// werktag vol. (1)69 – „hase und ich“

mit den Werk „Hase und ich“ von Chloe Dalton. // Ich gebe zu: Ich war skeptisch. Ein Buch über die Freundschaft zwischen einer Frau und einem Feldhasen? Klingt erst einmal nach einem süßen Nischenbuch, vielleicht ein bisschen zu viel Herz, ein bisschen zu wenig Substanz. Doch Hase und ich hat mich von der ersten Seite […]

mit den Werk „Hase und ich“ von Chloe Dalton.

// Ich gebe zu: Ich war skeptisch. Ein Buch über die Freundschaft zwischen einer Frau und einem Feldhasen? Klingt erst einmal nach einem süßen Nischenbuch, vielleicht ein bisschen zu viel Herz, ein bisschen zu wenig Substanz. Doch Hase und ich hat mich von der ersten Seite an eines Besseren belehrt – und am Ende tief berührt zurückgelassen. Es ist nicht nur ein Buch über ein Tier. Es ist ein Buch über Verbindung, über Fürsorge, Verletzlichkeit, Verantwortung – und letztlich auch über Hoffnung in einer Welt, die oft zu schnell, zu laut, zu gleichgültig ist. Chloe Dalton schreibt mit einer Ehrlichkeit, die manchmal fast wehtut. Da ist nichts Kitschiges an ihrer Geschichte, obwohl sie voller Zärtlichkeit ist. Es beginnt alles ganz unspektakulär: Ein winziges Hasenbaby, mutterlos und hilflos, wird von ihr gefunden. Statt es einem Wildtierzentrum zu übergeben, entscheidet sie sich – zunächst zögerlich, dann mit immer mehr Herzblut –, sich selbst um das Wesen zu kümmern. Und dieses Wesen, das sie Hare nennt, wird bald mehr als nur ein Pflegefall. Es wird ein Mitbewohner. Ein Spiegel. Ein Gefährte. Was das Buch so besonders macht, ist die Art, wie Chloe Dalton erzählt: ruhig, beobachtend, klug. Sie romantisiert nichts, sie beschönigt nicht.

Ein Feldhase ist kein Kuscheltier. Er ist wild. Er ist sensibel. Er ist unberechenbar. Und gerade deshalb ist das Vertrauen, das zwischen Dalton und Hare wächst, so außergewöhnlich. Das Buch ist durchzogen von kleinen Momenten, die einen regelrecht schlucken lassen: Hare, der sich in einer Ecke versteckt, verstört vom Lärm draußen. Dalton, die nachts stundenlang wach bleibt, weil sie glaubt, das Tier könnte krank sein. Und irgendwann, viele Monate später, dieser fast magische Moment, in dem Hare aus der Wildnis zurückkehrt, weil er gerufen wird – nicht gezähmt, aber verbunden. Was ich nicht erwartet hatte, war die Tiefe, mit der Hase und ich auch über den Menschen erzählt. Über Einsamkeit. Über mentale Erschöpfung. Über das Gefühl, in dieser Welt manchmal keinen Platz zu finden – und wie ein anderes Lebewesen, ganz ohne Worte, einem doch genau diesen Platz zeigen kann. Dalton schreibt über ihre eigenen Unsicherheiten, über das Scheitern, über das Ringen mit dem Alltag. Und sie schreibt darüber, wie ein Tier, das sich nicht anpassen will, ihr dabei hilft, sich selbst nicht mehr zu verbiegen. Es ist ein leises Buch, aber keineswegs langweilig. Vielmehr ist es durchzogen von einer ganz eigenen Spannung – dieser Frage: Wird Hare bleiben? Wird er irgendwann ganz gehen? Und was bleibt, wenn er das tut? Man liest weiter, weil man wissen will, wie diese fragile Freundschaft sich entwickelt. Und man liest weiter, weil man sich selbst immer wieder in Daltons Beobachtungen wiederfindet – im Versuch, Kontrolle abzugeben, Geduld zu lernen, Liebe nicht festzuhalten, sondern ihr Raum zu lassen. Und ja, es ist ein wunderschönes Buch für Tierliebhaber. Aber es ist auch ein Buch für alle, die gerade etwas Halt suchen. Es ist ein stilles Plädoyer für Achtsamkeit, für Langsamkeit – und für das Wunder der kleinen Dinge. Hase und ich hat mich nicht nur berührt, sondern mir auch einen neuen Blick auf das gegeben, was „Nähe“ eigentlich bedeutet. Zwischen Mensch und Tier. Zwischen Ich und Welt. Ich habe beim Lesen gelächelt, geweint, gestaunt – und am Ende das Buch mit einem tiefen Seufzer zugeschlagen. Hase und ich ist kein laut beworbenes Lebenshilfe-Buch, kein Selbstoptimierungsratgeber. Es ist einfach eine wahre Geschichte, ehrlich erzählt. Und gerade deshalb wirkt sie so lange nach. Unbedingt lesen – nicht nur mit den Augen, sondern auch mit dem Herzen.