Wenn selbst Slipknot dazu neigen, Balladen rauszuhauen, dann muss man sich eben anderorts Ersatz suchen. Harte Klänge haben ja schließlich Konjunktur. Aber gehobener musikalischer Anspruch – der ist leider oft Mangelware. Da muss man schon ordentlich graben, um einen echten Schatz auszuheben. Dementsprechend könnte man Underoath (klickt auf den Interpreten und ihr gelangt zum Reinhören sofort auf dessen Myspace Seite) eigentlich zu ihrem neuen Werk beglückwünschen. Das umschifft über weite Strecken die vorherrschenden Metalcore-Klischees und baut ordentlich Druck auf. Lässt aber dennoch genügend Raum für Melodie und Spannungsbögen. Kurz gesagt: Die Zeit für die Jungs scheint gekommen, sich endlich an der Spitze der harten Community festzusetzen. Und ich würde „Lost In The Sound Of Separation“ (6) jetzt auch wahnsinnig gerne abfeiern, würde da nicht immer dieser christliche Unterton in den Songs mitschwingen. Die gläubige Haltung der Band zieht sich nämlich inhaltlich durch die komplette Scheibe. Und was soll ich sagen? Die ganze Predigt wirkt am Ende ziemlich penetrant und abschreckend. Soll heißen: etwas mehr Understatement dürfte das nächste Mal sicher nicht schaden. Ansonsten bitte weiter so. Musikalisch ist dieses Brett nämlich kaum zu überbieten. Womit wir dann auch gleich zum nächsten Höhepunkt hinüber schlendern. The Dandy Warhols sind zurück. Und wie sie zurück sind. „Earth To The Dandy Warhols“ (7) wirkt nach dem ausuferndem Vorgänger wie ein Befreiungsschlag für die hervorragende Liveband. Hier wird höchstens noch am Rande angedeutet, dass sie vor einiger Zeit mal einen Monsterhit, wie „Bohemian Like You“ rausgehauen haben. Stattdessen verlieren sie sich in verzerrten Welten, improvisierten Klängen und sagenhaften Arschtretern, wie „Mission Control“. Man darf diese Platte durchaus als Absage an diejenigen verstehen, die in ihnen nur den nächsten heißen Gaul gesehen haben, den die Industrie fröhlich ausschlachten konnte. Alle trendbewussten Hipsters sollten sich schon mal reichlich Watte ins Ohr stopfen. Denn was hier anrollt ist der ungezügelte Drang einer Band sich endlich von jeglichen Konventionen und Zuschreibungen zu lösen. Rockalben wie diese, die ohne jedes Kalkül an allen gängigen Trends vorbei segeln, ohne ihrer Umgebung auch nur einen Hauch von Aufmerksamkeit zu schenken, muss man einfach für ihre Kompromisslosigkeit abfeiern, bis der Putz von den Wänden blättert. „Earth To Dandy Warhols“! Keine Frage. Was uns dann geradewegs zu Mogwai bringt. Die läuten ihr neuestes Werk „The Hawk Is Howling“ (7) mit einem epischen Klavier-Intro und dem Songtitel „I´m Jim Morrison, I´m Dead“ ein. Die Platteninfo weißt zudem fröhlich darauf hin, dass es eigentlich Schwachsinn ist, dem geschriebenen Wort auch nur das geringste Maß an Aufmerksamkeit zu schenken. Es wäre ja eh kein Wort auf dem Werk zu hören. Stattdessen soll die Musik lieber Bilder im Kopf erzeugen. Dazu braucht man keine Stimme. Die würde eh nur von der Schönheit dieser instrumentalen Wucht ablenken. Am Ende fühlt man sich wie berauscht. Diese Scheibe ist ein melodieverliebtes Wesen, das einen in einer einsamen Nacht beim Schlendern durch einsame Seitenstraßen mit schimmernden Straßenlaternen begleitet. Scheiße nur, dass ich mir jetzt einen fucking Disc-Man kaufen muss, weil die Cd vollkommen watermarked ist und ich sie deshalb nicht mal auf meinen iPod ziehen darf. Aber was solls. Wert ist sie das allemal. Was ich vom neuen Album von Filter wirklich auch gerne behaupten würde. Schließlich begleiten mich Richard Patricks Klänge schon seit einer gefühlten Ewigkeit. Und so verfalle ich auch erst mal in nostalgische Stimmung, als der Opener „Soldiers Of Misfortune“ aus den Boxen dröhnt. Genauso hatte ich mir das vorgestellt. Die breite Produktion, diese verdammt grandiose Stimmgewalt des Protagonisten, die traumhaften Refrains, diese industrielle Stimmung. Alles stimmt auf „Anthems For The Damned“ (5). Nur leider scheint dem Segel, dass diese Scheibe antreibt auf halber Strecke die Luft auszugehen. Anders ist es nicht zu erklären, dass man in Hälfte zwei immer wieder zur Skip-Taste greifen muss, weil die Songs allzu oft ins Nichts laufen. Dazu ist das Ganze inhaltlich noch dermaßen konservativ gefärbt, dass ich am Ende fast schon empört die Segel streiche. Ich und Filter werden wohl keine Freunde mehr. Die Zeit heilt eben doch alle Wunder. Kommen wir deshalb zu weitaus erfreulicheren Neuigkeiten. Die Parenthetical Girls haben nämlich mit „Entanglements“ (7) ein verzwicktes Pop-Werk am Start, das sich problemlos mit dem kompletten Output der Dresden Dolls messen kann. Klingt fast ein bisschen, als wollte die Band sich um ein persönliches Orchester bewerben. So verquer und spannend klang jedenfalls seit langem keine orchestral anmutende Veröffentlichung mehr. Das Album spaziert auf dem schmalen Grad zwischen Musical-Momenten und beschwingter Romantic, Movie Atmosphäre vergangener Tage. Das Piano stolziert voran, wie der Rattenfänger von Hameln. Die Band folgt ihm auf Schritt und Tritt. 