// aufgelesen vol. (5)14 – „no longer human“

mit dem Werk „No Longer Human“ von Osamu Dazai. // Wenn ihr auf der Suche nach einem Buch seid, das euch noch lange im Gedächtnis bleibt und das euch vielleicht sogar ein kleines bisschen verändert, dann solltet ihr mal folgendes Werk ausprobieren. Ich habe gerade „No Longer Human“ von Osamu Dazai verschlungen – und das […]

mit dem Werk „No Longer Human“ von Osamu Dazai.

// Wenn ihr auf der Suche nach einem Buch seid, das euch noch lange im Gedächtnis bleibt und das euch vielleicht sogar ein kleines bisschen verändert, dann solltet ihr mal folgendes Werk ausprobieren. Ich habe gerade „No Longer Human“ von Osamu Dazai verschlungen – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Dieses Werk ist nichts für schwache Nerven oder für Leser, die sich eine leichte Lektüre für den Strandurlaub wünschen. Das hier ist ein Seelenstriptease der härtesten Sorte. Der Protagonist, Yozo, ist kein Held, auch kein charmanter Antiheld, den man trotz seiner Fehler ins Herz schließt. Nein, Yozo ist anders. Von klein auf fühlt er sich wie ein Außenseiter, ein Fremder in der eigenen Familie und später auch in der Gesellschaft. Er jongliert mit seiner Identität wie ein trauriger Clown auf einer düsteren Bühne und findet erst Beachtung, wenn er sich in der Rolle des Spaßmachers verliert.

Aber der Humor, den er dabei an den Tag legt, ist bitter, fast giftig. Und je tiefer man in seine Erzählungen eintaucht, desto mehr merkt man: Hinter dem Lachen verbirgt sich ein Abgrund aus Verzweiflung und Schmerz. Die Übersetzung von Jürgen Stalph fängt das wunderbar ein. Sie bringt Dazais einzigartigen Mix aus sarkastischem Witz und melancholischer Tiefe perfekt rüber. Es ist, als ob man einen Dolch im Herzen spürt und gleichzeitig über den Wahnsinn des Lebens lachen muss. Die Sprache ist so klar und direkt, dass sie einen mitten ins Gesicht schlägt, während die Worte zugleich so zart sind, dass man das Gefühl hat, eine zerbrechliche Wahrheit in den Händen zu halten. Was Dazai hier macht, ist nichts weniger, als der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten. Er beleuchtet die Fragilität der menschlichen Existenz, unsere verzweifelte Suche nach Bedeutung und die vielen Masken, die wir im Laufe unseres Lebens tragen. Yozo entblößt sich auf eine Weise, die sowohl schmerzhaft als auch befreiend ist. Es ist, als ob man einen Menschen beobachtet, der sich selbst langsam in Stücke reißt, nur um zu sehen, was darunter liegt. Es gibt wenige Bücher bei denen man meint, dass sie gnadenlos ehrlich sind und zwar so sehr, dass es fast weh tut. „No Longer Human“ ist kein Buch, das man mal eben so nebenbei liest. Es fordert, es verlangt Aufmerksamkeit und es wird mit Sicherheit nicht jedem gefallen. Aber genau das macht es so besonders. Es ist nicht umsonst ein Kultbuch in Japan. Für diejenigen unter euch, die Dazai vielleicht noch nicht kennen: Dieses Buch ist der perfekte Einstieg in seine düstere, aber unglaublich fesselnde Welt. Und wenn ihr vielleicht bereits Fans des Manga-Künstlers Junji Ito seid, dann dürfte euch sicher interessieren, dass Ito Dazais Werk in seine eigenen Illustrationen übersetzt hat. Ich muss zugeben, ich habe die 157 Seiten in einem Rutsch durchgelesen. Nicht, weil es leicht war, sondern weil ich einfach nicht aufhören konnte. Es gibt nur wenige Bücher, die so eine Sogwirkung haben. Aber seid gewarnt: Yozo und seine Geschichte werden euch nicht so schnell loslassen. Sie kriechen unter die Haut, bohren sich in euer Herz und bleiben da, ob ihr wollt oder nicht.