Derzeit wird ja allerorts ein Grunge-Revival nach dem anderen ausgerufen. Passend dazu melden sich auch wieder einige Ikonen von früher zu Wort. Zum Beispiel Mudhoney (klickt auf den Interpreten und ihr gelangt zum Reinhören sofort auf dessen Myspace Seite). Die klingen auf ihrem neuen Album „The Lucky Ones“ (7) zwar ein bisschen aufgeräumter, als in ihren dreckigen Anfangstagen, haben mich aber spätestens, als nach dem Refrain des Openers der Schlachtruf „I´m Now“ aus den Boxen donnert. Diese Band klingt auch anno 2008 noch wie ein musikgewordener Stinkefinger. Man spürt richtig die Wände wackeln in den Proberäumen. Den Schweißgeruch. Die zerfetzten Jeans. Die Verweigerungshaltung. Die zerschmetterten Gitarren nach einer sagenumwobenen Club-Show. Mudhoney schleudern dich zu Boden und wälzen dich in einer verregneten Nacht durch eine Schlammlandschaft. Diese Platte macht einen fertig. Und das ist verdammt noch mal gut so. Da stürzt man sich anschließend nur zu gerne ins nächste musikalische Inferno. Walls Of Jericho haben die balladesken Flügel der letzten EP wieder abgestreift (zumindest mit Ausnahme des letzten Songs). Können sich aber dennoch auf “The American Dream“ (4) nicht aus dem eng gestrickten Korsett befreien, dass ihnen das Genre Metalcore aufdrückt. Ich meine, da kannst du noch so lange in ein Pustefix blasen. Da kommen trotzdem nur Seifenblasen und keine Goldbarren raus. Stattdessen entpuppt sich die glänzende Oberfläche dieser Platte als leere Hülle. Das heißt nicht unbedingt, dass man als Fan dieses Sounds nicht blind zugreifen könnte. Aber wer Innovationen sucht, den dürften die Songs schwer enttäuschen. Mal abgesehen natürlich von dem brachial-genialen Stück „Feeding Frenzy“ oder dem spannungsvoll aufgebautem „A Long Walk Home“. Bei diesen Brettern möchte man kurzerhand aus einem geschlossenen Fenster im vierten Stock springen und ins kühle Nass des Mains abtauchen. Denn sie machen Hoffnung. Hoffnung, dass diese Band mit dem nächsten Album ihre Möglichkeiten vollends ausschöpft. Dann kommen da vielleicht noch die nächsten Opeth raus. Who knows? Die Qualität jedenfalls scheint vorhanden. Womit wir dann mal wieder bei der Broken Social Scene vorbei schauen. Genau genommen, bei Brendan Canning. Der veröffentlicht unter dem Banner seines Kollektivs das Solo-Album „Something For All Of Us…“ (6). Die Scheibe ist ein glänzendes Indie-Pop Werk geworden, dass sich überraschend sonnigen Melodien zuwendet. Man spürt zwar immer wieder den verschrobenen Geist seiner Hauptband (vor allem beim stimmungsvollen „Chameleon“, dass auch stark an The Polyphonic Spree erinnert) aber dazwischen schubst er immer wieder zuckersüße Popsongs vor seine Hörer, die einem den Tag versüßen sollen. „Churches Under The Stairs“ zum Beispiel ist eine einzige Ode ans Glück. Da schlängeln sich plötzlich Delphine vor dir im Wasser und präsentieren dir atemberaubende Choreographien. „Love Is New“ wiederum ist ein beschwingter Himmelsstürmer. Und der melancholisch verträumte Abschluss durch den Doppelpack „Been At It So Long“ und „Take Care, Look Up“ entlässt einen endgültig auf Wolke 7. Da kann man dann auch gleich sitzen bleiben und sich einlullen lassen von den elektronischen Spielerein Monika Kruses. Deren neuster Streich bietet ein breites Sammelsurium an ausufernden Sounds für ausgedehnte Tanzabende. „Changes Of Perception“ (6) schafft es dabei trotz der vielen 6 bis 7minütigen Tracks, den Hörer bis zum Schluss bei der Stange zu halten. „Fragile“ strahlt sanfte Melancholie aus. „Morgana“ erzeugt Strandatmosphäre. Und „Change Of Perception“ schreit nach schweißgetränkten Körpern die sich in schicken Clubs in Ekstase schaukeln. Insgesamt also mal wieder alles richtig gemacht, die sympathische und couragierte Labelchefin. Mit dieser Platte sollte sie jedenfalls auf der ganzen Welt neue Freunde finden. Ob das Rhythms Del Mundo mit ihrer EP „Cubano Alemán“ (4) auch schaffen, wird sich erst noch zeigen müssen. Eine gelungene Zweitverwertung von Tocotronics „Kapitualtion“ mag ja durchaus noch charmant anmuten, aber spätestens wenn Culcha Candela mit ihrem unsäglichen „Hamma“ um sich werfen, ist bei mir Ende Gelände. Insgesamt kann man also, dass diese Scheibe durchaus amüsant sein könnte, hätte man nicht auf so viele Chartverdächtige der Marke 2RaumWohnung und Ich + Ich zurückgegriffen, sondern etwas mehr Mut zum Risiko bewiesen. „Kapitulation“ schick ich jetzt trotzdem auf Dauerschleife. Das passt nämlich perfekt aufs Mixtape neben Ron Flieger. Der macht auf seinem neuen Album „Gib mir etwas woran ich mich“ (5) ziemlich viel richtig. Der Opener „Was treibt uns an“ ist die perfekte Hymne für einen Trip raus aufs Meer. Umschifft er doch in perfekter Weise die Klischee-Falle der deutschen Sprache. „Komm, frag mich“– mit seiner Klaviermelodie – ist zudem ein Traum von Song, der einen zärtlich umschmeichelt. Man kann Ron Flieger eigentlich nur eins vorwerfen: dass er am Ende dann doch nicht ganz die Kurve kriegt. Da landet er nämlich hin und wieder in schlimmsten Chartgefilden der Marke (…). Was natürlich auch an seiner Stimme liegt. Die erinnert so unverschämt an diverse Dummreimer-Combos, dass er einem schon fast wieder leid tut. Trotzdem ist es natürlich schön zu sehen, dass sich seine Musik von deren abhebt. Wie viel mehr allerdings drin ist, wird man aber wohl erst nach dem nächsten Output wissen. Da gilt es den Beweis anzutreten, dass er wirklich einer von den Guten ist. Womit wir dann bei Cajus vom Blumentopf angelangt wären. Der haut in diesen Tagen sein Solo-Album „Planet Cajun“ (6) raus und versucht sich an Elektro-Hop, der dezent von gelungenen Wortspielen umschwärmt wird. Für die Charts dürfte die Scheibe zwar zu brav sein, aber jeder der deutschen HipHop für seine Wortspiel-Qualitäten in den 90ern liebte, wird dieses Album derbe abfeiern. An die letzte Scheibe seiner Hauptband kommt Cajus dabei zwar nicht heran, den Vergleich sollte man aber auch nicht ziehen. Diese Mucke wildert nämlich eher in Gefilden, in denen sich Dendemann kürzlich niedergelassen hat. Cajus ist auf der Suche nach der Popmusik. Verliert dabei aber auch seine Vergangenheit nicht aus den Augen. Das ist anfangs durchaus gewöhnungsbedürftig. Kickt dann aber umso mehr. Also Tonne zugekloppt und ab dafür. Die Spiele sind für heute beendet. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
// von Alexander Nickel-Hopfengart
UND WAS NUN?