mit dem für den Buchpreis nominierten Werk „Findet mich“ von Doris Wirth.
// Doris Wirths Romandebüt „Findet mich“ ist ein nachdrückliches Werk, das seinen Platz auf der Longlist des Deutschen Buchpreises mehr als verdient. In dieser fesselnden Geschichte tauchen wir tief in die Psyche von Erwin ein, einem Mann in den Fünfzigern, dessen scheinbar perfektes Leben in einem erschreckenden Desaster endet. Erwin, einst ein Freigeist, der sich den gesellschaftlichen Normen verweigerte, hat sich im Laufe der Jahre in die Rolle des pflichtbewussten Familienvaters und Arbeitnehmers gefügt. Doch als das Leben zu einer monotonen Abfolge von Krawatte, Dienstgrad und Feierabendbier verkommt, erreicht Erwin einen Wendepunkt. Er bricht aus seinem Alltag aus, lässt alles hinter sich und verschwindet in die Wildnis, um die Freiheit wiederzufinden, die er verloren hat. Wirth schildert Erwins Ausbruch und die darauf folgende Flucht in die Natur mit einer eindringlichen Intensität, die den Leser von Anfang an in den Bann zieht.
Die wechselnden Perspektiven ermöglichen es uns, nicht nur Erwins innere Zerrissenheit nachzuvollziehen, sondern auch die Auswirkungen seines Handelns auf seine Familie zu spüren. Seine Frau und Kinder, die ihn kaum wiedererkennen, sind gezwungen, sich mit den Bruchstücken ihres eigenen Lebens auseinanderzusetzen, während Erwin immer tiefer in seine Isolation und schließlich in eine diagnostizierte Psychose abrutscht. Besonders beeindruckend ist, wie Wirth es schafft, ein komplexes Psychogramm zu zeichnen, das weit über die individuelle Geschichte hinausgeht. Sie stellt Fragen nach den gesellschaftlichen Erwartungen, nach den Zwängen, die uns definieren, und nach der erdrückenden Last, die Arbeit und Leistung in unserer modernen Welt darstellen. Durch Rückblenden in Erwins Vergangenheit und die sozialen Umstände seiner Familiengründung wird das Porträt eines Mannes gezeichnet, der zwischen seiner Sehnsucht nach Freiheit und den Anforderungen der Realität zerrieben wird. Die klare, prägnante Sprache und die psychologische Tiefe, mit der Wirth ihre Charaktere beleuchtet, machen „Findet mich“ zu einem außergewöhnlichen Leseerlebnis. Der Roman ist sowohl ein packender Thriller als auch eine tiefgründige Reflexion über die Grenzen, die wir uns selbst setzen, und die Suche nach einem Leben, das sich wirklich lohnt zu leben. „Findet mich“ ist ein Werk, das lange nachhallt und den Leser mit der Frage zurücklässt, wie viel von Erwin in jedem von uns steckt. Ein Muss für alle, die sich mit den Abgründen der menschlichen Psyche auseinandersetzen wollen.
UND WAS NUN?