Es scheint The Shaky Hands etwas ermüdet zu haben, immer nur pfeifend durch die Parks der City zu rennen und die wärmenden Sonnenstrahlen aufzusaugen. Jedenfalls ist auf ihrem zweiten Album „Lunglight“ ein unumstößlicher Drang zu spüren, es hin und wieder auch mal so richtig krachen zu lassen. Die Blumenkränzchen im Haar werden abgefackelt von den elektronischen Gitarrenriffs. Und überhaupt. Die Hippies von gestern mausern sich auf dieser Platte zu den Arschtretern von morgen. Surfen sie beim beschwingten Opener „A New Parade“ noch auf einer Welle der Beach Boyschen Glückseeligkeit, machen sich die Jungs aus Portland mit zunehmender Lauflänge immer weiter daran, den Kinks ein gehörige Portion verfolkter Gitarren unterzujubeln. Am Ende klingt die Scheibe dann gerade noch retro genug, um die Herzen der Indie-Gemeinde im Sturm zu erobern. Als psychedelischer Bruder der Strokes wandeln die Shaky Hands fortan durch die Erdbeerfelder des Universums, um sich dadurch ein Stück vom großen Kuchen zu sichern. Mit ihrer kruden Mischung aus frühen R.E.M. und psychedelischen Träumereien a la Velvet Underground dürften sie zudem eines der langlebigsten Alben des vergangenen Jahres gezimmert haben. Und tragen damit ein weiteres Stück dazu bei, dass sich die Grenzen zwischen den Generationen endgültig auflösen. The Aliens schlagen hinterher in eine ähnliche Kerbe. Wobei schlagen eigentlich das falsche Wort ist. Sie schmiegen sich vielmehr ganz zärtlich an ihre Umgebung heran. „Luna“ klingt wie ein vertrackter Mix aus sonniger Popmusik, psychedelischen Rockmomenten und acid-beeinflussten Elektroschnipseln. In fast prog-rockiger Manier schichtet die Band einzelne Elemente übereinander und verliert sich dabei immer wieder in zehnminütigen Ausschweifungen, denen man durchaus therapeutische Wirkung unterstellen könnte. Trotzdem strahlen gerade die „schmissigeren“ Tracks, wie „Magic Man“ oder das surf-beeinflusste „Theremin“ eine mysteriöse Energie aus. Man neigt fast schon dazu, mal wieder die alten Pink Floyd-Scheiben aus dem Plattenschrank zu kramen. Gibt sich dann am Ende aber doch zufrieden mit dieser versierten Mischung aus Bowie-Anleihen und Beatles im klassischen „White Album“-Look. Alles in allem kann man zu dieser, sagen wir mal, „Rave“-Platte nämlich nur allzu gut in nostalgischen Erinnerungen zerrinnen, ein paar Sterne vom Himmel pflücken und Schneeflocken aus der Flugbahn reißen. Weniger berauscht, aber dennoch berauschend geht es weiter mit Tilly & The Wall. Der flotte Fünfer aus Omaha war ja schon immer eine Ausnahmeerscheinung im Popgeschäft. Ich meine: Welche Band kann schon mit fünf Songschreiber(inne)n aufwarten? Oder von sich behaupten, dass Conor Oberst allein wegen ihnen ein eigenes Label aus dem Boden stampft. „O“ jedenfalls gibt sich auf den ersten Blick etwas distanzierter, gar unterkühlter als die Vorgänger. Die Band macht es einem nicht einfach. Ob da jetzt led-zep-mäßig vor sich hingerifft wird, bis die Fingerkuppen rot anlaufen oder das psychedelische Einmaleins durchdekliniert wird. Die prägenden Stepptanz-Einlagen von früher vermisst man schon ein wenig, wenn sie sich so weit in den Hintergrund schrauben. Was die Songs dann manchmal auch etwas bemüht wirken lässt. So als wollte man sich beiläufig des eigenen Trademark-Sounds entledigen, der aber nun mal zu einem gehört, wie das Brot zur Backstube. Trotzdem klingt in den Songs immer noch der euphorische, bandeigene Moment mit, wenn sie mit Rasseln, Trompeten und Glockenspielen auf die Menschheit losgehen. Dass sie sich dabei zeitweise verheddern… geschenkt! Denn spätestens beim nächsten Album wird eh wieder alles super. So lange muss man bei Belle & Sebastian gar nicht mehr warten. Die rekapitulieren lieber ihre süßesten Momente in klebrig verpoppten „BBC Sessions“. Wenn man da plötzlich ein Wiedersehen mit so zeitlosen Klassikern, wie „Like Dylan In The Movies“ feiert, fühlt man sich auf der Stelle zurück versetzt ins elterliche Kinderzimmer. Damals, als noch die ganze Wand voll klebte mit Postern und Krims Krams, der sich eben so ansammelte, wenn das Leben um einen herum pulsiert. Und man merkt, dass das eigentlich gar nicht so lange her ist, dass man sich zum ersten Mal zu diesen Songs mit der besten Freundin unter der Decke versteckte und von einer besseren Welt träumte. Belle & Sebastian sind eben die perfekte Band um die Welt um sich herum auszuknipsen. Und weil sich die Aufnahmen auch noch auf die Anfangsphase von 1996 bis 2001 beziehen, können sich hier alle Neuankömmlinge noch mal einen schicken Überblick über die Frühphase dieser hierzulande leider allzu lang ignorierten, nahezu