// zuckerbeat volume 48

Jetzt isses also so weit. Die herzallerliebsten Franz Ferdinand haben ihr neues Album raus gehauen. Und auch wenn die Stimmung nach dem öden Vorgänger ziemlich gedämpft war, hat man sich natürlich trotzdem ganz doll drauf gefreut, dass da jetzt endlich neuer Stoff aus der Pipeline tröpfelt. Gleich im Opener „Ulysses“ (liegt derzeit übrigens einem nicht […]

franz-ferdinand.jpgJetzt isses also so weit. Die herzallerliebsten Franz Ferdinand haben ihr neues Album raus gehauen. Und auch wenn die Stimmung nach dem öden Vorgänger ziemlich gedämpft war, hat man sich natürlich trotzdem ganz doll drauf gefreut, dass da jetzt endlich neuer Stoff aus der Pipeline tröpfelt. Gleich im Opener „Ulysses“ (liegt derzeit übrigens einem nicht ganz unbekannten Musikmagazin als schicke Vinyl-Single! bei) wird dann klar: Berechenbar wollen die Jungs auch anno 2009 nicht sein. Nur so ganz dem Hitappeal verschließen können sie sich auch nicht. Ganz im Gegenteil. Eigentlich dampft das ganze Album nach dem zahmen Auftakt drauf los, wie ne tiefer gelegte Lok auf Freiflug über die Klippen. Jedenfalls scheint man inzwischen wieder Lust am sympathischen Stampfen auf dem Dancefloor bekommen zu haben. Wo beim Vorgänger noch das unsägliche „Do You Want To“ mit dick aufgetragenen Produktion vor sich hin klotze, wie Holzfäller, wird die Kettensäge diesmal auf stumm geschalten und sich wieder auf die Melodien besonnen. Im Glanze eines solch hymnischen Refrains, wie ihn das sagenhafte „Lucid Dreams“ da in die Gehörgänge wuchtet, stört solch ohrenbetäubendes Gedröhne nur und auf der nächsten Party sind sie mit dem Trademark als tanzbarster Indie-Act der Gegenwart eh schon gebucht. Also Schuster bleib deine(n-m) Leisten. Dann klappts auch mit dem Publikum. Das wird ihnen nämlich für diese hittige „Drei“stigkeit mal wieder ein Denkmal setzen. Ganz so hell, wie der unerreichte Erstling schimmert „Tonight: Franz Ferdinand“ zwar nicht, aber wen juckt das schon: schließlich hat bisher auch keine andere Band an der Bestmarke von den Jungs geschnuppert. Dementsprechend feiern wir hier in gewisser Weise den schönsten „Scheiter“haufen im Hexenkessel der Popmusik. Und mal ganz im ernst: Wer will schon immer perfekt sein? Also genießen.

mike-doughty.jpgUnd hinterher freuen, dass endlich mal jemand das Solowerk von Soul Coughing Sänger Mike Doughty für den hiesigen Markt aufpoliert. Jedenfalls sind dir in den letzten Jahren viele schmissige Hits entgangen, wenn du keine seiner Scheiben im Schrank stehen hast. Vorausgesetzt natürlich du verspürst eine gewisse Affinität zum romantischen Gesäusel der Counting Crows und Smoking Popes. In den besten Momenten jedenfalls schreibt Mike Doughty Songs, die du zu nächtlicher Stunde deiner Herzallerliebsten ins Ohr flüstern könntest. Und wenn du ihr dann noch ganz tief in ihre Augen schaust, wird sie vor lauter Glück ihre ganze Kuschelrock-Kollektion in den Müll pfeffern und die Menschheit -also vorwiegend dich- von dem Schmerz erlösen, der da allabendlich auf dich einströmt. Die Compilation zehrt dabei von vier Alben und unzähligen EPs. Was dazu führt, dass die 19 Songs ausnahmslos Hitcharakter aufweisen. Und in ihren besten Momenten einen leicht verschrobenen Vibe ausstrahlen. Dass es Mike dabei gelingt, einen dermaßen glatten Poprocker wie „I Just Want The Girl In The Blue Dress To Keep On Dancing“ ohne Selbst-Schäm-weil-das-ist-ja-doch-irgendwie-Radiomucke-Feeling rauszuhauen, kann man ihm gar nicht zu hoch anrechnen. Und ohne Scheiß. Eine bessere „Introduction“ eines hier noch nahezu unbekannten Künstlers, werdet ihr in diesem Frühjahr auch nicht mehr um die Ohren gehauen bekommen. Also anchecken.

