mit dem Werk „Die Haut“ von Curzio Malaparte.
// Wenn ihr euch auf Die Haut von Curzio Malaparte einlasst, dann stellt euch darauf ein, dass ihr dieses Buch nicht mehr so schnell aus dem Kopf kriegt. Das Buch ist ein Blick in die dunkelsten Abgründe der Menschheit, und es tut weh, wirklich weh im wahrsten Sinne des Wortes. Aber es ist auch genau das, was es so faszinierend macht. Neapel, 1943. Italien liegt in Trümmern, moralisch und physisch, und Malaparte – sowohl der Autor als auch der Protagonist – nimmt uns mit auf eine Reise durch diese Hölle. Was für eine Kulisse! Trümmer, Tote, der Vesuv, der drohend über allem schwebt. Und inmitten dieses apokalyptischen Szenarios kämpfen die Menschen ums Überleben – Frauen und Männer verkaufen sich, Soldaten kaufen. Es geht nicht mehr nur um Waffen und Schlachten, sondern um den gnadenlosen Krieg um die Würde, oder was davon noch übrig ist. Malaparte ist zynisch und philosophisch zugleich, was diesen Roman so widersprüchlich packend macht.
Auf der einen Seite beschreibt er das Elend und die moralische Fäulnis mit einer Schärfe, die dir den Atem raubt. Auf der anderen Seite gibt es diese seltsam poetischen Passagen, wo du dich dabei ertappst, wie du fast vergisst, wie grausam die beschriebenen Szenen eigentlich sind. Das ist der Moment, wo du merkst, dass Die Haut viel mehr ist als nur eine historische Momentaufnahme. Es ist eine radikale Abrechnung mit dem Menschsein selbst – und vielleicht auch eine Warnung an uns alle. Malaparte stolpert durch diese Welt als Verbindungsoffizier, der auf der Seite der Sieger steht, aber gleichzeitig in der Rolle des Beobachters verharrt, der nicht wirklich dazugehören will. Das gibt dem Ganzen eine zynische Distanz, die jedoch immer wieder aufbricht, wenn Malaparte zu tief hineinsieht. Diese Doppelrolle zwischen Beteiligtem und Kommentator macht ihn zu einem der interessantesten Protagonisten, denen ich je begegnet bin. Er ist alles andere als ein Held, und gerade deshalb ist er so menschlich. Was mich aber wirklich umgehauen hat, sind die Bilder, die Malaparte mit seiner Sprache malt. Es sind keine leichten, schönen Bilder. Es sind schreckliche, aber gleichzeitig unvergessliche Darstellungen der Zerstörung. Die Stadt Neapel selbst wird zu einer Art lebendigem Wesen, das ebenso leidet wie die Menschen darin. Und dann der Ausbruch des Vesuvs – ein Naturereignis, das fast wie eine Art Katharsis wirkt, als ob die Natur selbst schreit: „Es reicht!“ Wer nach einem traditionellen Kriegsroman sucht, wird hier nicht fündig. Die Haut ist alles andere als konventionell. Es ist philosophisch, es ist tiefschwarz und schmerzhaft ehrlich. Es gibt keinen Glanz, keine heroischen Schlachten. Stattdessen gibt es jede Menge moralische Abgründe und das beklemmende Gefühl, dass der Mensch in Extremsituationen zu allem fähig ist. In einer Zeit, in der uns die Nachrichten täglich mit neuen Konflikten konfrontieren, fühlt sich dieses Buch bedrückend aktuell an. Es ist fast, als ob Malaparte uns mit einer Zeitmaschine in die Vergangenheit schleudert, nur um uns zu zeigen, dass sich im Kern nicht viel geändert hat. Die Konflikte mögen andere sein, die Mechanismen, wie der Krieg die Seele frisst, sind jedoch zeitlos. Wenn ihr etwas lesen wollt, das euch herausfordert und lange nachhallt, dann ist Die Haut definitiv das richtige Buch. Aber seid gewarnt: Es wird euch nicht schonen. Es ist ein Schlag in die Magengrube der Menschlichkeit – und vielleicht gerade deshalb so notwendig. Curzio Malaparte ist mit Die Haut ein literarisches Meisterwerk gelungen, das einen gnadenlosen Blick auf Krieg und Menschlichkeit wirft. Kein Buch für schwache Nerven, aber ein absoluter Pflichtstoff für alle, die bereit sind, sich der dunklen Seite der Geschichte und des Menschen zu stellen.
UND WAS NUN?