31 Knots (klickt auf den Interpreten und ihr gelangt zum Reinhören sofort auf dessen Myspace Seite) lassen einem nicht viel Luft zum Atmen. Direkt nach dem Betätigen der Play-Taste und einem Inferno aus Handclaps und Gesang wütet ein Sturm. Gitarrenwände bauen sich vor einem auf, preschen nach vorne und man meint hier gleich von einem flammenden Instrumental-Inferno der Marke Maserati mitgerissen zu werden. Dann aber ebben sie plötzlich wieder ab, lassen dem sagenhaften Schrei—Stakkato-Gesang mehr Raum zur Entfaltung und die Musik mündet in eine melancholische Piano-Passage. „Worried Well“ (7) klingt wie ein Zwitter aus rhythmus-betontem Rock der Marke Bloc Party und einem Vulkan, der sich kurz vor dem Ausbruch eine Gitarre in die Erdkruste steckt. So trabt die Platte dann durch ihre entfesselten Songs, als wolle sie nur deshalb poppige Akzente setzen, um sie anschließend wieder mit voller Wucht zu zerfetzen. Diese Scheibe fordert einen geradezu heraus mit diesem Zick-Zack-Kurs. Und es macht einen Höllenspaß, sich immer wieder aufs Neue von ihr überrollen zu lassen. Etwas weniger dynamisch kommt da das vorwärts driftende Album des schweizerischen Rockgauls Baby Genius (5) um die Ecke. Schon beim ersten Song des Albums kann man sich nur schwer der hitverdächtigen Magie seiner Stücke entziehen. Nicht umsonst bezeichnen ihn manche schon als „Pete Doherty der Schweiz“. Soweit würde ich dann allerdings doch nicht gehen. Zugegeben: Die Songs von Baby Genius sind atemlos und berauschend. Trotzdem geht ihnen die Libertineske Spontaneität fast völlig ab. Stattdessen wird alles in ein glatt produziertes Soundkorsett gesteckt und ordentlich aufgepimpt. Am Ende liegt deshalb auch eher der Vergleich nahe, dass man hier eine durchaus passable Alternative zu den schwächelnden Kaiser Chiefs vor sich hat, die schon aufgrund ihres unglaublich hohen Mitgröhlfaktors runter läuft, wie Regenrinnen. Bleibt nur zu hoffen, dass sich dieses Hochgefühl nicht allzu schnell wieder einstellt. Dann könnte aus Baby Genius nämlich durchaus noch ein international erfolgreicher Indierock-Act werden. Stellt sich nur die Frage, ob er das eigentlich will? Und ob die Welt nicht schon zu übersättigt ist mit musikalischen Entwürfen dieser Gangart. Also abwarten… und solange mit Mint in hypnotischen Zuständen schwelgen. Schon der Opener „Brand New Toy“ ihres Albums „Hinterland“ (6) wirkt wie ein nicht enden wollender Segelflug durch die Einöde hiesiger Landschaften. Nur, dass einem dabei irgendwie nicht langweilig wird. Jedenfalls erinnert einen die Musik mit all ihrer melodieseligen Hingabe immer wieder an flackernde Glanzlichter, wie sie die Würzburger Jungs von Miles und Electric Club in den 90ern reihenweise raus gehauen haben. Und wenn dann bei „Giving Blood To Machines“ auch noch das Gaspedal durchgetreten wird, ist man endgültig verliebt. Da können all die Rezensenten noch so oft anmerken, dass man diese Band ja schon aus Prinzip scheiße finden muss. Schließlich haben sie ihre Musik erst neulich für einen großen Werbespot hergegeben. Ich find sie trotzdem gut. Mit Ausnahme der einen spärlich instrumentierten, elektro-flankierten Ballade in der Mitte. Und dem etwas nachlassendem Euphoriepegel gegen Ende. Wobei? Das alles hat irgendwie auch seine Berechtigung. Weil es die vielen, gelungenen Songs um sich herum nur noch viel heller scheinen lässt. Und die kleinen Fehler natürlich auch Langlebigkeit garantieren. Also lehnt euch mal zurück und zieht euch diese Scheibe rein. Es lohnt sich… Womit wir uns dann mal den schweißtreibenden Sphären zuwenden. Jedenfalls rockt das neue Album von The Bug gleich zu Beginn dermaßen nach vorne, dass der Horizont nur noch einen Katzensprung entfernt ist. Befreit von allen Zwängen haut uns der Künstler auf „London Zoo“ (6) ein treibendes Ragga-Tune um die Ohren, dass ganze Viehherden wie wild im Kreis springen. Bei diesen Tracks kann man fast schon nach den Basswellen greifen, bevor sie einen unter sich