Ein fescher Entenbraten
Das ist bisher passiert: Die Studentin Vera hat mit ihrem Freund, dem Polizisten Tom, auf dem Boot ihren Geburtstag gefeiert. Auf der Heimfahrt entdeckt Tom einen Fahrraddieb. Er verfolgt den Dieb, wird aber leider von diesem überlistet und in einem Kellerverließ eingebunkert. Wegen akuter Hochwassergefahr wird das Mainviertel evakuiert, nur Tom bleibt im Keller zurück. Seine einzige Hoffnung, dass er doch noch gefunden wird, ist eine Stockente, der er sein Cappy aufgesetzt hat.
Munter paddelte die doofe Stockente durch das Kellerfenster hinaus, Toms „Würzburg macht Spaß“-Cappy auf dem Entenschädel. Sie schwamm geradewegs dem Schnabel nach. Irgendwann würde sie schon in Dänemark ankommen, dachte sie sich. Gegen den reißenden Main zu schwimmen, hätte sowieso nicht viel Sinn gemacht. So schipperte die Stockente den Main hinab und auch am Boot vorbei. Dort tobte mal wieder eine krachende Party. Das Boot schaukelte heftig.
Auch Vera wackelte lustig in der Partymasse mit. Lustig war sie, da sie schon einige Tequillas und Wodka Tonics intus hatte. Durch den vielen Alkohol hatte sie vergessen, dass sie eigentlich verzweifelt nach ihrem Freund suchte. Ihr war auch entfallen, dass sie überhaupt mit Tom zusammen war und nicht mit diesem Milchbübchen, das wie elektrisiert zwischen ihren Brüsten auf und ab hüpfte. Dabei stieß er so hart gegen ihr Kinn, dass Vera der Schädel dröhnte und sie das Milchbübchen von sich stieß. Sie torkelte in Richtung frischer Luft. Das Bübchen fiel in ein weiteres Milchbübchen hinein und dies nahm ein weiteres mit. Kurz und gut, gemäß dem Dominoeffekt kamen einige minderjährige Besucher ins Straucheln. Wütend schlug der eine gegen den anderen, bis eine wüste Massenschlägerei im vollen Gange war. Vera bekam davon nicht viel mit, sondern hing über der Reling und kotzte ins Wasser. Just in diesem romantischen Augenblick paddelte die Stockente vorbei. Vera hatte gerade die Augen offen und erholte sich von ihrer Kloschüsselfahrt. Die Ente guckte hoch zu Vera und fragte sich, ob sie schon in Kopenhagen angekommen sei. Vera sah das Cappy „Würzburg macht Spaß“ auf dem Entenkopf sitzen.
Das war Toms Cappy!, durchleuchtete es sie und plötzlich wusste sie auch, dass sie eigentlich Tom beglücken wollte und nicht das Milchbübchen. Oh, mein Gott! Dachte sie im Suff. Dort unten schwimmt mein Tom als Wasserleiche! Ich muss ihn retten. Und mit einem Platscher plumpste sie über die Reling ins Wasser. Die Stockente – die übrigens männlich war, ein sehr dummer Erpel, der Schilftuning zu seinem Hobby gemacht hatte – dachte nur: Wow, tolle Tussi und schwamm sofort auf Vera zu.
„Tom,“ kreischte sie. „Ich liebe dich!“ Vera grabschte nach der Stockente und paddelte ans Ufer. Erst dort bemerkte sie, dass das gar nicht Tom war, sondern eine doofe Ente.
„Tom ist tot,“ heulte sie. „Nie hätte er seine Cappy freiwillig abgesetzt.“ Dann schimpfte sie auf den Erpel ein, der aus Rumänien war und nur auf der Durchreise nach Dänemark und überhaupt nichts verstand. Er dachte nur: Wow, tolle Brüste!
„Wo ist Tom?“ brüllte Vera. Als sie merkte, dass das nichts half, wankte sie mit dem Erpel unter dem Arm in Richtung Polizeiwache. Vielleicht würde man dort etwas mit diesem doofen Vieh anfangen können.
„Ich will wissen, wo Tom ist.“ Vera setzte unsanft die Stockente auf Mircos Schreibtisch ab, ein Kollege und Freund von Tom.
