mit dem für den Buchpreis nominierten Werk „Die Passagierin“ von Franz Friedrich.
// Es gibt Bücher, die sind wie eine Reise – eine, die du nicht mehr vergisst. „Die Passagierin“ von Franz Friedrich ist genau so ein Buch. Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2024, entführt uns dieser Roman in ein Sanatorium namens Kolchis, das irgendwo zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft liegt. Und was für eine Fahrt das ist! Heather kehrt nach Jahren an diesen seltsamen, melancholischen Ort zurück, ein Sanatorium, das einst eine Zuflucht war – oder zumindest so gedacht war. Kolchis, so erfahren wir, ist kein gewöhnliches Sanatorium. Es ist ein Relikt, ein Überbleibsel aus einer Zukunft, die längst zur Vergangenheit geworden ist. Evakuiert durch eine Zeitreise, lebt Heather mit einer Leere, die sich nur schwer beschreiben lässt: »Phantomerinnerungen«, die wie Geister durch ihre Gedanken streifen, Erinnerungen an ein Leben, das sie nie wirklich gekannt hat.
Aber was erwartet sie in Kolchis? Kein Ort des Trostes, das ist sicher. Das Sanatorium ist verfallen, ein Mahnmal der gescheiterten Hoffnungen. Die übrig gebliebenen Bewohner haben sich in ihre eigenen Welten zurückgezogen, als wollten sie das Verschwinden ihrer eigenen Zeit damit aufhalten. Und dann ist da Matthias – aus der Zeit der Bauernkriege verschleppt. Er wird für Heather zu einem Anker in dieser chaotischen Zwischenwelt. Durch ihn lernt sie, dass es nicht darum geht, aufzugeben, sondern darum, weiterzumachen, auch wenn der Abgrund näher rückt. Franz Friedrich schreibt mit einer Intensität, die den Leser unweigerlich in ihren Bann zieht. Seine Sprache ist wie das Ticken einer Uhr, die die Sekunden einer verlorenen Zukunft herunterzählt – poetisch, präzise und doch voller unerwarteter Wärme. Was dieser Roman so meisterhaft einfängt, ist die Frage: Was tun wir, wenn die Zukunft, die wir uns vorgestellt haben, nicht mehr existiert? Wenn wir gefangen sind zwischen dem, was hätte sein können, und dem, was ist? Die Stärke von „Die Passagierin“ liegt in ihrer Unberechenbarkeit, ihrer Fähigkeit, zwischen den Zeiten zu springen und uns dabei immer wieder aufs Neue zu überraschen. Friedrich entwirft eine Welt, in der die verpassten Chancen der Vergangenheit nie wirklich vergehen – sie nagen an uns, sie verfolgen uns, sie formen uns. Doch bei allem Schmerz und der düsteren Atmosphäre findet sich in diesem Buch auch immer wieder ein Funke Hoffnung, ein Streben nach Gemeinschaft und Veränderung. Am Ende ist „Die Passagierin“ nicht nur ein Buch über Zeitreisen, sondern auch über das, was es bedeutet, Mensch zu sein: verloren, suchend, immer im Kampf gegen die eigene Vergänglichkeit. Franz Friedrich hat einen Roman geschrieben, der uns mit Haut und Haaren verschlingt und uns nicht mehr loslässt. Ein Werk, das uns aufrüttelt und zum Nachdenken zwingt – und genau deshalb sollte es diesen Preis gewinnen.
UND WAS NUN?