Die Vorfreude ist riesig: Endlich kommt mal wieder eine echte Gitarrenbreitseite aus UK zu uns rüber gespült. Bromheads Jacket sind ja seit ihrem sagenhaften Debüt so etwas wie das ganz große Ding unter den kleinen. Manche nennen solche Bands überflüssig. Arctic Monkeys ohne Erfolg eben. Dabei ballern die doch immer wieder so schöne Hits in die Playlists der Indie DJs, dass man gar nicht wüsste, was man ohne sie machen würde: So schicke kleine Perlen, wie das schmissige „Turn Me On“, das den Kooks mal zeigt, wie man einen Sommerhit weniger offensichtlich auf die Strandpromenade hievt. Bromheads Jacket scheinen sich jedenfalls ganz bewusst dazu entschieden zu haben, ihren sprechgesungenen Indie-SingSang nicht mehr ganz so offensichtlich zu gestalten. Stattdessen schlagen die Tracks allerhand Haken, bis das Öhrchen freudig im Takt schlackert. Dass das bei diesen Temperaturen zu ausgedehnter Partylaune führt, könnte zwar an der Eisschicht scheitern, die einem die Eingangstür verklebt und einen fetten Schwall Schneestaub ins Gesicht bläst. Aber dann bauen wir eben einfach einen fetten Schneeklops draus und rollen ihn den Abhang hinunter. Soll heißen: das Teil hier namens „On The Brain“ reißt mit, wie Lawinen. Und dürfte im direkten Vergleich mit dem Vorgänger auch in Sachen Langlebigkeit die Nase vorn haben. Womit wir uns mal einer nicht von Joy Division beeinflussten, aber dennoch trübsinnigen Band namens Diego zuwenden. Deren zweites Album klingt eigentlich wie das erste und wurde folgerichtig mit „Two“ betitelt. Kurz gesagt. Für alle, die gerne in melancholischen Sphären durch zeitlupenartige Szenerien wandeln oder über Tanzflächen schweben, als wären sie in einem Film von Richard Kelly (Donnie Darko), all diese Menschen also können jetzt schon mal die Augen schließen und sich ein fettes Stofftier zum Knuddeln holen. So schön gelitten wurde jedenfalls schon lange nicht mehr. Geschweige denn, dass die Band eigentlich einen Hit nach dem anderen raus pustet, als wollten sie She Wants Revenge die Krone vom Kopf reißen, welche die sich wiederum von Interpol und den Editors geborgt haben. Klingt am Ende jetzt stark nach Namedropping. Funktioniert aber im Falle von Diego ganz hervorragend. Also gebt den Jungs aus Karlsruhe mal eine Chance. Denn spätestens wenn irgendjemand einen ihrer Songs als Soundtrack in einer bekannten Serie oder einem angesagten Movie verwendet, will die Band wieder jeder als erstes lieb gehabt haben. Also Vorsprung nutzen und jetzt schon zu „Two“ im Takt wippen. Womit wir uns dann mal einem Thema zuwenden, das hier bisher immer an der kurzen Leine geführt wurde. Wie heißt es denn so schön: Hunde die Bellen, beißen nicht. Da mag durchaus ein Funken Wahrheit dran sein. Kreator bellen aber nicht nur, sie knabbern auch ganz schön an den Nerven. Und ja, ihr habt richtig gehört. Wir rezensieren ihr neues Album „Hordes Of Chaos“ hier in diesem sonst so zahmen Blog, weil ihr neues Album Aufmerksamkeit verdient. Das liegt nicht nur daran, dass Thees (Tomte) und Nagel (Muff Potter) als verbraucherfreundliche Anreize im Hintergrund die Werbetrommel rühren (auch wenn ich zugeben muss, dass dadurch auch meine Aufmerksamkeit auf das Produkt gelenkt wurde). Nein, dieses geballte Metal-Brett vermengt alle Zutaten, die mich als Teenie dazu animierten, meine (sagen wir mal halblangen) Haare freudig auf Partys in dunklen Hinterhöfen im Takt zu schwingen. Man könnte durchaus sagen, Kreator treiben dich mit diesem Brett von Album kurzerhand in die Zwischenwelt, die mancherorts im Jugendheim ihre von Nebelschwaden durchtränkte Vollendung findet und holen die Kids aus der Großstadt mit an Bord. Das geschieht wiederum durch amüsant eingeflochtene Sidekicks auf Tocotronic