mit einer XXL-Ausgabe zur Leipziger Buchmesse und neuen Werken von Anne Philippi, Norbert Scheuer, Philipp Felsch, Andreas R. Peternell & Evelyn Peternel, Leif Randt, Bruno MacDonald, Antonia Baum, Marc Degens und Oskar Roehler.
// Passend zur Leipziger Buchmesse erscheinen auch in diesem Jahr mal wieder ein paar sehr interessante Veröffentlichungen, die in der Masse der Neuerscheinungen unterzugehen drohen. „Giraffen“ von Anne Philippi aus dem Hause „Rogner & Bernhard“ ist so ein Glücksfall, den man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Die Geschichte selbst dreht sich um eine junge Frau namens Eva, die sich an den schönen Seiten des Lebens erfreut. Unter dem Einfluss von Alkohol durchfeiert sie ihre Nächte und genießt die exzessiven Seiten des menschlichen Daseins. Als sich allerdings die ersten Spuren des Rausches bemerkbar machen, ignoriert sie die Signale ihres Körpers und leben einfach weiter in den Tag hinein. Vitaminspritzen und MDMA werden schon dafür sorgen, dass die Sache mit dem Koksen nicht ganz so schlimm endet. So denkt zumindest Eva und landet schließlich bei einer Gruppe von Mädchen, die sich „Giraffen“ nennen. Selbige lassen sich von Männern finanzieren und eine gewisse Sasha verrät Eva alles, was es über das Leben als Giraffe zu wissen gibt. Dabei allerdings stellt die Protagonistin fest, dass sie wohl doch nicht die richtige für diese Art von Leben ist. Ob sie allerdings den Absprung schafft und was das Ganze mit Henry zu tun hat, der die gleichen Vorlieben, wie Eva teilt? Du solltest unbedingt mal einen Blick in dieses berauschende Werk werfen. Es wird dich aufgrund seiner mitreißenden Sprache nahezu atemlos zurücklassen.
// Für den Preis der Buchmesse nominiert sind in diesem Jahr zudem zwei Werke des Verlags C.H. Beck, die wir euch heute ebenfalls sehr innig ans Herz legen möchten. „Die Sprache der Vögel“ von dem Systemprogrammierer Norbert Scheuer dreht sich um einen Mann namens Pauls Arimond, der im Jahr 2003 als Sanitäter der Bundeswehr nach Afghanistan fährt. Wie schon sein Vorfahr Ambrosius ist er fasziniert von der Welt der Vögel und genießt es selbige stundenlang und im Stillen zu beobachten. So tut sich für ihn eine Art Parallelwelt auf, die im Gegensatz zu der gefährlichen Lage in dem Land steht. Neben der spannenden Geschichte, die Paul zunehmend als unberechenbaren Zeitgenossen in Szene setzt, ist „Die Sprache der Vögel“ auch noch mit zahlreichen Illustrationen versehen, was das Lese-Vergnügen noch einmal zusätzlich steigert. Wenn du also auf Romane mit bildhafter Sprache stehst, dann bist du hier genau an der richtigen Adresse. Alle anderen kommen unter Umständen beim aktuellen Werk von Philipp Felsch auf ihre Kosten, welches ebenfalls für den Preis in Leipzig nominiert ist. Die Geschichte namens „Der lange Sommer der Theorie“ setzt sich sehr differenziert mit der „Geschichte einer Revolte“ auseinander und nimmt dabei den Zeitraum von 1960 bis 1990 genauer unter die Lupe. Der Historiker und Kulturwissenschaftler aus Berlin widmet sich dabei vor allem dem Begriff der Theorie, welcher damals noch jede Menge Hoffnung auf eine bessere Welt zu versprechen schien. So werden nicht nur zahlreiche Utopien und Hoffnungen der einzelnen Generationen durchdekliniert, man widmet sich auch intensiv den Kadern der Studentenbewegung und den Protagonisten des Kunst- und Kulturbereichs. Dabei wird vor allem deutlich, dass damals scheinbar eine wesentlich tiefschürfendere Auseinandersetzung mit den einzelnen Theorien stattfand, wie sie heutzutage zumindest in diesen Bereichen kaum mehr möglich erscheint. Trotz allem lohnt sich ein Blick in dieses spannende Werk, das ebenfalls mit zwanzige Abbildung aufzuwarten weiß.