arnaud-rebotini.jpgUnd hinterher mal in elektronische Gefilde abtauchen. Der Grund, warumArnaud Rebotinis neues Album so „old school“ klingt, liegt jedenfalls in der Art der Produktion. Der renommierte Künstler, der vielen unter dem Namen seines Alter Egos Black Strobe besser bekannt sein dürfte, hat für sein Album „Music Components“ lediglich auf analoge Instrumente zurückgegriffen. Also hat er die alten Synthies aus dem Keller gekramt, die Staubschicht auf den Computer gepustet und fröhlich drauf los gepoltert. Dementsprechend klingt sein Album auch ziemlich retro. In technoider Atemlosigkeit ballert er sich durch die Tracks, die zeitweise wirken, als hätten man den Zeiger der Uhr künstlich zurück gefahren. Die Puristen unter seinen Anhängern dürften an diesem Ansatz sicher die reine Freude haben. Und man muss zugeben, dass der ein oder andere Track auch ziemlich rein knallt. Allerdings hätte man sich am Ende vielleicht doch mal dem ein oder anderen zeitgenössischem Thema widmen können. Unter analogen Vorrausetzungen wäre da ein ziemlich hohes Potenzial an visionärer Energie sicher noch besser aufgehoben gewesen. Womit wir uns mal einer durchaus visionären S

Womit wir uns mal einer durchaus visionären Scheibe namens „Vom Feuer der Gaben“ zuwenden. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, wann ich die Jungs von Klez.e mal derart harmonieverliebt und poppig erlebt hätte. Vorbei die Zeit, in der sie ihre Alben einem geschlossenen Kontext unterordnen? Denkste… Auch anno 2009 klingen Klez.e noch nach einem Flussbett, aus dem sich immer wieder einzelne Wassertierchen nach oben schälen um Pirouetten zu drehen. Dennoch entfalten die Songs diesmal auch für sich allein – los gelöst aus den Zwängen der Albumproduktion – einen fast tanzbaren Charme. Wenn diese Musik überhaupt noch vergleichbar ist, dann noch am ehesten mit dem Output von Radiohead zu „Ok Computer“ / „Kid A“ – Zeiten. Immer wieder schälen sich aus den vertrackten Songstrukturen schwelgerische Melodien, die einen umwerfen. Da wo Polarkreis 18 zuletzt mit „Allein allein“ den Platz an der Sonne für sich beanspruchten, verstecken sich Klez.e lieber im Schatten. Ihre Songs strömen von einem dunklen Ort auf einen ein. Sie überkommen dich nachts, wenn du durch die Straßen läufst und das Flackern der Straßenlaternen ein Tor zu einer anderen Welt aufstößt. Das, was sonst im Lärm der Stadt verhallt, wird auf „Vom Feuer der Gaben“ ins Bewusstsein zurück geholt. Anders gesagt: Dass die Songs in solch mysteriöse Eleganz gekleidet wurden, verleitet nur allzu sehr dazu, sich Kopfhörer über die Ohren zu stülpen, die Augen zu schließen und den Alltag für eine Stunde aus dem Leben zu verbannen.

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Ein ziemlich krudes Bild ergibt sich, wenn man sich bei vollem Bewusstsein das neueAlbum vonOriginal Silence reinzieht. Auf „The Second Original Silence“ fröhnen Thurston Moore (Sonic Youth) und seine Kumpanen fröhlich dem verzerrten Free Jazz-Wahnsinn. Daraus entspringt ein lärmdurchtränkter Amoklauf der Instrumente, der in sieben bis 22minütigen Infernos endet. Im Geiste eines Thelonious Monk lenken die Protagonisten ihr musikalisches Schaffen in bisher unerforschte Klanggebiete, verlieren dabei aber zunehmend den Kern des Songs aus den Augen. Als Zuhörer ist es zeitweise fast schmerzhaft zuzuhören, wenn sich das chaotische Treiben über einen ergießt. Trotzdem wohnt dieser Platte eine gewisse Faszination inne. So kompromisslos wie hier werden heutzutage kaum noch Grenzen ausgelotet. Genauso kann ich mich nur an ganz wenige Scheiben erinnern, auf denen zuletzt die wütenden Passagen so dynamisch mit verstörend wirkenden Ruhephasen verknüpft wurden. Letztlich entstehen daraus flimmernde Klanggebilde, die den sechs Musikern alles… und zwar wirklich alles abverlangen. „The Second Original Silence“ ist damit letztlich nicht weniger als ein kompromissloses Sammelbecken für Meistermusiker, die sich ganz gezielt über jegliche Konventionen erheben. Ein schlicht beängstigendes Album.

