Nun ist sie zum ersten Mal da. Sie läuft den Strand entlang. Wünscht sich, er würde nie enden. Ein nie endender Weg am Meer entlang. Ein Wind, der stetig die Gedanken aus dem Kopf fegt, mit seiner weichen Kälte gegen den Kopf peitscht, seicht. So als ob man damit ein paar Bilder hinausschießen könne. Warum habe ich es nicht schon längst getan? So oft hatte ich die Möglichkeit. So nah der Weg. Aber ich hab sie noch nie gesehen. Noch nie habe ich mir deine Wellen angesehen. Was habe ich eigentlich gemacht mit meiner Zeit? Im Grunde nichts. Rein gar nichts. Euch habe ich sie geschenkt. Immer im Glauben an das Ziel. Aber das gibt es nicht. Nein, das existiert nicht. Und das ist vielleicht dein einziger Fehler liebe Natur. Warum hast du die Frage in uns gesät?
Der Kies presst sich an ihre Füße, der kalte weiße Schaum schwappt mit jeder Welle über ihre Zehen. Der Mond entschwindet schon fast in der kaum merklichen Grenze zwischen Himmel und Meer, nur darauf wartend dass die Sonne ihren Platz mit ihm tauscht. Yelda breitet ihr weißes Handtuch auf dem Kies aus und sieht ihm zu.
Das Blau verfärbt sich, kaum merklich. Wird es immer heller, getaucht in ein golden rotes Schimmern, noch ganz schwach, das Meer liegt noch schwarz vor ihr.
Die glatten Steine gleiten durch Joschas Finger. Er nimmt erneut ein paar auf, lässt sie wieder durch seine Hände rinnen. Bis auf zwei, die behält er und schickt sie hinaus auf eine Welle.
Es ist noch zu dunkel um zu sehen wie viele Kreise sie schlugen.
Aber Schatten kann man sehen. Joscha richtet sich auf und blickt den menschenleeren Strand entlang, bis zu dem Punkt, von dem aus etwas Schwarzes sich in seine Richtung zu bewegen scheint.
Jetzt zeichnet sich deutlich die Silhouette ab. Schattenhaft, schemenhaft formt sich die Gestalt aus dem dunklen Punkt, bewegt sich.
Einzig die Bewegung genügt. Der Schatten wird Licht. Es tritt die Dunkelheit mit Füßen, reißt sie auf, löst ihre Decke, dringt hinein. Ohne Rücksicht, Richtung, Regel und genauso ohne Ziel. Es trifft auch so.
Er geht weiter. Seine Bewegungen haben sich nicht verändert. Sie erkennt sich in ihnen wieder. Wie beim ersten Mal. Vor siebzehn Jahren. Oder gerade eben? Warum fühlt es sich gerade genau gleich an? Weil die Zeit in mir drin ist.
Jetzt streckt sie ihre Arme aus. So wie nur sie. Warum nimmt sie damit die Kälte? Mich ein? Joscha bleibt stehen als er ihre Augen sehen kann.
Dann geht er noch ein paar Schritte, bis er ihren Atem spüren kann.
Obwohl das egal ist. Völlig.
<< Das ist der Unterschied.>>
<< Das ist er.>>
<< Ich hatte es fast vergessen.>>
<< Oder nie gewusst?>>
<< Immer.>>
<< Aber vergessen?>>
<< Vielleicht.>>
<< Nie gelebt.>>
<< Einfach übersehen.>>
<< Aus Angst? >>
<< Wer weiß das.>>
Die Glut glimmt kurz auf, dann umschwelgt sie der Rauch als sie beide ausatmen. Umhüllt sie im weichen Grau, das seicht schwebend durch die Luft um ihre Köpfe tanzt, ganz leicht.
<< Hörst du es?>>
<< Ja.>>
Die Töne schwimmen durch das Rauschen der Wellen, das sie ihnen zuhaucht. Sanft, so sanft. Und jeder einzeln, als ob man ihn umarmen könnte. Man möchte weil er so schön ist. Das Glück in sich birgt.
Jetzt fassen sie einander bei den Händen. Wie Kinder, wie Liebende oder wie eins. Ein Glück. Laufen los, hinein in das rote Wasser. Lassen sich tragen. Von den Wellen. Der erste gleißende Strahl bricht sich und mit ihm steigt die blutrote Sonne auf. Und sie werden zu Schaum. Auf dem weiten weiten Meer. Denn alles ist eines.
// johanna kleinschrot
UND WAS NUN?