// aufgelesen vol. (5)35 – „die welt wartet“

mit dem Werk „Die Welt wartet“ von Christiane Neudecker. // „Die Welt wartet“ von Christiane Neudecker ist ein Buch, das mich auf beklemmende und faszinierende Weise in seinen Bann gezogen hat. Diese Sammlung von sieben düsteren Geschichten fühlt sich wie ein Blick in einen Spiegel an, der das Alltägliche mit unheimlichen, kaum fassbaren Schatten überzieht. […]

mit dem Werk „Die Welt wartet“ von Christiane Neudecker.

// „Die Welt wartet“ von Christiane Neudecker ist ein Buch, das mich auf beklemmende und faszinierende Weise in seinen Bann gezogen hat. Diese Sammlung von sieben düsteren Geschichten fühlt sich wie ein Blick in einen Spiegel an, der das Alltägliche mit unheimlichen, kaum fassbaren Schatten überzieht. Neudecker versteht es meisterhaft, das Gewöhnliche zu verdrehen und in das Ungewohnte, manchmal sogar Grausame zu verwandeln, sodass man nie sicher ist, was als Nächstes kommen könnte. Jede Geschichte spielt mit diesem Gefühl des latenten Unheils, das wie ein dunkler Schleier über der Realität hängt. Besonders eindrucksvoll fand ich die Erzählung über ein Gemälde, das finstere Absichten gegen seine Käuferin hegt – das Bild wird hier fast zu einer lebendigen Figur, und diese ungewöhnliche Bedrohung entwickelt eine gruselige Dynamik.

Auch die Erzählung über eine Schriftstellerin, die sich in einer perfekten, aber merkwürdig sterilen KI-Welt verliert, bleibt lange nach dem Lesen in den Gedanken haften. Die unheimliche Nähe zu unserer eigenen digitalisierten Welt schafft hier eine bedrückende Atmosphäre, die so real wirkt, dass man sich beim Lesen selbst überwacht fühlt. Neudecker schreibt mit einer Präzision und Klarheit, die die Abgründe in ihren Geschichten umso wirkungsvoller macht. Der Horror hier ist subtil, leise und dennoch spürbar – sie lässt das Unheimliche direkt unter der Oberfläche des Alltags brodeln, sodass man es förmlich fühlen kann. Oft hatte ich beim Lesen das Gefühl, dass das Unbekannte nur einen Atemzug entfernt ist und jederzeit in meinen Alltag dringen könnte. Besonders spannend ist, wie sie aktuelle Themen wie die postpandemische Welt und die digitale Überwachungskultur geschickt in ihre unheimlichen Geschichten einwebt. Das Buch erinnert an Werke von Ottessa Moshfegh und Margaret Atwood und fühlt sich gleichzeitig wie eine Hommage an klassische Gruselgeschichten von E.T.A. Hoffmann an. „Die Welt wartet“ ist also nicht nur eine Sammlung von Erzählungen, sondern eine Reise durch die Schatten unserer eigenen modernen Welt – eine Welt, in der das Unfassbare sich plötzlich greifbar macht. Für alle, die sich für literarischen Horror und feinsinnigen Grusel begeistern, ist dieses Buch eine großartige Entdeckung. Christiane Neudecker schafft es, uns den Alltag auf subtile Weise fremd und unheimlich zu machen, und das Buch lässt einen nachdenklich und leicht beunruhigt zurück – ein Schauder, der bleibt.