perfekten Indie-Pop-Kapelle verschaffen. Auf Scheibe zwei (die mir leider nicht vorliegt) gibt’s dazu noch einige Coverversionen von Lou Reed, Thin Lizzy & George Harrison sowie zahlreiche Livemitschnitte. „The BBC Sessions“ sind also das perfekte Rundum-glücklich-Paket für alle Fans verklebter Indie-Pop-Schmusehits mit Tiefgang. Der Soundtrack für die beste Pyjama-Party, die ihr jemals (nicht) gefeiert habt. Der Weichzeichner für all die schönen Jugenderinnerungen, die euch in nostalgischen Zeiten immer wieder einholen. Und neben all den lieblos dahin gerotzten Best Of Compilations das vielleicht strahlendste Weihnachtsgeschenk, das in diesem Jahr im Geschenkkorb liegen könnte. Bei Gang Gang Dances aktuellen Album „Saint Dymphna“ fragt man sich vor lauter Klirren und Scheppern derweil, wann man eigentlich das letzte Mal eine Scheibe der Einstürzenden Neubauten aus dem Schrank gezogen hat. Ein sehnsuchtsvoller Schrei, besser gesagt ein intensives Stöhnen läutet dann einen gut gewürzten Eintopf aus leckeren Indie-Häppchen ein. Irgendwo zwischen You Say Party! We Say Die! und den herzallerliebsten Jungs und Mädels von The Go-Team schrauben die Riots hier an Tracks, die sich des Öfteren als schmissige Hits entpuppen. Dazu muss man sich allerdings erstmal reichlich durch das Gewirr an verschiedenen Zutaten bohren, bevor sich schließlich die gut versteckten Melodien in den Vordergrund schälen. Diese Mucke ist vielleicht noch am ehesten vergleichbar mit dem kruden, alten Zeug von den wunderbaren M83. Die psychedelischen Einschübe wirken dabei zwar manchmal etwas Fehl am Platz, stören das positive Gesamtbild dieses Sammelbeckens an Ideen aber nicht sonderlich. Alles in allem dürfte sich der Charme dieser Band am Ende vor allem live erschließen. Da wurden sie schon von so Manchem als das perfektre Mischverhältnis von Vanessa Mae und Morrissey beschrieben. Also gespannt sein. Und mal geschaut, was Station 17 so treiben. Das Kollektiv aus Hamburg kriegt mich auf seiner neuen Scheibe „Goldstein Variationen“ schon mit dem ersten Track. „Regenbogen“ mit Fettes Brot ist vielleicht der beste Brote-Track, den sie vor lauter pompösen Popexperimenten in den letzten Jahren zusammengeschraubt haben. Anschließend kommt dann alles und jeder zum Zug, der in der deutschen Pop-, Elektro- und Indielandschaft Rang und Namen hat. Das funktioniert mal sehr gut (Stereo Total – „Bill“ und Knarf Rellöm Trinity – „Wir woll´n zusammen sein“). Findet in dem subtilen Gruselmoment „Geister“ von Von Spar seinen definitiven Höhepunkt und zaubert hin und wieder auch ein breites Grinsen aufs Gesicht, wenn sich zum Beispiel Robocop Kraus im Song „Für heut Nacht“ in spacige und dazu auch noch deutschsprachige Gefilde vorwagen. Den Abschluss macht dann niemand geringerer als Guildo Horn(!) himself, der sich durch das pfiffige „Sag doch mal hallo“ trällert und dabei das Kunststück fertig bringt, mal keinen Würgereiz beim Hörer auszulösen. Alles in allem also sehr zu empfehlen, diese Zusammenstellung zum 20jährigen Bestehen der Gruppe. Womit wir uns auch schon wieder dem Ende nähern. Vorher allerdings gibt’s noch die kompilierte Breitseite von Matt Helders (Arctic Monkeys). Der stellte kürzlich für die allseits beliebte Serie „Late Night Tales“ seine Lieblingslieder ins Schaufenster der Öffentlichkeit. Und wer schon mal den raptechnischen Intros lauschen durfte, die die Monkeys einem live so um die Ohren pfeffern, der dürfte nicht sonderlich überrascht sein, wenn sich hier allerhand Reimikonen, wie Mos Def (Ms. Fat Booty), der famose Roots Manuva („Dreamy Days“) und Luniz (lange Jahre schmerzhaft vermisst: „I Got 5 On It“) die Klinke in die Hand drücken. Zuvor allerdings wühlt sich Mr. Helders noch durch Klassisches der Marke Stooges, The Black Keys und Little Barrie. Bevor er schließlich mir The Rapture und Simian Mobile Disco noch die Elektrokeule auspackt. In Kombination verschmelzen die verschiedenen Stile zu einem homogenen Gesamtwerk. Und eignen sich absolut perfekt dazu, die Zeit bis zum allabendliche Auflegen der aktuellem Monkeys-live-DVD zu überbrücken. Also chillt euch mal. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
// von: alexander nickel-hopfengart
// zuckerbeat volume 40
Es scheint The Shaky Hands etwas ermüdet zu haben, immer nur pfeifend durch die Parks der City zu rennen und die wärmenden Sonnenstrahlen aufzusaugen. Jedenfalls ist auf ihrem zweiten Album „Lunglight“ ein unumstößlicher Drang zu spüren, es hin und wieder auch mal so richtig krachen zu lassen. Die Blumenkränzchen im Haar werden abgefackelt von den […]
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