// Wer sich gerne mit dem Thema Popmusik beschäftig, der ist beim aktuellen Werk von Andreas R. Peternell & Evelyn Peternel an der richtigen Adresse. In „Who The Fuck Is Alice?“ geben die beiden „101 Antworten auf die drängendsten Fragen der Popmusik“ und sehen sich dabei mit einem schier unerschöpflichen Fundus an Möglichkeiten konfrontiert, wie man sich eben diesem Thema widmen könnte. Die beiden Autoren, die in keinerlei verwandtschaftlichem Verhältnis zueinander stehen, verfügen in diesem Zusammenhang nicht nur über eine Menge Fachwissen, sie öffnen einem auch in zahlreicher Hinsicht die Augen, wenn es darum geht die Texte von den Violent Femmes, Falco und den Arctic Monkeys auf ihre Bedeutung abzuklopfen. Wenn du also schon immer mal wissen wolltest, was es bedeutet, wenn die Smiths die Frage „How Soon Is Now“ in den Raum werfen und das gerne anhand von Peter Lichts Sonnendeck belegt bekommen möchtest, dann bist du hier genau an der richtigen Adresse. Dieses Werk ist ein wahrer Schatz für jeden Musikfan und so widmen wir uns im Folgenden natürlich auch noch so spannenden Thematiken wie „Who Let The Dogs Out?“ und „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“. Wobei diese Sammlung von Texten natürlich auch immer wieder zum Nochmal-nachhören der zahlreichen Songs anregt. Ein schlicht bezauberndes Buch.
// Leif Randt hat uns ja bereits in seinem ersten Werk in eine watteweiche Welt gepackt, die scheinbar alle Emotionen auf Stand-By-Modus schubst. Nun legt er mit „Planet Magnon“ seinen neuen Roman vor und konfrontiert uns mit einer astreinen Endzeit-Szenerie. Er katapultiert uns dazu in ein fremdes Sonnensystem irgendwo da draußen im Universum, das aus sechs Planeten und zwei Monden besteht, die allesamt einer Computervernunft unterworfen sind. Selbige errechnet für alle immer die bestmögliche Entscheidung und sorgt anschließend auch dafür, dass diese sich dann auch tatsächlich in der Realität abbildet. Die Menschen üben sich in diesem Zusammenhang nicht nur stetig in Selbstkontrolle, sie haben sich auch zu Gemeinschaften zusammengeschlossen, die allesamt versuchen den jeweils bestmöglichen Lebensstil für sich zu generieren. Marten Eliot und Emma Glendale vom so genannten Dolfin-Kollektiv sind gerade dabei, sich auf anderen Planeten nach neuen Mitstreitern umzusehen, da taucht plötzlich ein Störfaktor auf der Bildfläche auf. Das Kollektiv der gebrochenen Herzen wagen den Umsturz und so gestaltet sich Martens und Emmas Mission als wesentlich gefährlicher als gedacht. Können sie das neue Kollektiv stoppen? Leif Randt gelingt es in seinem Werk sehr subtil auf die Gefahren einer rundum durchstrukturierten Gesellschaft hinzuweisen, die kaum mehr Raum für die Gefühle des Individuums bereit hält. Es lohnt sich also auch diesmal wieder reinzuschnuppern.
// So einen fiesen Buch-Titel muss man sich auch erst einmal einfallen lassen: „Die besten Alben, die sie nie besitzen werden“ (ISBN: 978-3283012472 / Preis: 29,99 €) ist mit Sicherheit das gemeinste Buch, das ich seit langem gelesen habe und regt doch ganz zwangsläufig dazu an, sich mal intensiv die Frage zu stellen, ob in Zeiten der mannigfaltigen und dauerhaften Verfügbarkeit aller musikalischer Eskapaden jedweder Band nicht doch die am Interessantesten sind, die eben nicht so leicht zu bekommen sind. Bruno MacDonald widmet sich unter eben diesem Gesichtspunkt nie erschienen Alben von Sex Pistols, Pink Floyd und den Rolling Stones und weiß mit allerhand Hintergrundinformationen zu den zahlreichen Künstlern zu begeistern. Es gibt jedenfalls kaum ein Album das man im Anschluss nicht sofort zu googeln versucht, um nicht vielleicht doch den einen oder anderen Song auf YouTube zu finden. In chronologischer Reihenfolge klappert der Herausgeber dabei die komplette Pop-Welt von den Kinks über Weezer bis hin zu den Foo Fighters auf nicht erschienen Alben ab und regt dazu an, sich intensiv mit dem dahinter stehenden Künstler zu beschäftigen. Wenn wir also mal ganz ehrlich zu uns sind? Ist es nicht gerade der Reiz des Unbekannten, der Pop so wunderbar und übermächtig wirken lässt. Wir jedenfalls sind bezaubert von diesem Buch und sind auch nach dem Auslesen noch sehr intensiv am nachrecherchieren. Also unbedingt mal reinlesen. Es lohnt sich.
