mit den Werk „Innerstädtischer Tod“ von Christoph Peters.
// Christoph Peters hat mit „Innerstädtischer Tod“ einen Roman geschrieben, der wie ein scharfes Messer durch die dünne Haut unserer modernen Gesellschaft schneidet. Vergiss die klischeehaften Familientreffen und die üblichen Kunstgalerie-Szenen – was Peters hier entfaltet, ist ein kaleidoskopisches Bild unserer Zeit, eine gnadenlose Abrechnung mit den Verwerfungen, die in den Seelen und Straßen unserer Städte brodeln. Der 9. November 2022: Ein Datum, das für vieles steht, aber vor allem für Zerfall und Wandel. Während der russische Angriffskrieg auf die Ukraine die Nachrichten dominiert und die Menschen in Angst und Ungewissheit hüllt, treffen in Berlin die Mitglieder einer höchst eigentümlichen Familie aufeinander. Die Eröffnung der ersten Einzelausstellung von Fabian Kolb, einem jungen, aufstrebenden Künstler, ist der Anlass – doch das ist nur die Bühne, auf der ein viel größeres Drama gespielt wird.
Fabians Familie ist so bunt und zerrissen wie die Gesellschaft selbst: Da ist der Onkel Hermann Carius, ein abgehalfterter Ideologe der „Neuen Rechten“, der mehr an seiner Medienpräsenz als an seinem Neffen interessiert ist. Fabians Vater wiederum will die Ausstellung nutzen, um die Beziehungen zu Russland aufrechtzuerhalten – ein Vorhaben, das angesichts des Krieges nicht nur moralisch, sondern auch politisch mehr als fragwürdig ist. Und dann ist da Fabian selbst: ein Künstler, der plötzlich nicht mehr weiß, ob er den Preis, den die Kunstwelt von ihm verlangt, zahlen will. Die Luft wird immer dünner, als die Eröffnung näher rückt, und die verschiedenen Motive und Geheimnisse der Charaktere beginnen, wie dunkle Schatten in den hell erleuchteten Galerieräumen zu tanzen. Peters schafft es, uns Leser zu fesseln, ohne je den Zeigefinger zu heben. Seine Prosa ist gleichzeitig schneidend und humorvoll, ein Tanz auf dem Drahtseil zwischen bitterer Satire und aufrichtiger Verzweiflung. Er zwingt uns, hinzuschauen, hinzuhören, auch wenn es weh tut. Denn was hier passiert, ist mehr als nur eine Familiengeschichte – es ist eine Momentaufnahme einer Gesellschaft am Rande des Nervenzusammenbruchs. Die Handlung entfaltet sich wie eine tickende Zeitbombe, die Peters bis zur letzten Seite mit meisterhaftem Geschick entkorkt. Und ja, das Ende trifft wie ein Schlag in die Magengrube. „Innerstädtischer Tod“ ist kein Buch, das man leichtfertig liest und schnell vergisst – es bleibt haften, wie der Rauch einer abgebrannten Zigarette in einem geschlossenen Raum. Es zwingt uns, über die Abgründe in uns selbst nachzudenken, die wir so gerne ignorieren. Wer sich traut, einen Blick in den Spiegel der Gegenwart zu werfen und die Risse zu sehen, die unsere Gesellschaft durchziehen, der wird in „Innerstädtischer Tod“ eine erschreckende und zugleich tiefgründige Reflexion über unsere Zeit finden. Peters beweist sich einmal mehr als einer der scharfsinnigsten Schriftsteller unserer Generation – ein echter Seziermeister der deutschen Gegenwartsliteratur.
UND WAS NUN?