// aufgelesen vol. (5)36 – „die kurze und schreckliche regentschaft von phil“

mit dem Werk „Die kurze und schreckliche Regentschaft von Phil“ von George Saunders. // „Die kurze und schreckliche Regentschaft von Phil“ ist eine schräge, verstörende Satire, die man in einem Rutsch durchliest und dann erstmal verdauen muss. George Saunders gelingt es in nur 137 Seiten, eine Geschichte zu erzählen, die einem zugleich ein unbehagliches Lächeln […]

mit dem Werk „Die kurze und schreckliche Regentschaft von Phil“ von George Saunders.

// „Die kurze und schreckliche Regentschaft von Phil“ ist eine schräge, verstörende Satire, die man in einem Rutsch durchliest und dann erstmal verdauen muss. George Saunders gelingt es in nur 137 Seiten, eine Geschichte zu erzählen, die einem zugleich ein unbehagliches Lächeln und eine Gänsehaut beschert. Der Roman liest sich wie eine Parabel unserer Zeit und hält uns durch seine groteske Erzählweise schonungslos den Spiegel vor. Die Geschichte spielt in dem winzigen Land Innen-Horner, einem so seltsam konstruierten Ort, dass dort nur eine Person gleichzeitig Platz findet. Der Rest der Bevölkerung wartet in der sogenannten Kurzzeitaufenthaltszone von Außen-Horner – schon dieser absurde Umstand ist ebenso komisch wie unbehaglich. Doch der schrumpfende Lebensraum in Innen-Horner und die verzweifelte Lage der „Nicht-Einheimischen“ führt zu einem Konflikt, den Phil, ein überheblicher und machtbesessener Anführer, skrupellos für seine eigenen Zwecke ausnutzt.

Die Katastrophe nimmt ihren Lauf, und wir erleben, wie in kürzester Zeit ein ungleiches Machtspiel zum totalen Chaos führt. Saunders‘ Stil ist trocken, präzise und punktgenau. Jede Zeile sitzt und schafft es, gleichzeitig zum Schmunzeln und zum Nachdenken zu bringen. Manchmal fühlte ich mich beim Lesen erwischt: Der Wahnsinn, den Phil und seine Anhänger entfesseln, hat so viele erschreckende Parallelen zur Realität, dass man die Grenze zwischen Fantasie und Wirklichkeit zeitweise nicht mehr spürt. Wie Saunders komplexe Themen wie Populismus, Rassismus und Machtmissbrauch in einem so ungewöhnlichen Setting verpackt, ist genial und – ja, da muss ich Zadie Smith recht geben – regelrecht moralisch leidenschaftlich. Dieses Buch wird mich noch lange beschäftigen. Es zeigt mit bissigem Humor und bitterschwarzem Witz, wie schnell sich der Mensch manipulieren lässt und zu welchen Gräueltaten er fähig ist, wenn Angst und Hass regieren. Saunders schafft es mit Phil, eine verstörende Momentaufnahme unserer Gesellschaft zu liefern, und das, obwohl (oder gerade weil) das Szenario so surreal und absurd daherkommt. Wer Lust auf eine messerscharfe, dystopische Satire hat, die weniger durch Worte und mehr durch Wirkung lange nachhallt, dem kann ich Die kurze und schreckliche Regentschaft von Phil nur wärmstens empfehlen. Es ist ein kurzes Buch, aber ein sehr scharfes, das die moderne Welt mit all ihren Widersprüchen spiegelt.