„Vera, du trinkst zu viel,“ sagte er. „Es gibt da eine wirklich tolle Gruppe, mit denen du über deine Probleme reden kannst und Spaß macht es auch noch! Probier es mal!“
Doch Vera gab Mirco einen unsanften Knuff in die Seite und knurrte: „Die Ente trägt Toms Cappy! Mensch, Meier, guck die dir doch an!“
Mirco Meier runzelte die Stirn. Er schob die Ente in einen Scanner. Ein feiner Strahl tastete den Entenkörper ab. Das Ergebnis speiste er in seinen Rechner ein. Der glich es sofort mit der Tierdatei von Interpol ab.
„Diese Ente kommt aus Rumänien,“ sagte Mirco. „Die war an der Grenze auffällig. Hat eine Frau belästigt durch ordinäres Quaken.“
„Cool! Was nutzt uns das?“
„Ich weiß es nicht. Es wird wohl Sinn machen, das Bild der Ente ans Lokal-Fernsehen weiter zu geben mit einem Aufruf an die Bevölkerung. Wer diese Ente kennt, soll sich bei uns melden.“
Vera nickte und hoffte, dass das irgendetwas helfen würde. Sie machte sich wirklich Sorgen um Tom. Hoffentlich war er nicht einem Kannibalen in die Hände gefallen, der ihn gerade genüsslich verspeiste mit einem Tropfen Silvana oder noch besser herben Domina. Sie stieß bei diesem entsetzlichen Gedanken einen jaulenden Ton von sich.
Am Morgen flackerte das Bild der Ente im Fernsehapparat. Die Würzburger kappten ihre Frühstücks-eier und fragten sich, ob ihnen diese Ente wirklich nicht bekannt vorkam. Denn als Belohnung gab es die Ente gebacken. Dieses knusprige Versprechen wollte sich niemand entgehen lassen!
Auch die kleine Uta Hempel, die wegen ihrer scheußlichen Brille immer in der Schule geärgert wurde, sah das Bild der Ente. Während sie ihre Corn Flakes in sich schaufelte, sagte sie: „Fuck you!“ (das hatte sie in der Schule aufgegabelt. Was es genau bedeutete, war ihr nicht klar. Aber es klang sehr beeindruckend, fand Uta.) Der Vater gab ihr erzürnt eine Ohrfeige und danach sofort milder gestimmt einen Eisbeutel, als er hörte, dass seine Tochter die Ente im Mainviertel gesehen hatte.
So bekamen die Hempels den Entenbraten und die Polizei begann weiträumig das Mainviertel zu durchsuchen. Sie durchfilzten alles, was nicht niet- und nagelfest war. Bei dieser Ak-
tion entdeckten sie eine private Hanfzucht, befreiten eine Katze vom Dach und schickten zu einem verwahrlosten Alten die Wohlfahrtsmission, aber Tom entdeckten sie nicht.
Währenddessen stieg und stieg das Wasser in Toms Verließ.
Ich werde sterben, wenn nicht bald etwas passiert, dachte er sich und im gleichen Augenblick: Hey man, Alter, kein Fünf-Uhr-Morgens-Dienst mehr! Hey, man, Alter, Party! Ne, aber, wenn ich tot bin, kann ich an Veras Brüsten nicht mehr nuckeln.
Diese Erkenntnis schockte ihn so sehr, dass er den Apfel, der ihn bis jetzt geknebelt hatte, mit einem „Plopp“ aus seinem Mund beförderte. Das war auch höchste Eisenbahn, denn das Wasser stand ihm schon bis zum Hals. Mit einem in brünstigen „Caramba“ – Schrei riss er mit den Zähnen seine Verpackung auseinander und befreite sich so. Tom schwamm durchs Kellerfenster, wo hindurch Stunden zuvor die Ente abgehauen war. Er tauchte auf und wurde vom reißenden Main hinunter gespült. Erst beim Kulturspeicher gelang es ihm, ans Ufer zu krabbeln.
„Alles Scheiße,“ jammerte Tom verwirrt. Die Gefangenschaft hatte ihn geistig etwas zugerichtet. Trübe blickte er um sich, ohne zu wissen, was er tun sollte. Da kam ein Bus angesaust und Tom fiel nichts Besseres ein als einzusteigen. Das war keine so gute Idee. Erstens starrten ihn die Fahrgäste vorwurfsvoll an. Die paar Tage Geiselhaft hatten Tom extrem verwildern und obendrein altern lassen. Seine Nägel waren schrecklich lang, sein Haar zerzaust und ein langer Rauschebart wuchs von seinem Kinn. Zweitens walzte sofort ein Fahrkartenkontrolleur auf ihn zu, der mit der geschulten Nase eines langjährig erfahrenen Beamten sofort roch, dass Tom keinen Fahrschein hatte. Freude strahlend stellte er Tom einen Ordnungswidrigkeitsbescheid aus und wies ihn auch auf die Steuernummer hin, was wichtig für das Finanzamt sei. Tom tropfte traurig auf seinem Sitz.
