werden alle Fans des Musikers auch diesmal wieder ihre helle Freude mit der Musik des Hamburger Rappers haben und bekommen mit „Der letzte König von Schrottland“ auch noch ein Update von „Weck mich auf“ präsentiert. Wobei wir bei der Gelegenheit auch dazu raten möchten mal in die „Deluxe Edition“ der Scheibe hinein zu hören. Die hat nämlich mit „Pappblick Enemy“ (featuring Afrob) und „Rapper sind gef****“ zwei Songs mit drauf, die unserer Meinung nach unbedingt auf den regulären Longplayer gehört hätten.
// Fans von Dynamite Deluxe könnten in der Zwischenzeit auch am aktuellen Album von 3Plusss Gefallen finden. Der macht sich auf seinem neuen Album „Mehr“ an das Thema Wachstum heran und beschert uns dabei ein paar wirklich imposante Tracks, die sich keinerlei stilistische Grenzen auferlegen. In „Ich habe Hip Hop nicht verstanden“ lehnt sich der Musiker sogar so weit aus dem Fenster, die alte Garde mal so richtig schön ins Abseits zu stellen. Ansonsten hat der frühere VBT-Teilnehmer aber nicht nur ein paar augenzwinkernde Breitseiten auf längst vergangenen Zeiten im Gepcäk, er führt auch vor Augen, wie man abseits der gängigen Klischees ein spannendes Rap-Album aus dem Ärmel schüttelt, das bist zum Ende hin nicht an Drive verliert. Der absolute Überhit ist in diesem Zusammenhang übrigens das pulsierende „Sicher“, welches er zusammen mit seinem Rap-Kollegen Chefket ins Mikrofon pfeffert. Wenn du also auf Rap im Grenzgebiet von Eins Zwo, Fischmob oder dem eben genannten Chefket stehst, dann schnupper mal rein. Diese Platte könnte dir den Frühling versüßen.
// Es gibt ja viele Fans, die Carlos Santana niemals verziehen haben, dass er sich in den vergangenen Jahren der Pop-Welt öffnete. Selbige werden auch von seinem aktuellen Album wieder schrecklich enttäuscht sein. Alle anderen wiederum beglückt der Altmeister mit einer bunten Melange aus angesagten und zeitgenössischen Tracks, die sich selbst keinerlei Sitilgrenzen unterwerfen. Mit „Corazon“ macht sich der Musiker stattdessen daran, seiner Liebe zum Latin freien Lauf zu lassen und lädt in diesem Zusammenhang auch noch eine ganze Reihe illustrer Gaststars zu sich ins Studio ein. Bei solch hochkarätigen Namen wie Gloria Estefan und Ziggy Marley dürfte der Hit also vorprogrammiert sein. Darüber hinaus macht die Scheibe aber auch noch verdammt gute Laune und vor allem das bezaubernde „La Flaca“ und das beschwingte „Margarita“ haben es uns angetan. Wenn du also auf Latin-Musik mit viel Pop-Appeal stehst, dann hör dir die Scheibe mal an. Du wirst es ganz sicher nicht bereuen.
// Ganze zwei Stunden lang versorgen uns die Kollegen aus dem Hause Swans mit einem bezaubernden Brocken, der keine Wünsche offen lässt. „To Be Kind“ ist eines dieser Alben, das man sich am Besten mehrmals zu Gemüte führt. Die Band um Michael Gira und Norman Westerberg knallt uns einen schwermütigen Noise-Rock-Brocken vor den Latz, der trotz der epischen Spielzeit keine Sekunde lang belanglos anmutet. Ganz im Gegenteil: der Band gelingt es hier ihren Sound vollends zu perfektionieren und jedem Fan von Nick Cave bis Dream Theater damit ein breites Grinsen aufs Gesicht zu zaubern. Zum Unterhaltungswert tragen dabei auch die illustren Gastauftritte von St. Vincent, Cold Specks und Little Annie bei, die den stampfenden Rhythmen ein vielschichtiges Melodien-Gedicht überstülpen. Wenn du also auf Musik stehst, die einen herausfordert mit epischen Songs, die sogar hin und wieder die 30-Miuten-Marke überschreiten, dann schnupper mal rein. Es lohnt sich.
// Stephen McBean macht sich derweil daran unter dem Pseudonym Pink Mountaintops in Indie-Kreisen für helle Aufregung zu sorgen. Auf seinem neuen Album namens „Get Back“ versammelt er eine illustre Schar an Indie-Pop-Songs, die auch den altehrwürdigen Television Personalities gut zu Gesicht gestanden hätten. Ja, diese Musik hier strahlt eine Dringlichkeit aus, die vielen aktuellen Produktionen leider vollends abgeht. Fans von The Thermals und Cloud Nothings dürfen also ebenfalls mal einen Durchlauf riskieren und werden beglückt mit zehn schmissig-spröden Indie-Perlen, die einem noch Stunden später im Kopf herum schwirren. Womit wir uns dann auch schon wieder verabschieden für heute. Also viel Spaß mit der Musik und lasst es euch gutgehen… bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?