// Das gibt’s auch nicht so oft, dass ein Buchtitel kaum auf den Umschlag passt. Der Literaturwissenschaftlerin Antonia Baum ist es mit „Ich wuchs auf einen Schrottplatz auf, wo ich lernte, mich von Radkappen und Stoßstangen zu ernähren“ und neben dem Titel ist auch der Roman ganz hervorragend geworden. Die Geschichte selbst dreht sich um Johnny, Clint und Romy, die zwar bei ihrem Vater groß werden, der allerdings hat mit den gängigen Gesetzen und gesellschaftlichen Konventionen nicht wirklich viel am Hut. Da er selbst gleichzeitig als Arzt, Künstler und Autoverkäufer am Start ist, bleibt im zugegeben sowieso nicht allzu viel Zeit für die Erziehung seiner Kids und so beschließen die Drei das Leben einfach mal selbst in die Hand zu nehmen. Wie schon beim gelungenen Erstling „Vollkommen leblos, bestenfalls tot“ beeindruckt einen Antonia Baum mit ihrer Sprachgewalt und reißt einen schon nach wenigen Seiten in einen regelrechten Sog der Emotionen. Wenn du also auf schlagfertige Dialoge und eine spannende Geschichten aus dem nicht-ganz-so-alltäglichen Leben stehst, dann schnupper mal rein. Es lohnt sich
// Einen solch charmanten Roman über eine Schülerband haben wir auch schon lange nicht mehr in den Händen gehalten. Die Rede ist natürlich von Marc Degens neuestem Wurf „Fuckin Sushi“, deren Titel sich auf den gleichnamigen Bandnamens einer Bonner Schüler-Combo bezieht. Mit deutschen Texten und jeder Menge Enthusiasmus wagen sich die Kids nicht nur daran, die eine oder andere Fußgängerzone zu „verzücken“, sie treten auch schon mal auf einem Sommerfest für Angehörige der Bundeswehr auf. Als dann eines Tages einer ihrer Clips den Weg ins Netz findet, steht dem großen Erfolg plötzlich nichts mehr im Weg. Ihr Video wird zum Hit auf „YouTube“, doch schon bald verstärken sich die Spannungen innerhalb des Bandgefüges. Als dann auch noch die Oma der Hauptfigur stirbt, scheint die Situation kaum mehr zu retten zu sein und alle Beteiligten müssen sich die bange Frage stellen. Soll es das jetzt schon gewesen sein mit dem, was man Jugend nennt. „Fuckin Sushi“ ist ein herrlich komischer, bisweilen anrührender Coming Of Age-Roman, den sich alle jungen (aber auch junggebliebenen) unbedingt mal zu Gemüte führen sollten. Er lohnt sich. Und eine Playlist und ein exklusives Interview gibt’s auch noch als kleinen Bonus oben drauf.
// Unter dem effektvollen Titel „Mein Leben als Affenarsch“ erscheint zu guter Letzt auch noch ein Werk von Oskar Roehler, das man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte. Die Geschichte selbst spielt in den 80er Jahren und widmet sich ganz dem Treiben im damaligen West-Berlin. Irgendwo zwischen Ruinen, die kurzerhand zu Clubs umfunktioniert werden, Altnazis und den grauen Hinterhöfen der Stadt treffen wir auf Robert. Der ist nicht nur wütend. Der ist rasend und er lässt all das in einem nicht enden wollenden Monolog auf den Leser einprasseln. Dass das ganze dabei doch so gnadenlos komisch anmutet liegt auch an der direkten Ansprache durch den Protagonisten und man kann sich dem Reiz dieses Werkes schon nach wenigen Seiten nicht mehr entziehen. Wenn du also mal wieder ein Werk lesen möchtest, das sich auf herrlich unmittelbare Weise aufrüttelt, dann gibt diesem Roman über den Berliner Untergrund mal eine Chance. Es lohnt sich. Und damit Schluss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.
UND WAS NUN?