mit dem Werk „A Dowry Of Blood“ von S.T. Gibson.

// Es kommt nicht oft vor, dass ein Roman so einen Sog entwickelt, so nachhaltig erschüttert und gleichzeitig so sprachlich betört, wie diese düstere, leidenschaftlich-poetische Neuerzählung der Dracula-Legende – erzählt aus einer Perspektive, die bislang im Schatten lag: der seiner ersten Braut. Gibson nimmt uns mit in die Gedankenwelt von Constanta, einer einfachen Bäuerin, die kurz vor ihrem Tod von einem blutdürstigen Unsterblichen gerettet – oder verflucht – wird. Aus dem Nichts wird sie zur Braut eines Mannes, der mehr Schatten als Mensch ist. Anfangs voller Hingabe und Ergebenheit, verschmilzt sie fast mit seiner düsteren Macht, berauscht vom Versprechen ewiger Liebe und Stärke. Doch dieses Versprechen wird schnell brüchig – und S.T. Gibson versteht es meisterhaft, diese Entwicklung subtil und intensiv zu erzählen. Was A Dowry of Blood so besonders macht, ist nicht nur die neue Perspektive auf die berühmte Dracula-Geschichte, sondern die literarische Wucht, mit der sie erzählt wird.
Der Roman ist vollständig als eine Art Abschiedsbrief Constantas an ihren „Ehemann“ verfasst – intim, schmerzhaft, poetisch, oft wunderschön formuliert und zugleich schwer zu ertragen. Denn was sich hier entfaltet, ist eine Geschichte über narzisstischen Missbrauch, emotionale Abhängigkeit, Gaslighting – all das in einem historischen, sinnlich aufgeladenen Gewand, das nie ins Kitschige oder Moralisierende abgleitet. Die beiden weiteren Geliebten – Magdalena, eine stolze spanische Aristokratin, und Alexi, ein empfindsamer Künstler mit flammendem Herzen – bringen nicht nur neue Dynamiken in die Konstellation, sondern fungieren als Spiegel der Entfremdung und des Widerstands. Sie eröffnen Constanta nicht nur neue Sichtweisen, sondern auch die Möglichkeit zur Liebe jenseits der Gewalt, zur Solidarität im Schmerz, zur Rebellion im Schatten der Unsterblichkeit. Was mich beim Lesen besonders bewegt hat, ist, wie der Roman das Thema Macht verhandelt. Es geht nicht um Blut und Bisse allein – sondern um Kontrolle, um Manipulation, um den schmalen Grat zwischen Hingabe und Auslöschung. Und gleichzeitig geht es um das Wiederfinden der eigenen Stimme. Um das Entdecken einer Freiheit, die sich nicht durch Flucht, sondern durch Konfrontation vollzieht. Auch sprachlich ist dieses Buch ein Kunstwerk. Jede Zeile wirkt sorgfältig gesetzt, lyrisch verdichtet, mit einem Hauch von Gothic-Romantik, der an Anne Rice oder Emily Brontë erinnert, aber zugleich so modern wirkt wie ein flammender Essay über toxische Beziehungen. Man spürt in jeder Silbe, dass Gibson eine Poetin ist, die mit Sprache ebenso betören wie erschrecken will. Die deutsche Ausgabe bei Cross Cult ist ebenso gelungen. Die Übersetzung von Isabelle Gore transportiert den Stil sensibel und kraftvoll zugleich. Das Buch selbst liegt angenehm in der Hand – broschiert, mit einem stimmungsvoll gestalteten Textbeileger, der das Leseerlebnis schön abrundet. A Dowry of Blood ist kein klassischer Vampirroman, sondern eine radikale Dekonstruktion des Mythos. Ein feministischer Befreiungsschrei, getränkt in Blut, Sehnsucht und Melancholie. Für mich war es eine sehr intensive Lektüre – düster, sinnlich, erschütternd und am Ende: befreiend. Ein Roman, der bleibt. Wie eine Narbe. Oder ein Kuss, den man nie vergisst.
UND WAS NUN?