mit neuen Büchern von Esther Kinsky, Nadja Spiegelmann, Serhij Zhadan, Sayaka Murata und Andreas Reckwitz.
// Der „Literaturpreis der Leipziger Buchmesse“ ging in diesem Jahr an Esther Kinsky aus Engelskirchen. Die inzwischen in Berlin und im Friaul lebende Autorin schafft es mit ihrem Werk namens „Hain“ einen als Leser in einen regelrechten Sog der Emotionen zu reißen, der einen erst wieder ausspuckt, wenn der Buchrücken geschlossen ist. Im Rahmen ihres „Geländeromanes“ unternimmt die Ich-Erzählerin dabei drei Reisen ins schöne Italien, wobei sie sich allerdings nicht die Hauptstadt oder sonstige touristische Orte aussucht, sondern abgelegene Gegenden und Landstriche. So führt sie ihre Reise unter anderem in die Kleinstadt Olevano Roman oder eine Lagunenlandschaft im Delta der Po-Ebene. Mit diesem Werk kann man sich also ganz nebenbei schon jetzt auf den anstehenden Abenteuerurlaub im Sommer einstimmen und es wird deutlich, dass es nicht immer große Sehenswürdigkeiten und Attraktionen braucht, um ein kleines Stück Glück zu finden.
// Wer auf brutal-ehrliche Werke steht, der kommt auch beim aktuellen Buch von Nadja Spiegelman auf ihre Kosten. Die Tochter des berühmten Comic-Autors Art Spiegelman („Maus“) lebt heute in Paris und Brooklyn und auch in Berlin bekommt man sie immer wieder zu Gesicht. In ihrem Werk namens „Was nie geschehen ist“ widmet sich die Autorin dem schwierigen Verhältnis zu ihrer eigenen Mutter und der Beziehung zu ihrer Großmutter. Das Werk ist in diesem Zusammenhang auch ein Generationenroman und es ist wirklich beeindruckend, wie die Protagonistin hier ihr Innerstes nach außen kehrt. Dass es dabei immer wieder zu schmerzvollen Passagen kommt, erklärt sich in diesem Zusammenhang wohl bereits von selbst. Dennoch macht es sehr viel Spaß der Schriftstellerin auf ihrer Reise in die Vergangenheit über die Schulter zu schauen und gleichzeitig einen Blick auf die wichtigsten Frauen im Rahmen ihres Lebens zu werfen. Wenn du also nichts dagegen hast, dass jemand die Dinge so ausspricht, wie sie sind, dann schnapp dir das Buch.
// Sabine Stöhr und Juri Darkot haben derweil eine wirklich famose Übersetzung des ukrainischen Romans „Internat“ vorgelegt und wurden dafür völlig zu Recht mit dem „Preis der Leipziger Buchmesse“ gewürdigt. Das Buch von Serhij Zhadan, dessen Werk „Die Erfindung des Jazz im Donbass“ bereits von der BBC als „Buch des Jahrzehnts“ geadelt wurde, konfrontiert uns mit einem jungen Lehrer namens Pascha, der eines Tages seine Neffen aus dem Internat nach Hause holen möchte. Die Schule selbst liegt an der Frontlinie und man kann sich dort nicht mehr sicher fühlen. Die Reise durch den Ort dauert einen ganzen Tag, seit das öffentliche Leben zusammengebrochen ist und der Heimweg wird zur großen Herausforderung, weil auf einmal Kampfhandlungen einsetzen. Dabei gelingt es dem Autor das Grauen, welches plötzlich in den Alltag der Figuren tritt, wirklich nachvollziehbar und verstörend zu beschreiben und so sollte man sich dieses spannende literarische Werk auf keinen Fall entgehen lassen.
// Hinterher dann gleich noch der Hinweis auf das neue Buch von Sayaka Murata. Die in Japan geborene Autorin hat bereits vor zwei Jahren für ihr Werk den renommiertesten Litertaturpreis Japans abgestaubt, den Akutagawa-Preis. Nun liegt „Die Ladenhüterin“ auch in deutscher Sprache in der Übersetzung von Ursula Gräfe vor und man möchte dieses Buch gar nicht mehr zur Seite legen, wenn man erstmal ein paar Seiten gelesen hat. In der Geschichte dreht sich alles um Keiko Furukura, die sich ein wenig vor ihren eigenen Gefühlen ängstigt. Als sie jedoch eines Tages an einem neu eröffneten Supermarkt vorbei kommt, bewirbt sie sich kurzerhand als Aushilfe und sie genießt es, weil hier alles nach bestimmten Regeln abzulaufen scheint, während die Außenwelt sie zunehmend irritiert. Als dann allerdings ein zynischer Mann anfängt in dem Geschäft zu arbeiten, gerät ihre Welt zusehends ins Wanken und schon bald liegt kein Stein mehr auf dem anderen.
// Zu guter Letzt noch der Hinweis auf das neue Werk Andreas Reckwitz, welches mit dem Bayerischen Buchpreis 2017 ausgezeichnet worden ist. In „Die Gesellschaft der Singularitäten“ dreht sich alles um den Durchschnittsmenschen, der sich durch keinerlei Besonderheiten auszeichnet. Er ist scheinbar unsichtbar und genau das macht ihn verdächtig. Denn möchte heute nicht jeder originell und einzigartig sein? Unter diesem Gesichtspunkt untersucht der Autor den Prozess der Singularisierung in unserer Gesellschaft, die nicht nur jede Menge Gewinner hervorbringt, sondern auch zahlreiche Menschen in ihren Mühlen zu zermahlen droht. Diese Ungleichheiten aufzudecken, das gelingt dem Autor immer wieder ganz hervorragend und so wirft sein Buch einen Blick auf die Schattenseiten unseres Daseins, die sich in den vergangenen Jahren immer weiter in unserem Alltag ausgebreitet haben. Wenn du also mehr wissen möchtest, über dieses spannende Thema, dann schnupper mal rein. Und damit Schluss für heute. Bis zur nächsten Leserunde.
UND WAS NUN?