Was für ein brachiales Monster walzt denn da um die Ecke? Verdammt, das sind ja „The Bronx“. Auf ihrem dritten Werk blasen die Jungs aus L.A. mal wieder ein hingerotztes Dauerfeuer von hymnischen Punkrockhits der bierseligen Sorte aus der Kajüte. Mit Tiefsinn versteht sich. Kurz gesagt: Für all diejenigen, die sich sonst so gern dem Endorphinausstoß verweigern, ist jetzt mal wieder die Zeit gekommen, sich so richtig gehen zu lassen. Und klar ist diese Stimme mit ihrer versoffenen Attitüde grenzwertig. Klar eckt die an. Aber genau darum geht’s ja bei dieser verfickten Platte. Einfach mal wieder voll auf die Kacke zu hauen. So lange mit dem Bauch voraus gegen schneebedeckte Bäume zu hüpfen, bis einem der Sternenstaub in die Fresse fliegt. Und wenn ihr jetzt meint, meine Aussprache wäre heute recht vulgär, dann zieht euch dieses Album rein und ihr werdet verstehen. „The Bronx (III)“ ist neben der Scheibe von Fucked Up das Punkrockbrett des vergangenen Jahres. Also feiert bis die Tanzfläche blutet. Und wenn ihr hinterher Blade-mäßig ins Dunkel der Nacht abdampft, steckt die neue Scheibe von Secret Machines ins Tapedeck. Die legt mit dem Auftaktsong „Atomic Heels“ so herrlich hymnisch los, dass man sich kurzzeitig fragt, ob sie jetzt endgültig dem Space im Rock abgeschworen haben. Kurz darauf ist aber klar: The Secret Machines stemmen sich nicht gegen die eigenen Wurzeln. Stattdessen wurde der Sound einfach ein bisschen aufgeblasen. Daraus entspringen dann Songs, die im ständigen Fluss stehen. Zusammengehalten wird der progressive Trip von eingängigen Riffs und Zaubermelodien. Spätestens nach dem zweiten Song fühlt man sich dann wieder vollkommen heimisch und wird gerade dann vom waghalsigen „Have I Run Out“ an der Nase herumgeführt. Da frönt die Band aus Dallas nämlich plötzlich dem psychedelischen Rockgott und schraubt das Ganze am Ende so versiert in Richtung neon-durchflutete Tanzfläche, dass man sich beim ausgiebigen Ausdruckstanz ertappt. Alles in allem das vielleicht breitenwirksamste Werk dieser begnadeten Post-Krautrock Combo, die es erneut schafft auf voller Länge zu überzeugen. Mit Internetphänomenen ist es derweil immer so eine Sache. Allzu oft stellt sich dabei unweigerlich die Frage, ob da nicht reihenweise künstliche Hypes kreiert werden, die dann hinterher möglichst verkaufsträchtig ausgeschlachtet werden. Sia (Furler) ist so ein Phänomen. Ihre Berühmtheit verdankt sie neben der Bestattungs-Seifenoper „Six Feet Under“ auch dem zwanghaften Dauerblogger Perez Hilton. Der wies in seinem Blog nicht zu Unrecht auf ihr bemerkenswertes Video zum Song „Buttons“ hin. All das soll aber nicht darüber hinweg täuschen, dass ihr Debütalbum „Some People Have Real Problems“ vor allem eins ist: massenkompatibler Radiopop. Ein Song, wie „Day To Soon“ könnte gar nicht näher dran sein am kitschigen Einheitsbrei, der da gerade auf den Musiksendern läuft – und zwar unter der heiß geliebten Rubrik: „Junge Songwriterin mit großen Ambitionen will irgendwann in die Fußstapfen von Dido treten.“ Die Produktion und die Melodien wirken jedenfalls ziemlich abgeklärt. Was ja schon der lieben Miss Nash fast das Genick brach, als sie sich vom Geheimtipp zum gefeierten Popstar erhob. Da verloren ihre Songs schnell an Charme und Witz, wirkten glatt gebügelt von all den Zuflüsterern, die wissen, wie das Geschäft funktioniert. In Stücken, wie „The Girl You Lost To Cocaine“ und „Playground“ presst sich bei Sia dennoch immer wieder ein Funken Extravaganz und Eigenständigkeit in den Vordergrund. Da erhebt sich ihre Musik für einen kurzen Moment aus der watteweichen Produktion. Und fällt so erhaben aus dem Rahmen, dass man sich wünschen würde, sie würde ihr glänzendes Bild auf der Stelle zerschmettern. Dann würde sie vielleicht dort andocken, wo Triska mit ihrem Album gelandet sind. Das Duo um Heidi Triska und Gerald Huber