// aufgelesen vol. (5)43 – „rath“

mit dem Werk „Rath“ von Volker Kutscher. // Mit Rath knüpft Volker Kutscher nahtlos an die komplexe, düstere Welt seiner Gereon-Rath-Reihe an und liefert im zehnten Band ein atmosphärisch dichtes Bild Berlins in der Zeit des heraufziehenden Zweiten Weltkriegs. Gereon, der totgeglaubt war, ist aus seinem Versteck im Ausland nach Deutschland zurückgekehrt, um an der […]

mit dem Werk „Rath“ von Volker Kutscher.

// Mit Rath knüpft Volker Kutscher nahtlos an die komplexe, düstere Welt seiner Gereon-Rath-Reihe an und liefert im zehnten Band ein atmosphärisch dichtes Bild Berlins in der Zeit des heraufziehenden Zweiten Weltkriegs. Gereon, der totgeglaubt war, ist aus seinem Versteck im Ausland nach Deutschland zurückgekehrt, um an der Seite seines sterbenden Vaters zu sein. Doch diese vermeintliche Ruhe im Rheinland wird jäh gestört, als Gereon von Charlottes mysteriösem Verschwinden erfährt. Seine Frau, die inzwischen eigenständig in Berlin ermittelt, ist in den Mord an einem Hitlerjungen verwickelt – und Gereon weiß, dass ihr jede Minute in diesem gefährlichen Umfeld zum Verhängnis werden könnte. Gegen alle Vernunft und jede Vorsicht macht er sich auf den riskanten Weg in die Hauptstadt des Dritten Reichs, die ihm längst fremd und feindlich geworden ist.

Kutscher versteht es meisterhaft, die innere Zerrissenheit und wachsende Verzweiflung seiner Figuren in Worte zu fassen. In einer Stadt, die von Angst, Verrat und Misstrauen durchzogen ist, wird jede Entscheidung zu einer Gratwanderung zwischen Leben und Tod. Besonders beeindruckend ist, wie der Autor die allumfassende Bedrohung des Nazi-Regimes greifbar macht. Gereon ist gezwungen, sich in einem Berlin zu bewegen, das mehr und mehr von Überwachung, Denunziation und der allgegenwärtigen Ideologie durchsetzt ist. Die beklemmende Atmosphäre wirkt beinahe wie ein eigener Charakter im Buch, der durch Kutschers lebendige Beschreibungen und seine Fähigkeit, historische Details kunstvoll einfließen zu lassen, auf jeder Seite präsent ist. Die Gereon-Rath-Reihe, die mit Der nasse Fisch 2007 ihren Anfang nahm, hat sich schnell zu einer der beliebtesten Krimiserien im deutschsprachigen Raum entwickelt. Der erste Band führt den Leser in das Jahr 1929 zurück, in ein Berlin, das in den letzten Zügen der Weimarer Republik steht, eine pulsierende Metropole zwischen Glanz und Abgrund. Der junge Kommissar Gereon Rath wird zu einer faszinierenden und facettenreichen Figur, deren moralische Konflikte und Ambitionen ihn durch die gesamte Serie begleiten. Mit jedem weiteren Band zeichnete Kutscher nicht nur ein atmosphärisch dichtes Bild der Kriminalfälle, sondern auch ein intensives Zeitporträt, das den Leser tief in die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen eintauchen lässt, die das Deutschland dieser Jahre prägten. Inmitten des aufsteigenden Nazi-Regimes versucht Rath, seine Integrität zu bewahren – ein Balanceakt, der im Verlauf der Reihe zunehmend unmöglich erscheint. Die Popularität der Bücher führte schließlich zur aufwendigen Verfilmung in der Serie Babylon Berlin, die weltweit gefeiert wird. Die Serie nahm sich die Freiheit, Kutschers Welt in einem bildgewaltigen, opulenten Stil darzustellen, und wurde zu einem riesigen Erfolg, der die schillernden wie dunklen Seiten der 1920er und 1930er Jahre nach außen trug. Dank der Verfilmung wurde das komplexe Leben Gereon Raths einem breiten Publikum zugänglich gemacht, das in den opulenten Szenen von Babylon Berlin die Stimmung dieser historischen Epoche erlebte. Rath führt uns nun in das Jahr 1938 und an einen kritischen Punkt für Gereon, Charlotte und all jene, die nicht in die Ideologie des Regimes passen. Der Roman bleibt auf allen Ebenen packend und ist gleichzeitig eine schonungslose Darstellung eines Systems, das jegliches Vertrauen untergräbt und Menschen dazu zwingt, ihre Überzeugungen aufzugeben oder sie teuer zu bezahlen. Volker Kutscher hat mit diesem zehnten Band einen Höhepunkt erreicht, der sowohl die düstere Tiefe seiner Charaktere als auch die historische Genauigkeit, die die Serie so fesselnd macht, vereint. Wer Rath liest, wird nicht nur in die Geschichte einer spannenden Ermittlung gezogen, sondern auch in ein packendes, beängstigendes Zeitbild, das die Frage aufwirft, wie weit der Mensch bereit ist zu gehen, um inmitten des Bösen zu überleben.