// werktag vol. (1)60 – „atlas der ki“

mit dem Werk „Atlas Der KI“ von Kate Crawford. // Wenn man an künstliche Intelligenz denkt, stellen sich viele eine futuristische, fast magische Technologie vor, die irgendwie schlau, aber schwer greifbar ist. Kate Crawfords Atlas der KI räumt mit dieser Vorstellung auf – und wie! Sie nimmt uns mit auf eine Reise, die sich als […]

mit dem Werk „Atlas Der KI“ von Kate Crawford.

// Wenn man an künstliche Intelligenz denkt, stellen sich viele eine futuristische, fast magische Technologie vor, die irgendwie schlau, aber schwer greifbar ist. Kate Crawfords Atlas der KI räumt mit dieser Vorstellung auf – und wie! Sie nimmt uns mit auf eine Reise, die sich als viel greifbarer, aber auch als weitaus düsterer herausstellt, als man vielleicht erwarten würde. Denn Crawford zeigt in ihrem Buch, dass KI weit weniger „intelligent“ und „künstlich“ ist, als der Begriff suggeriert, sondern eher eine brutale, ausbeuterische Industrie, die ihre Wurzeln tief in unserer Erde und Gesellschaft verankert hat. Schon der Titel des Buches ist ein genialer Schachzug: ein „Atlas“ der KI. Denn hier wird wortwörtlich kartiert, woher diese Technologie stammt – von Lithiumminen, in denen Menschen für den Abbau der Rohstoffe schuften, bis hin zu den riesigen Serverfarmen, die täglich unglaubliche Mengen an Strom verbrauchen. KI ist nicht irgendein abstraktes Gebilde aus Code und Algorithmen, sondern sie hat eine handfeste, physische Realität, die uns alle betrifft – ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Das Buch beginnt mit einem Kapitel, das mich besonders gepackt hat: der Erkundung der Ressourcen, die hinter der KI stecken. Crawford führt uns zu den Orten, an denen die Rohstoffe für die Herstellung von KI-Systemen und Computern extrahiert werden.

Da wird schnell klar, dass die Entwicklung von künstlicher Intelligenz auf der Ausbeutung von Natur und Menschen basiert. Es sind die Arbeiter*innen in den Minen und Fabriken, die den Preis zahlen, während große Tech-Konzerne Milliardengewinne einfahren. Diese Perspektive hat mir wirklich die Augen geöffnet – KI ist nicht einfach nur eine Software auf meinem Smartphone, sie ist ein globales System von Ungerechtigkeiten. Aber Crawford bleibt nicht dabei stehen, uns nur die ökologischen und sozialen Folgen von KI aufzuzeigen. Sie taucht auch tief in die politischen und ethischen Fragen ein, die damit verbunden sind. Besonders beängstigend fand ich ihre Schilderungen zur Verwendung von KI in der Kriegsführung. Das Pentagon und andere militärische Akteure nutzen bereits KI-Systeme, um Kriege zu führen und zu gewinnen – und das auf eine Weise, die oft weit außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung stattfindet. Es macht einem klar, dass KI nicht nur in unser Privatleben, sondern auch in geopolitische Machtkämpfe verstrickt ist. Crawfords Schreibstil ist dabei erfrischend klar und zugänglich. Sie schreibt weder wie eine trockene Wissenschaftlerin noch verliert sie sich in unnötig komplizierten technischen Details. Stattdessen geht es ihr darum, uns die Auswirkungen von KI auf unser Leben und unsere Umwelt zu verdeutlichen – und das tut sie mit beeindruckender Präzision. Ihre Argumente sind scharf und pointiert, aber auch sehr menschlich. Sie setzt sich mit denjenigen auseinander, die am meisten von der KI-Industrie betroffen sind: Arbeiter*innen, indigene Völker, Frauen und marginalisierte Gruppen. Was mir besonders gefallen hat, ist, dass Atlas der KI nicht nur ein düsteres Bild zeichnet, sondern auch zum Nachdenken anregt: Wie wollen wir als Gesellschaft mit dieser Technologie umgehen? Wie können wir die Macht, die in den Händen weniger großer Tech-Konzerne liegt, wieder zurückerlangen? Crawford liefert keine einfachen Antworten, aber sie eröffnet den Raum für eine dringend notwendige Diskussion. Insgesamt ist Atlas der KI eines der wichtigsten Bücher, das ich in letzter Zeit gelesen habe. Es rückt die Technologie, die viele als Fortschritt feiern, in ein neues, ernüchterndes Licht und zeigt auf, dass wir viel kritischer hinschauen müssen. Die Vorstellung, dass KI eine neutrale oder gar „intelligente“ Kraft ist, wird hier vollkommen dekonstruiert. Stattdessen bleibt man am Ende des Buches mit einer zentralen Frage zurück: Welchen Preis sind wir bereit zu zahlen – für den Fortschritt und für die KI? Wenn du also bereit bist, deine Sicht auf KI und die Tech-Industrie gründlich zu hinterfragen, dann greif unbedingt zu diesem Buch. Crawford liefert eine fundierte Analyse, die dich nachdenklich zurücklässt – und die dir klar macht, dass künstliche Intelligenz viel mehr ist als nur eine Ansammlung von Code.