begraben. Diese Musik will einen physisch angreifen. Vor den Kopf stoßen. Aufwecken. Bis plötzlich jede einzelne Vene in deinem Körper pulsiert, dein Herz wie wild zu pochen anfängt und alles um dich herum in diesen Strudel an BombBassTracks saugt. Wenn ihr also zum letzten Mal bei Seeed das Bedürfnis hattet, eure komplette Inneneinrichtung aus dem zehnten Stock ins Erdgeschoss zu befördern, dann werdet ihr zu diesem Album eine Abrissbirne erklimmen und gleich das ganze Haus platt machen. So unmittelbar hat schon lange keine Platte mehr geklungen. Also checkts mal aus. This Moment Is The Bug. Und sonst nichts. Runterkommen kann man danach immer noch. Am besten mit Emirsian. Dem hätte man aufgrund seiner Tätigkeit bei den verehrten Harmful gar nicht zugetraut, dass er sich auf seinem Soloalbum in solch melodische Sphären verliert. Die verdrehte Rhythmik des Openers nimmt einen dabei sofort in Beschlag und ruft schöne Erinnerungen an die vertonten Wahnsinnigkeiten von Radiohead wach. Insgesamt ist „Yelq!“ (6) aber trotz seiner vereinzelt ruppigen Ausflüge ins Kiesbett vor allem Pop. Und zwar einer von der Sorte, der sich erst nach dem zehnten Durchlauf als solcher entpuppt. Diese Platte ist mehr das Zusammenfinden zweier Menschen, die sich schon ewig kennen, als die Liebe auf den ersten Blick. Und genau deshalb wird die Zeit auch auf der Seite dieser Musik stehen. Weil sich am Ende alles zusammenfügt, wie Legosteine. Und dabei so zauberhafte Balladen, wie „Catalogue Of Dears“ und „Radio On“ herauskommen, die sich zu schade sind, ihre Knospen für jeden flüchtigen Blick zu offenbaren. Die Cold War Kids sind da schon ein wenig zutraulicher. Entsprechend ihres Plattentitels „Loyalty To Loyalty“ (5) bleiben sie ihrem Sound auch auf dem Zweitwerk treu. Da wird vorwiegend midtempo gerockt, zwischenzeitlich auch mal ordentlich gejammt und am Schluss stinkt alles, als käme gerade eine geöffnete Whiskey-Flasche durchs Fenster geflogen. Manchmal verheddern sich die Jungs dabei allerdings auch ein bisschen. Dann driften ihre Songs dermaßen ins Abseits, dass man sich nicht mehr ganz sicher ist, ob das jetzt noch Emotion oder schon Ambition ist. Zumindest entgehen sie damit aber der Gefahr, wie zuletzt Kings Of Leon, in allzu gemächliche Radioregionen vorzudringen. „Loyalty To Loyalty“ ist ein Werk, dem man anmerkt, dass es live gespielt werden muss. Diese Musik will raus aus dem Plattenspieler und rein in die verrauchte Spelunke an der nächsten Straßenecke. Dort nämlich wird sie alles und jeden einlullen… wie die Silhouette des im Raum stehenden Zigarettenqualms. Wer es gerne etwas brachialer mag, der sollte sich derweil mal die Star Fucking Hipsters reinziehen. Die führen einen erstmal gehörig aufs Glatteis und basteln als Opener ein Grime-afines Elektro-Geballer zusammen. Anschließend darf dann allerdings ordentlich rotzgerockt werden. Motörhead hätten den Titeltrack nicht besser hinbekommen. Und überhaupt. Die Energie wirkt hier nicht aufgesetzt. Man riecht regelrecht die Schweißränder, die die Jungs bei den Liveshows auf ihren Shirts hinterlassen. Damit aber noch nicht genug. Gleich darauf gibt’s eine Runde temporeichen Melody Core der besseren Sorte. Und wenn dann in „Two Cups Of Tea“ und „Empty Lives“ auch noch Midtempo gerockt wird, stellt man sich unweigerlich die Frage, ob sich hier nicht jemand einen Spaß daraus macht, einfach mal alle Genres durchzudeklinieren und dabei einen Hit nach dem anderen zu fabrizieren. Soll heißen: Star Fucking Hipsters lassen auf „Until We´re Dead“ (6) einfach mal ordentlich die Sau raus. Und haben sichtlich Spaß dabei. Anschließend werden dann auch noch Ska („Snitch To The Suture“), Rock („Only Sleep“) und Metal („The Path Is Paved“) mit rein gezogen und ein hübschen Pop Punkerchen mit Blink 182 Gedächtnisriff abgefeuert. Alles in allem ein begeisterndes Album. Und damit Schluss für heute. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
// von Alexander Nickel-Hopfengart
UND WAS NUN?