// aufgelesen vol. (5)48 – „der weibliche vampir“

mit dem Werk „Carmilla – Der weibliche Vampir“ von Sheridan Le Fanu. // Sheridan Le Fanus Carmilla ist ein zeitloses Meisterwerk, das den Leser mit seiner düsteren Atmosphäre, subtilen Erotik und faszinierenden Erzählweise in den Bann zieht. Als einer der ersten Vampirromane der Literaturgeschichte stellt Carmilla eine stilistische und thematische Blaupause für das gesamte Genre […]

mit dem Werk „Carmilla – Der weibliche Vampir“ von Sheridan Le Fanu.

// Sheridan Le Fanus Carmilla ist ein zeitloses Meisterwerk, das den Leser mit seiner düsteren Atmosphäre, subtilen Erotik und faszinierenden Erzählweise in den Bann zieht. Als einer der ersten Vampirromane der Literaturgeschichte stellt Carmilla eine stilistische und thematische Blaupause für das gesamte Genre dar, und doch bewahrt es eine Eigenständigkeit, die auch 150 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung besticht. Diese neue Ausgabe von Klett-Cotta, meisterhaft übersetzt von Eike Schönfeld, bringt das viktorianische Grauen in sprachlicher Eleganz ins Deutsche. Die Handlung entfaltet sich in der abgeschiedenen Steiermark, auf dem Schloss Karnstein, wo Laura, die junge Protagonistin, mit ihrem Vater lebt. Das idyllische, aber isolierte Leben wird durch die mysteriöse Ankunft der wunderschönen und undurchschaubaren Carmilla erschüttert.

Was als Freundschaft zwischen den beiden jungen Frauen beginnt, entwickelt sich zu einer intensiven Beziehung, die von einer beunruhigenden Mischung aus Faszination, Begehren und unausgesprochenem Grauen durchzogen ist. Carmilla ist mehr als nur eine Freundin – sie ist ein Rätsel, eine Bedrohung, eine Verführerin und letztlich ein Monster, das sich von Lauras Lebensenergie nährt. Le Fanu gelingt es, eine Atmosphäre zu schaffen, die ebenso beklemmend wie betörend ist. Die Beschreibungen der österreichischen Landschaft und des Schlosses sind von einer gotischen Schönheit, die die Isolation und das Geheimnisvolle der Geschichte unterstreichen. Die Erzählung selbst, aus Lauras Sicht in Rückschau präsentiert, verleiht dem Geschehen eine intime und zugleich unzuverlässige Perspektive, die den Leser immer wieder zwischen Mitleid, Abscheu und Mitgefühl hin- und herreißt. Besonders beeindruckend ist, wie Le Fanu mit Subtext und Andeutungen arbeitet. Die erotische Spannung zwischen Laura und Carmilla ist unübersehbar, aber nie explizit, was der Geschichte eine zeitlose Eleganz verleiht. Gleichzeitig ist der Text durchzogen von viktorianischen Ängsten vor weiblicher Sexualität, Fremdheit und gesellschaftlicher Konvention, die Carmilla zu einer Figur machen, die sowohl anziehend als auch unheimlich ist. Eike Schönfelds Übersetzung bewahrt die sprachliche Raffinesse des Originals und bringt die schwebende Spannung und das poetische Grauen meisterhaft ins Deutsche. Die sorgfältige Neuauflage mit bedrucktem Vorsatz und edlem Einband macht dieses Buch zu einem wahren Schatz für Literatur- und Gothic-Fans. Carmilla ist weit mehr als ein Vorläufer von Dracula – es ist ein eigenständiges literarisches Kunstwerk, das mit seiner Mischung aus Horror und Romantik, seiner psychologischen Tiefe und seiner ästhetischen Gestaltung bleibenden Eindruck hinterlässt. Diese neue Ausgabe bietet die perfekte Gelegenheit, einen Klassiker zu entdecken oder neu zu erleben, der immer noch so lebendig ist wie die unsterbliche Carmilla selbst. Ein absolutes Muss für Liebhaber der dunklen Literatur.