Was man am Besten mit einem tanzbaren Tune kontert. Für eine gehörige Portion Schubkraft unter der House-Anlage sorgt dabei der Londoner DJ und Produzent Jjesse-rose.jpgJesse Rose mit seinem Longplayer „What Do You Do If You Don´t“. Neben Gastauftritten von Afra & The Incredible Beatbox Band und David E Sugar sind auch Hot Chip auf der Scheibe am Start. Dementsprechend geht’s hier zeitweise auch äußerst poppig zu. Der renommierte DJ, den manche von euch vielleicht aus der Berliner Panorama Bar kennen, verknüpft auf seinem bunten Mix an Stilen auf elegante Weise wabernde Bässe mit Acid-Irrsinn und bastelt ein äußerst kurzweiliges, aber ebenso spannungsgeladenes Album, das einen als Hörer kurzerhand zum Jonglieren mit Wunderkerzen anregt. Unter den sprühenden Funken fängt man dann heftig an, den Körper in zuckender Glückseligkeit vollends der Musik auszuliefern. Kurz gesagt: Bei dieser Platte brennt die Hütte. Dabei wird das Genre zwar nicht neu erfunden, aber immerhin ein schräger Streifzug durch die Geschichte hingelegt und auf das Jahr 2009 upgedatet. Insgesamt also ein äußerst empfehlenswerter Post-House-Tune, der hinterher von einer kleinen Geschichtsstundelynne-hanson.jpg in Sachen Mixing gekontert wird. Ziemlich klassischen Songwriterpop mit Folkansätzen verarbeitet Lynne Hanson hinterher auf ihrem Album „Eleven Months“ zu einem unaufgeregten Mix gepflegter Langeweile. Zu dieser Scheibe kann man leicht angetrunken in einer vernebelten Bar fröhlich im Takt schunkeln und sich durch die alkoholischen Versuchungen nippen. Ich werde mit diesem Sound leider nicht warm. Die Musik klingt so dermaßen traditionell & versiert, dazu noch stark vom Country beeinflusst, dass ich mich ganz unweigerlich in eine Strohballen-Szenerie versetzt sehe. Das juckt dann so dermaßen unter den Fingern, das ich mich schnell auf die Suche nach zeitgemäßeren Klängen mache. Bosse kommt mir da gerade recht. Dessen neues Album „Taxi“ beginnt mit dem Song „3 Millionen“ schlicht erhaben. Durchs Leben stolpernd, in entwaffnender Ehrlichkeit frönt der Braunschweiger Musiker dem Moment, an dem man am Rande der Klippen steht und nur darauf wartet, dass einen jemand zurück auf festen Boden zerrt. Überhaupt. Diese Scheibe klingt so charmantbosse.jpg unaufgeregt und gerade heraus, dass man ihr die ein oder andere textliche Schwachstelle nur allzu gerne als „authentischen Moment“ durchgehen lässt. Rutschte der Musiker früher hin und wieder auf dem schmalen Grad zwischen charttauglichen Einheitsbrei und musikalischen Ambitionen aus, lenkt er sein musikalisches Dreirad nun versiert an allen Stolpersteinen vorbei in Richtung Herzklappen. Kurz gesagt: diese Scheibe geht direkt dorthin, wo es weh tut. Das mag manchem, der schon mit der gefühlsduseligen Art von Virginia Jetzt! oder Anajo so seine Probleme hatte, durchaus das ein oder andere Mal ein Stück zu weit gehen. Im richtigen Moment abgespielt, können diese Songs dich trotzdem wieder aus dem tiefen Loch zerren. Bosses neue Platte ist wie ein „Taxi“, das einen mitnimmt und all die Dramen, die da am Wegesrand auf einen warten, in einer Staubwolke versenkt. Und jetzt ab in Richtung Freiheit… und gefühlte 500 Euro später auf einen gemütlichen Zwischenstopp bei Neal Casal halt gemacht. Der kalifornische Songschreiber ist manchem unter Umständen bereits als Lead Gitarrist der allseits beliebten Ryan Adams Backing-Band „The Cardinals“ aufgefallen. neal-casal.jpgAlle anderen sollten sich nicht scheuen, seinem Solo-Ausflug in Richtung Neil Young und Konsorten ein wenig Gehör zu schenken. Die