präsentiert auf „Spring Forward, Fall Back“ sparsam arrangierte Folk-Miniaturen. Die Stücke wirken über weite Strecken so zerbrechlich, dass man sich erstmal einige Hördurchgänge gönnen sollte, bevor man ein endgültiges Urteil fällt. Dann nämlich entpuppt sich das Ganze als äußerst langlebige Geschichte und die sparsam eingestreuten Bläser als kleine Euphoriespritzen, die eine locker flockige Frühlings-Atmosphäre herstellen. Spätestens beim Song „Sooner Or Later“ liegt man dann händeringend auf dem Boden und wirft Schneebälle in Richtung Sonne, als wollte man die Welt ganz alleine aus dem Kälteschlaf reißen. Hinterher könnte ein Trip in Richtung The Phantom Band durchaus lohnenswert sein. Vorausgesetzt man steht auf Sounds Marke Bonnie Prince Billy mit einer Spur mehr PS unterm Gaspedal. „Checkmate Savage“ jedenfalls stolziert immer auf dem schmalen Grad zwischen subtiler Geste und aberwitzigen Klischees. Man ist sich nie so ganz sicher, ob die Band das jetzt wirklich ernst meint, was sie da fabriziert. Und wenn sie von sich selbst sagen, dass die Musik ein Hybrid der Vorlieben der einzelnen Persönlichkeiten ist, dann stimmt das zumindest insofern nachdenklich, dass mancher Track nur schwer am klischeehaften Rockmoment vorbei schlittert. Alles in allem ist „Checkmate Savage“ ein äußerst zwiespältiges Werk, das sich irgendwie am Erbe Nick Caves abarbeitet ohne dabei allerdings dessen Tiefsinn zu erreichen. Schade eigentlich, dass sie dabei nicht öfter mal dem Verlangen nachgeben, sich in endlosen Jams a la „Neu!“ zu verlieren, denn das steht ihnen außerordentlich gut. Bessere Zeiten erlebe ich hinterher mit The Dears. Deren viertes Studioalbum „Missiles“ klingt psychedelisch verjazzt. Das Klimpern des Pianos sorgt für Gänsehaut. Die Stimme des Sängers erschafft eine schwerelose Atmosphäre, in der man sich nur zu gerne der Langsamkeit der Musik hingibt. Wenn sie dann in „Money Babies“ zum ersten Mal das Tempo anziehen, fühlt man sich so elektro-vergnügt eingelullt, wie seit Thom Yorkes Soloalbum nicht mehr. Alles auf dieser Scheibe wirkt so zerbrechlich, als wäre die Musik ein Eiskristall, den die geringste Erschütterung zum Zerspringen bringt. Manchmal tut es fast ein bisschen weh hinzuhören, trotzdem ist die Scheibe in einzelnen Passagen herrlich romantisch. Nicht umsonst ist die Platte unterteilt in drei Parts. Im ersten wird der Melancholie gefrönt. Im zweiten die Schlagzahl erhöht und im abschließenden „Saviour“ mit einem Kinderchor das eigene Grab ausgehoben. Über all dem schimmert ein verzückender Funken Hoffnung, dass sich auch heute noch Alben anmaßen, mehr als nur eine Aneinanderreihung von Songs zu sein. Und das ist verdammt noch mal gut so und verlangt nach einer Zugabe. Vielleicht reicht aber auch schon ein kleiner Schwenk zur Seite. Da steht dann Flo Fernandez am Straßenland und betört die gequält grinsenden Passanten, die ihr Leben im Zeichen des Alltags gerne zurück erobern würden. Dabei überrascht er auf „La Pomme D´enfer“ mit einem zurückgelehnten Redeschwall in deutscher Sprache. Klingt irgendwie wie eine musikalisch unterwanderte Lesung. In „Bad Cats“ wird’s dann aber doch noch vollends musikalisch und mit zunehmender Lauflänge muss man den Songs durchaus zugestehen, dass man zu diesen lebensfrohen Rhythmen nur zu gern über die Dächer der City hechten möchte. Von dort flitzt man dann in bester Superhelden-Manier durch die Straßenschluchten, die sich so vor einem auftun, wenn die Tage mal wieder zu lang und die Nächte zu kurz sind. Zwischenzeitlich erinnert das Ganze an den Charme, den auch das kürzlich veröffentlichte Teenagers-Debüt versprühte („The Fool You Are“) oder an ein instrumentales Allerlei der entspannten Sorte („Let´s Fetz“). Und es ist vor allem dieser ständige Wechsel zwischen den Stilen/Sprachen/Geschichten, die der Platte etwas Einzigartiges schenken. Nach den neun