32 Minuten lang. Dann ist der Spuck plötzlich vorbei. Und man fühlt sich so dermaßen durchgeschüttelt wie nach einer Fahrt mit der Achterbahn. Doch zum Nachdenken bleibt keine Zeit, die nächste Runde ist schon eingeläutet. Schließlich ist die Start-Taste nur einen Knopfdruck entfernt. So als wollten diese Sounds einem einreden, dass der Rausch nie zu Ende geht. Geht er dann auch nicht, bewegt sich aber wieder in geregeltere Bahnen. The Draytones haben nämlich ihr Debütalbum „Up In My Head“ (6) an den Start gebracht. Und sorgen damit für ein angenehmes Schmunzeln bei all den Indie-Headz, die immer noch nicht genug vom Sound der Kooks und Courteeners haben. Dabei glänzt die Platte durch ihren lockeren Vibe und die manchmal rotzig dargebotenen Gesangslinien. Kurz gesagt: Eigentlich will man diese Mucke ja schon aus Prinzip scheiße finden, weil es schon so viel Ähnliches gibt. Und trotzdem packt sie einen in diesem Fall wieder aufs Neue. Weil sie immer dann, wenn man meint, sie würde sich im konventionellen Einheitsbrei niederlassen, wieder aufspringt, einem auf dem Kopf herumtanzt und die Haarfrisur durcheinander wirbelt. Kurz gesagt: „Up In My Head“ braucht man nicht zwangsläufig, es sorgt aber trotzdem für eine gehörige Portion Spaß zwischendurch. Im direkten Vergleich dazu muss man allerdings The Faint leider unterstellen, dass sie sich auf ihrem neuen Album „Fasciinatiion“ (5) leider zwischenzeitlich auf ihren Lorbeeren ausruhen. Die ersten beiden Tracks „Get Seduced“ und „The Geeks Were Right“ überscheinen zwar beinahe den kompletten Backkatalog mit links, aber dann geht’s bergab. „Machine In The Ghost“ nervt mit einer sagenhaft schlimmen Endlos-Synthie-Schleife samt Kindergartenrefrain. Fortwährend vermisst man zudem die mitreißenden Hooklines vergangener Tage, die ihre Songs über die restliche Synthie-Welt emporgehoben haben. Stattdessen wird halbgares effektvoll aufgeblasen oder einfach nur ungestüm herum experimentiert. Und am Ende ist man sich irgendwie sicher, dass das alles noch viel bunter hätte scheinen können. Vor allem, wenn dann wieder „Get Seduced“ und „The Geeks Were Right“ erklingen. Und aus einer herbstlichen Einöde eine Tanzfläche zimmern. Das nächste Mal wird alles besser. Was man von Falco natürlich nicht mehr behaupten kann. Veröffentlicht wird trotzdem fleißig weiter. Tote lassen sich eben perfekt vermarkten. Also hat man nun seinen gefeierten Liveauftritt vor 100.000 neu aufgelegt. „Donauinsel Live“ (6) zeigt dabei einen begnadeten Künstler in Bestform. Passend zum 25. Geburtstag des Wiener Donauinselfestivals und 15jährigem Jubiläum des Auftritts bietet einem die Cd und vor allem die DVD einen gelungenen Einblick in die Welt des Künstlers. Die Atmosphäre überträgt sich auf der Stelle auf den Zuhörer/Zuschauer. Die Qualität der Aufnahme ist bestechend. Und wenn man nicht immer grundsätzlich über den Sinn/Unsinn einer Live-Veröffentlichung diskutieren könnte, kann man die Herausgeber in diesem Fall nur zu ihrem Gesamtpaket beglückwünschen. Womit wir uns dann am Ende noch mal kurz in England umschauen. Besser gesagt bei dem oftmals unterschätztem Genre UK HipHop. Da treibt schon seit den 90ern Blak Twang fröhlich sein Unwesen ohne hierzulande großen Aufsehen zu erregen. Auf seinem neuesten Streich namens „Speaking From Experience“ (6) werden dann auch erst mal keine Gefangenen gemacht. Stattdessen scheppern die Beats bedrohlich nach vorn und geben dem Künstler in den 24 Tracks ausgiebig Gelegenheit sich gekonnt in Szene zu setzen. Für die Charts dürfte es dabei wohl eine Spur zu industrial-mäßig abgehen. Seine Fans aber werden ihm mal wieder tiefsten Respekt aussprechen. Hat er ja auch verdient, für dieses Monster von Rapalbum. Und damit Schluss für heute. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
// von Alexander Nickel-Hopfengart
UND WAS NUN?