eine oder andere Perle findet sich nämlich durchaus unter den traditionsbewussten Songs seines Debütalbum „Roots & Wings“. Am besten setzt man sich zu dieser Musik Kopfhörer auf und schlendert durch verschneite Landschaften. Ich garantiere euch. Der Schnee wird unter euren Füßen dahin schmelzen und den Blick auf die staubigen Felder frei geben. Die Sonne wird zum Himmelszelt empor steigen und der Wind dir aus den staubigen Überresten am Wegesrand einen Strohhut auf das zottelige Haar hieven. Diese Musik ist schlicht wie geschaffen, um von einer alten Jukebox aus mit Sheryl Crow und Ryan Adams um die Gunst des großen Moments zu buhlen. Wie der aussieht. Das müsst ihr schon selbst definieren. Oder ihr werft euch schon mal trainingshalber ein paar fesche Badeklamotten über und freut euch in Gedanken auf den anstehenden Sommer. Guadalajara (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Stadt in Mexiko) machen sich jedenfalls schon mal auf, den passenden Soundtrack für das kollektive Ringelreih-Tanzen auf einer sonnendurchfluteten Fguadalajara.jpgestivalwiese raus zu posaunen. Ich muss jedenfalls lange zurück denken, wann ich zum letzten Mal ein solch euphorisches Ska-Punk-Brett aus österreichischen Landen erleben durfte. Da vergisst man sofort den ein oder anderen textlichen Stolperstein, den sie eingebaut haben und wirft sich Hals über Kopf ins weite Grün. Steckt sich freudetrunken ein paar Gänseblümchen in die Haarspitzen und pustet so lange drauf los, bis sich ein Seifenblasenregen über die Szenerie ergießt. Ich sag euch, ich steht jetzt schon halbhüpfend im Zimmer, weil ich mich nicht entscheiden kann, ob ich meinem Drang zum Tanzen nachgeben soll, oder euch weiterhin von dieser so berauschenden, wie zufälligen Ska-Punk Entdeckung berichten soll. Einfach die Anlage aufdrehen und in einem Glückstaumel versinken. Mit „Weapons Of Mass Seduction“ fühlt man sich zeitweise fast beseelt die Schneeschichten vor dem Haus eigenhändig mit einer dicken Schicht Sonnenblumen zu überdecken. Die perfekte Sommerplatte, die auch im Winter Spaß macht. Also unbedingt mal anchecken das Teil. Und sich dann hinterher noch auf eine kleine Turtelei zwischen Violet Clark und Black Francis (Ex-Pixies) einlassen. Die bewerfen sich auf „Petits Fours“ unter den betörenden Schwingen ihres gemeinsamen Projekts Grand Duchy mit so vielen Zärtlichkeiten, dass man sich fühlt wie ein gefallener Engel nach geglückter Flügeloperation. Schlicht euphorisierend gelingt das Wechselspiel der Geschlechter. Mit einfachsten Mitteln preschen die synthetisch unterwanderten Melodien direkt grand-duchy.jpgins Tanzbein, dass man meint, diese Offensichtlichkeit müsste sich irgendwann rächen. Tut sie aber nicht. Stattdessen zieht einen die Scheibe mit jedem Durchlauf tiefer in einen Sog der Euphorie. Und wenn Black Francis in „Black Suit“ ein sagenhaftes „the boy looks so devine“ ins Mikro schmettert und dabei mehr krächzt, als singt, erreicht diese Scheibe eine Emotionalität, die einen schier fassungslos zurücklässt. Ich habe jedenfalls seit langem kein gelungeneres Duett mehr gehört, als dieses. Hier scheinen sich Gegensätze wie von selbst aufzulösen und überhaupt wirkt alles wie ein ausgelassener Jam der Emotionen. Leider ist das Ganze schon nach neun Songs und knapp 40 Minuten zu Ende. Bleibt aber dennoch ein geglücktes Beispiel für einen gelungenen Annäherungsversuch zweier brillanter Einzelkünstler. Und damit machen wir mal Schluss für heute. Mehr gute Musik gibt’s im nächsten Zuckerbeat.
// von: alexander nickel-hopfengart