Tracks ist man jedenfalls nur zu gerne bereit, die Scheibe auf „Repeat“ zu setzen. Wie eine gute Geschichte eben, die man immer und immer wieder hören möchte. Ähnlich geht es einem auch beim neuen Album der Eagles Of Death Metal. Von denen kann man ja auch nicht genug kriegen, obwohl die einem immer wieder den gleichen Song vorsetzen. „Heart On“ ist mal wieder eine Lo-Fi-Version der Queens Of The Stone Age geworden. Insgesamt wurde die Produktion zwar druckvoller gestaltet, was sicher auch dem Einfluss Josh Hommes geschuldet ist. Aber man kann zu diesem Sound immer noch selbstironisch seine Shorts über die Jeans stülpen und dabei eine denkwürdige Pose an der Luftgitarre einnehmen. Das Tag Team des spitzbübischen Rockzitats hat mal wieder alles richtig gemacht. Wobei hier nochmals darauf hinzuweisen wäre, dass man diese Band vor allem live erleben sollte. Das augenzwinkernde Gepose, die übertriebenen Gesten, der gespielte Größenwahn. Da können sich selbst die Hives noch eine Scheibe von abschneiden. Auch wenn ich zugeben muss, dass dieses Album abseits der Brillanz ihrer Liveshows durchaus seinen Charme entfaltet. Also verdammt noch mal gut gemacht. Einen Song, wie „Now I´m A Fool“ hätten die Foo Fighters auf ihrem letzten Album auch gerne geschrieben. Schafft er doch genau den Spagat zwischen Charttauglichkeit und –verdammt, das ich dieses Wort mal in Bezug auf diese Combo verwende- Understatement. Und jetzt schnell weiter zu den Indie-Ravern von Glowing Elephant, bevor ich noch vollends ins Schwärmen gerate. Deren Album „Radioactive Creampieces“ orientiert sich ziemlich frech am LSD-beeinflussten Erbe der Beatles und beamt die Musik in Richtung Gegenwart. Die Stücke entpuppen sich dabei als astreine Ohrwürmer, so dass man gar nicht anders kann, als auf den Tanzboden zu hüpfen und seine Arme auszubreiten, als würde es Sternenstaub regnen. Dass sie dabei in Sachen Massentauglichkeit hin und wieder etwas übertreiben („Groovy Groovy“) mag man ihnen aufgrund ihrer 20 Lenze, die sie auf dem Buckel haben, durchaus verzeihen. Auch weil sie Selbige im Anschluss mit einer astreinen Indie-Hymne namens „Kisses And Greetings“ kontern und sich nach dem poppigen Auftakt zunehmend in salti-schlagenden Produktionseskapaden verlieren, dabei aber trotz ihrer psychedelischen Ausschweifungen niemals den Fokus fürs Wesentliche verlieren: nämlich einen tollen Popsong zu schreiben. Insgesamt also ein äußert imposanter Einstand für diese noch so junge Band, der vielleicht Großes bevorsteht. Währenddessen macht sich der liebe M.I.A.-Produzent Diplo mal daran, seine gesammelten Werke auf einem Album zusammenzufassen. „Decent Work for Decent Pay: Collected Work Vol. 1“ stolpert dabei fröhlich durchs Hipsterviertel der popkulturellen Gegenwart. Spank Rock, Kano, CSS, Bloc Party, Hot Chip, Bonde Do Role, Black Lips, Peter Bjorn & John, M.I.A. Sie alle haben sich versammelt, um dir einen wahren Ohrenschmaus der postmodernen Elektroverwirrungen zu verabreichen. Ausfälle sucht man vergebens. Und die elektro-affine Indiegemeinde springt eh schon freudig im Takt. Kurz gesagt: das vielleicht hipste Tape des Winters. Die Bassboxenspülung für deine Anlage. Die Neonfarbe für deine frisch gestylten Haare. Das Schwarzlicht für deine Lieblingsdisco. Das 25te Türchen an deinem Adventskalender. Oder einfach nur: Diplo – der Mann der Stunde. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
// von alexander nickel-hopfengart
// zuckerbeat volume 44
Was für ein brachiales Monster walzt denn da um die Ecke? Verdammt, das sind ja „The Bronx“. Auf ihrem dritten Werk blasen die Jungs aus L.A. mal wieder ein hingerotztes Dauerfeuer von hymnischen Punkrockhits der bierseligen Sorte aus der Kajüte. Mit Tiefsinn versteht sich. Kurz gesagt: Für all diejenigen, die sich sonst so gern dem […]
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