und Konsorten, die im Blitzlichtgewitter der Riffs die Nackenmuskeln strapazieren. Dadurch entlädt sich ein wütendes Feuerwerk doppelbödiger Aggression, das sich einerseits dadurch auszeichnet, das hier zahlreiche Klischees des Trash-Metal durch dekliniert werden, die Scheibe sich aber niemals darin erschöpft, nur stumpf abzukupfern. Moses Schneider, der hier als Produzent mit an Bord ist, bettet die Band in ein klassisches Korsett ein und lässt ihr weitestgehend alle Freiheiten, um ihrer Vorliebe für hämmernde Riffs nachzugeben. Wie bei der aktuellen Scheibe von Metallica (die allerdings im Gegensatz zu diesem Werk ziemlich beschissen ausgepegelt ist), besinnen sich die Jungs aus Essen auf ihrem dreizehnten (hoffentlich habe ich mich nicht verzählt) Werk wieder auf die Höhepunkte ihres Schaffens. Kurz gesagt: Die Zeichen der Musik stehen auf Nostalgie. Die große Show steht im Vordergrund. Und dennoch sind auf den zweiten Blick immer wieder kleine Stolpersteine in die Lyrics eingearbeitet, die der Platte eine gehörige Portion Tiefsinn einflößen. Verfluchen könnte man derweil die werten Kollegen von Sepultura, weil sie schon seit Jahren nicht mehr das Niveau der alten Zeiten erreichen. Auch auf dem aktuellen Kieferbrecher „A-Lex“, der in etwa eine Adaption von „A Clockwork Orange“ für dämonische Zeitgenossen darstellt, erreichen sie nur selten die Intensität ihrer frühen Werke. Wahrhaft „gesetzlos“ (so die russische Übersetzung des Albumtitels) schreddert sich die Band ambitioniert durch die achtzehn Holzklötze, mit denen sie hier nach dem Hörer drischt. Die Scheibe wirft allerdings die Frage auf, wer sich das anno 2009 eigentlich noch in voller Länge reinziehen soll. Die eingestreuten, instrumentalen Parts gehen ja noch ganz in Ordnung, aber die Songs entbehren teilweise jeglicher Struktur. Da hilft es auch nicht mehr, dass sie kurz vor Ende mit „Ludwig Van“ doch noch mal aufhorchen lassen, indem sie ihrem Sound eine Portion klassisches Liedgut injizieren. Das klingt dann zumindest mal kurzzeitig innovativ, auch wenn das Ergebnis ebenfalls nicht zu begeistern weiß. Alles in allem ist diese Scheibe leider ein weiteres Beispiel dafür, wie eine Band scheinbar endlos auf dem eigenen Erbe herum reitet. Dabei aber immer noch besser rüber kommt, als The New Black auf ihrem gleichnamigen Debütalbum. Was die da an hoffnungslosen Metallica und New Metal-Anleihen zusammentragen und einmal ordentlich durch den Modern Rock-Fleischwolf drehen. Die einschlägigen Metal Magazine mögen sich da noch so sehr an der durchaus versierten Gitarrenarbeit aufgeilen. Mir persönlich fehlt hier die Portion Unverwechselbarkeit, die diese Scheibe aus dem Einheitsbrei der modernen Rockmusik empor hievt und per Löffelchen in eine waschechte Gaumenfreude transformiert. Stattdessen gibt´s breitbeinige Klischees, die auch die strapazierfähigste Hosennaht zum Platzen bringen. Also schnell weg in Richtung entspannte Gefilde. Alter Me aus dem schönen Dänemark wissen auf ihrem aktuellen Album „Tha Fall“ durchaus zu überzeugen. Die Scheibe wirkt zwar ein bisschen, als hätte da jemand im nachhinein mit einem Weichzeichner drüber gestrichen. Aber dennoch sprudeln einige schmissige Hits der Marke „Problems“ und „You Can´t“ aus der feuerroten Szenerie und plumpsen direkt in die feierwilligen Clubs der Republik. Der vielleicht stärkste Song der Scheibe namens „Love“ schwingt sich mit seiner schmeichelnden Melancholie auf den hohen Ast und dürfte alle Radiohead Fans zur Weisglut treiben. Den Verdacht, dass die Band… sagen wir es mal so: sich gerne von anderen inspirieren lässt, kann man in diesem Fall nicht vollständig von der Hand weißen. Dennoch strahlt die Platte dank zahlloser Melodien, wie sie Coldplay