„Was für ein Jammertal, das Leben,“ sinnierte er.
„Ne, ne, Genosse, life is great!“ Eine schwere Hand legte sich auf seine Schulter, die keinen Zweifel daran ließ, dass das Leben wirklich ´ne tolle Sause war.
„Was wollen denn Sie wissen?“
„Ik bin en Berliner, i äß Klopse, ik weß, wie des Leben is.“
„Was macht denn ein Berliner in Würzburg?“ fragte Tom erstaunt.
„Klopse-Entzug. Hast´e mal ´nen Euro?“
„Seh´ ich so aus?“ fragte Tom vorwurfsvoll und stieg am Hauptbahnhof aus. Der Berliner machte ihm etwas Angst. Sowieso fand er Berliner immer unerträglich gesprächig und das Du, das einem sofort angeboten wurde, regte ihn auch auf. Seitdem er volljährig war, pochte er darauf, mit Sie angesprochen zu werden. Frierend stand er am Hauptbahnhof.
Susi langweilte sich zu Tode – das Frittenfett wurde gerade neu erhitzt, die Hähnchen brutzelten auf der Stange -, als sie Tom sah. Eigentlich war es nur sein Allerwertester, der überzeugte sie aber sofort.
Knacks und Hamm! Dachte sie sich.
„Grillhendel, Süßer, Sechs fünfzig mit Fritten inklusive. Hast nicht Lust?“
Diesem Sirenengesang konnte Tom nicht widerstehen. Er drehte sich zu Susi und ihrer Frittenbude um. Susi wurde sofort ganz heiß und feucht ums Herz, als sie Tom sah, denn sie stand besonders auf verwahrloste Männer.
„Gerne, nur meine Kohle ist weg.“
„Och, des macht nichts. Für dich gibt`s umsonst.“
Verhungert zerfleischte Tom das Grillhendel mit den Zähnen. Das Grillfett spritzte links und rechts zur Seite. Als Susi sah, wie fertig Tom war, lud sie ihn zu sich in ihren Stand ein. Gerne kroch Tom zu Susi, weil es da so schön warm war. Zufrieden hockte er den restlichen Tag dort, fraß ein Grillhendel nach dem anderen und fühlte sich recht glücklich und zufrieden.
Um sechs Uhr machte Susi Feierabend und klappte ihren Stand zu. Den ganzen Tag über war ihr das Wasser bei Toms Anblick im Mund zusammen gelaufen. So einen feschen Knaben hatten sie lange nicht mehr unter die Finger bekommen. Da die Klappe nun runter war, sah man überhaupt nichts mehr in dem kleinen Anhänger. Dafür roch es sehr gut nach Fritten und Hendeln.
„Wer hat denn das Licht ausgemacht?“ fragte Tom etwas dämlich.
„Ich,“ hauchte Susi, „mein wunderbarer Hahn. Ich vollführe jetzt einen Sieben-Schleier-Tanz für dich.“
Der Wagen wackelte etwas und Tom flogen allerlei Kleidungsstücke um die Ohren. Er hörte ein animalisches Stöhnen und Grunzen, aber Susi sah er in der ägyptischen Finsternis nicht. Dann ging das Licht an und die ganztätowierte Susi stand breitbeinig über Tom.
Ach du grüne Neune, dachte er sich und ihm wurde ganz schummrig bei all den Schmetterlingen und Blumen, die auf Susis Hinterteil herum wuselten.
„Ich bin eine Spielwiese,“ seufzte Susi und ließ sich auf Tom hernieder. Und dann spielten sie rammelnde Karnickel. Kurz, bevor Tom über den Gipfel schritt, brüllte er, was er immer gleichzeitig mit Vera zu brüllen pflegte, wenn sie mit ihm über den Gipfel schritt: „Ich glaub, mich knutscht ein Elch.“
Susi hielt inne und erinnerte sich, was sie erst vor kurzem von diesem Mädchen gehört hatte, mit dem sie in der Propellerbar die Damentoilette unsicher gemacht hatte.
„Kennst du eine Vera?“ fragte sie Tom.
Und alles würde nun gut ausgehen, wenn Vera nicht gerade geknebelt in einem Kofferraum eines Audis TT läge, der Richtung Grenze donnerte, am Steuer ein matschiger Latinolover – doch davon in der nächsten Folge mehr…
// von joni masch
UND WAS NUN?