mit dem Werk „Abschiede von Mutter“ von Gian-Marco Schmid.

// „Abschiede von Mutter“ ist ein tief berührendes, intensives und mutiges Werk, das den Leser auf eine emotionale Achterbahnfahrt mitnimmt. Der autobiografische Text von Gian-Marco Schmid ist alles andere als ein einfacher Erinnerungsbericht – es ist ein schonungslos offener Blick auf den Verlust einer Mutter, der nicht nur den Tod betrifft, sondern auch das ständige Ringen mit der Sucht und den zerstörerischen Auswirkungen auf das Leben eines Kindes. In diesem Buch spürt man die Verzweiflung und das Unvermögen, etwas gegen das Unaufhaltsame zu tun, und gleichzeitig eine tiefe, vielleicht sogar unaufhebbare, Liebe. Der Autor wählt für „Abschiede von Mutter“ die Form eines Tagebuchs, das die Tage und Monate nach dem Tod seiner Mutter dokumentiert. Es ist ein Text, der zwischen einer Abschiedserklärung und einer Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit schwankt. Schmid spricht von den schmerzhaften, wiederholten Abschieden, die er von seiner Mutter nehmen musste, noch lange bevor der Tod sie endgültig von ihm nahm.
Diese wiederholten „Abschiede“ sind nicht nur der Verlust einer geliebten Person, sondern auch das fortwährende Auseinanderbrechen einer Beziehung, die von der Zerstörung durch die Sucht geprägt war. In den Rückblicken auf die Kindheit des Autors erfährt der Leser von der Liebe zu einer Mutter, die immer auch von einer tiefen Naivität begleitet war – der Hoffnung auf eine Veränderung, auf das „normale“ Leben. Doch die Realität, geprägt von der Sucht der Mutter, wird immer wieder in den Vordergrund gerückt. Die Bilder aus der Kindheit sind von Widersprüchlichkeiten durchzogen: Die Mutter, die Liebe und Fürsorge zeigt, aber gleichzeitig von der übermächtigen Droge des Alkohols kontrolliert wird. Schmid schildert diese Momente mit einer schonungslosen Klarheit, die den Leser zugleich mitfühlen und entsetzen lässt. Besonders eindrucksvoll ist, wie der Autor die Wandlung seiner eigenen Wahrnehmung schildert. Zunächst gibt es die kindliche Hoffnung, dass alles besser wird, dass die Mutter sich ändern könnte. Doch mit der Zeit bleibt nur noch die Wut über ihre Unfähigkeit, die Sucht zu überwinden, und das Entsetzen darüber, wie sehr sie ihn und die ganze Familie in diese Spirale mit hineinzieht. Der Alkohol wird zu einem übermächtigen Gegner, gegen den es keine wirklichen Waffen zu geben scheint – weder Liebe noch Verständnis, noch die zahllosen Versuche, sie zu retten. Schmid verzichtet bewusst auf einfache Lösungen oder sentimentale Verklärungen. Das Buch ist kein Trostspender, sondern ein direkter Blick in eine schwierige und erschütternde Realität. Die Tragik der Sucht wird in seiner ganzen Deutlichkeit und Brutalität gezeigt, aber ohne den moralischen Fingerzeig, den man oft in solchen Erzählungen findet. Es ist ein sehr persönlicher und daher besonders authentischer Blick auf die Zerrissenheit der Familie, die von der Sucht zerrüttet wird. Was „Abschiede von Mutter“ jedoch besonders macht, ist die Art und Weise, wie Schmid die Sprache als Werkzeug nutzt, um diese intensiven Erfahrungen zu vermitteln. Die Tagebucheinträge wirken in ihrer nüchternen, fast dokumentarischen Art, während sie gleichzeitig einen enormen emotionalen Tiefgang erreichen. Schmid spielt mit der Form und schafft es, die Spannung zwischen der nüchternen Analyse und der emotionalen Wucht der Erlebnisse aufrechtzuerhalten. Die Rückblenden in die Kindheit sind fein gezeichnet und ermöglichen es dem Leser, sich in die Perspektive des kleinen Jungen zu versetzen, der von seiner Mutter enttäuscht und verletzt wird, während er gleichzeitig an ihrer Liebe festhält. „Abschiede von Mutter“ ist ein Plädoyer für die Anerkennung der schmerzhaften Wahrheit. Die Sucht als „übermächtiger Gegner“ wird nicht nur als persönliches Problem des Opfers dargestellt, sondern als eine gesellschaftliche Realität, die ganze Familien in den Abgrund reißen kann. Doch auch in dieser Dunkelheit ist die Liebe immer spürbar – nicht als ein heiliger Zustand, sondern als eine der wenigen verbliebenen Triebfedern des Autors. Schmid beschreibt die Trauer über den Verlust seiner Mutter nicht nur als einen Abschied durch den Tod, sondern als einen ständigen Abschied, der schon lange vorher begonnen hat. Dieses Buch ist keine einfache Lektüre, aber eine unheimlich wertvolle. Es ist ein echtes und kraftvolles Zeugnis über das Leben mit einer süchtigen Mutter und den Kampf, mit dieser Realität zu leben. Schmid fordert den Leser heraus, sich mit der Unmöglichkeit der Rettung auseinanderzusetzen, und hinterfragt dabei auch die Grenzen von Liebe und Verantwortung. Es ist ein Buch, das sowohl erschüttert als auch zum Nachdenken anregt – ein Werk, das lange nachwirkt. „Abschiede von Mutter“ ist ein außergewöhnliches Buch, das tiefe Emotionen weckt und in seiner schlichten Direktheit eine Wucht entfaltet, die einem den Atem raubt. Es ist ein literarischer Schrei gegen die Sucht und ein emotionales Plädoyer für die Zerrissenheit einer Familie, die unter ihr leidet. Ein Buch, das man nicht so schnell vergisst.
UND WAS NUN?