auf ihren letzten drei Alben nicht hingekriegt haben, eine wahrlich berauschende Wirkung auf den Hörer aus. Und weil wir es hier dann auch noch mit einem Debütalbum zu tun haben, lassen wir jetzt einfach mal fünfe gerade sein und freuen uns über diesen warmen Schutzschirm gegen die klirrende Kälte, die uns in diesen Tagen ins Gesicht peitscht. Kolkhorst wiederum peitscht uns auf seinem Album „Wir bleiben alle“ auch ganz schön ein. Die etwas krude Mischung aus, sagen wir mal, allem von Anajo bis Mediengruppe Telekommander, wirkt in keiner Weise überambitioniert. Stattdessen gräbt sich der liebe Kolkhorst mit seinen soft bis aggressiven Elektroschaufeln durchs Beet der Popmusik und hinterlässt am Ende ein freies Feld, auf dem sich seine Musik gleichförmig ausbreitet. Da die Scheibe allerdings auf Seite eins fünf Hits am Stück abfeuert, fällt das ganze fast zwangsläufig gegen Ende etwas ab. Dennoch sollten diejenigen, die auch nur entfernt mit Jens Friebe, Saalschutz und Deichkind sozialisiert sind, diesen Sound nicht unerhört an sich vorüber ziehen lassen. Das wäre wahrlich… unerhört. Also kommt schon… „Nennt mich Intercityboy…“ und dann ab dafür… Zur One Man Show des (zugegeben: vergangenen) Jahres (ja, ja, euer Zuckerbeat hat in diesem Fall nämlich gepennt und die Scheibe erst drei Monate nach Release in sein Herz geschlossen. Aber immer noch besser als nie…) und damit noch mal rüber in „Gude Laune“-Gefilde. Sven Väth lädt ein zur neunten Season seiner Hypnose-Fantasien und verzaubert uns auf „The Sound Of The Ninth Season“ mit einem hypnotischen Ibiza-Mix. Auf Scheibe eins – called „Disco“ – wird dabei formvollendet der technoiden Eleganz gefrönt. Manche haben ihm deshalb schon wieder vorgeworfen, dass da irgendwie die Knaller fehlen. Stimmt aber gar nicht… Ahmet Sisman zum Beispiel wühlt sich durch ein perkussives Monster von Track, dass man sich kurzerhand die Socken von den Füßen reißt und sich auf die kalte Schneeschicht stürzt. Dort springt man dann so lange auf und ab, bis der weiße Stoff geschmolzen ist. Angestachelt vom atmosphärischen Auftakt von Matthew Johnson mit „Symphony For The Apocalypse“ wird man schon nach wenigen Sekunden in einen Strudel der Emotionen gerissen, als wollte die Scheibe einen vollends absorbieren. Auf Scheibe zwei („Invaders“) wiederum sticht zweifelsohne das betörende „Orgsa“ mit seinen Vocal Samples heraus. Produzent Sis hat ja erst zuletzt in der Groove die ersten beiden Plätze der Jahrescharts für sich verbucht. Und nun gibt’s Nachschub in Form eines amtlichen Bretts, das zwar nicht ganz an die Qualitäten von „Nesrib“ und „Trompeta“ anknüpfen kann, aber dennoch schillernd perlt, wie das versilberte Covermotiv. Alles in allem kann man am Ende festhalten, dass sich Väth mal wieder auf das besinnt, was er kann und deshalb auch die „Disco“-Mucke die Deep-House-Fratze von „Invaders“ auf die Bretter schickt. Kurz gesagt: Wer Väth mag, wird seine Finger eh nicht von diesem Album lassen können. Und alle anderen Tanzbegierigen sollten sich nicht scheuen, mal auf einen Sprung vorbeizuschauen. Wir entspannen uns derweil mit Blick auf die taumelnden Schneeflocken, die da so schwerelos vor den Fensterscheiben tanzen. Und sagen tschö. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
// von: alexander nickel-hopfengart
// zuckerbeat volume 46
Die Vorfreude ist riesig: Endlich kommt mal wieder eine echte Gitarrenbreitseite aus UK zu uns rüber gespült. Bromheads Jacket sind ja seit ihrem sagenhaften Debüt so etwas wie das ganz große Ding unter den kleinen. Manche nennen solche Bands überflüssig. Arctic Monkeys ohne Erfolg eben. Dabei ballern die doch immer wieder so schöne Hits in […]
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