2009 wird in der Festivalgeschichte der Nürnberger Veranstaltungsreihe kein Jahr werden, über das man in ein paar Dekaden noch groß sprechen dürfte. Dazu war der Blick einfach zu sehr der Vergangenheit zugewandt. Eigentlich blieb alles beim Alten bei Rock im Park. Die Auswahl der Bands hatte den Charme eines nostalgisch angehauchten Tapes mit zwei kleinen Gucklöchern in der Mitte. Durch die konnte man dann – wenn man wollte – einen Blick nach vorne werfen, vorausgesetzt natürlich, man machte sich als Zuschauer die Mühe, auch mal auf Nebenschauplätzen herumzuirren.
Da gab es abseits des Nostalgie-Programms auf der großen Bühne, zu dem wir gleich noch kommen, allerhand zu entdecken. Nehmen wir Kitty, Daisy & Lewis, diese hoffnungslosen Nostalgiker, die sich zur Mitte ihres Sets einen renommierten Trompeter auf die Bühne holen und in 50er Jahre Phantasien schwelgen. Oder Peter Bjorn & John, die in Bauarbeiterkluft eingekleidet, kleine, aber verquere Superhits anstimmen und dazu Beats anrühren, als wollen sie den matschigen Sound auf dem Gelände einen asphaltierten Unterbau schenken. In einem muss man Fred Durst von Limp Bizkit nämlich Recht geben: die Anlage war zu leise und die Musik klang zeitweise etwas verschwommen. Auf der Hauptbühne hatte man das Gefühl, die gleiche Band zweimal zu hören, wenn man auf halber Höhe des Geländes stand, was ja nicht allzu schlimm gewesen wäre, wären dort zehn mal hintereinander Selig (wunderbare Revival-Show!) aufgetreten… psychedelisch anmutende Ausflüge von Popbands haben ja sowieso eine gewisse Tradition in der Popgeschichte. Aber Slipknot mit Echo und Verzögerung? Da musste man ja Angst haben, dass die Musiker die Orientierung verlieren und sich in eine ihrer Feuerfontänen stürzen, die bei „If You´re Five Five Five, I´m Six Six Six“ aus dem Boden geschossen kamen.
Ein echter Hingucker war neben den verrückten Clowns auch der sympathischste Privatdetektiv Entenhausens: Peter Fox. Für Viele war er der heimliche Sieger des Wochenendes. Der Bundesvision Song Contest-Gewinner spielte am Freitag auf der „Alternastage“, wo der Sound im Gegensatz zur Hauptbühne die ganze Zeit super war. Es gab auf der „zweiten“ Bühne kein einziges Konzert, das nicht perfekt gemischt wurde. Schade nur, dass hier die Leinwände fehlten, was sich aber evtl. im nächsten Jahr ändern soll, weil dann laut Veranstalter wahrscheinlich mehr Platz zur Verfügung steht. Jedenfalls sorgt der Platzmangel bei Fox und auch bei Marilyn Manson für Engpässe, so dass manchem Zuschauer der Blick auf das Geschehen verwehrt blieb. Am Sonntagabend gab es zudem noch Soundprobleme einer ganz anderen Art. Da allerdings sollten sich die Fans mit ihren Beschwerden lieber an die auftretende Band, sprich Mando Diao, wenden. Was der Sänger da ins Mikro krächzt, ist mit dem Wort „Gesang“ nur geringfügig zu beschreiben. Da haben die vier Jungs und Mädels neben mir, die sich mit ihrem nervigen Bierzelt-Gesang daran versuchen, ein bisschen Volksfeststimmung aufs Gelände zu bringen, noch mehr Melodie auf den Lippen. Whatever…
Kommen wir mal zum Rest des Line-Ups. Ich sag es mal so, etwas mehr Mut zum Risiko hätte der Sache sicher nicht geschadet. Es ist natürlich Geschmacksache, aber Limp Bizkit, Staind, Korn, Papa Roach, Reamonn, Prodigy und Guano Apes. Klingt, als hätte da jemand eine Rockstar-Grabstätte der 90er ausgehoben und die Leichen der damaligen Szene exhumiert. Auch wenn die Killers durchaus der Hammer waren. Das ganze Line-Up wirkte so ein bisschen angestaubt. Wobei ich hier auch mal sagen muss: Manche Bands werden ja nicht unbedingt schlechter, nur weil sie schon länger Musik machen. (Na gut, Limp Bizkit, Papa Roach, Reamonn und die Guano Apes schon, aber Selig waren klasse, genauso wie Slipknot). Aber, wenn man bedenkt, dass die Menschen sich zum Beispiel bei einer Combo, wie Madness, die mit ihrem Ska-Sound kurzfristig sogar einen doppelten Regenbogen ans Firmament zaubert (siehe Foto), die Backen wund grinsen. Warum nicht mal ein paar beschwingte Hüpfer, wie La Vela Puerca, Ska-P oder The Cat Empire (die ich übrigens eben durch dieses Festival kennen gelernt habe) ins Programm streuen, anstatt zehn Metal-Bands hintereinander anzukarren. Ein Jan Delay kam am Sonntag ja auch super an. Zudem: der Emo-Zug ist zwar grade heiß am Dämpfen, aber auch da ist nach vier Acts am Stück mal die Luft raus. Die -mit subtilen Texten ausgestatten- Brachialrocker Alexisonfire und die streitsüchtigen Gallows sind ja klasse, aber so manch anderer Act? Bisweilen etwas austauschbar. Wobei das Ganze auch hier natürlich wieder Geschmacksache ist. Und zu Limp Bizkit und Korn springen ja auch anno 09 noch alle freudig im Takt. Was dem Veranstalter natürlich in gewisser Weise wieder recht gibt, diese Bands erneut auf den Headliner-Posten zu karren.
Bleibt für mich im Gesamtrückblick noch zu erwähnen, dass man sich natürlich auch in diesem Jahr prächtig amüsieren konnte. Biffy Clyro, Middle Class Rut, The Gaslight Anthem und Trail Of Dead ließen jedes Rock-Herz höher schlagen (um hier jetzt noch mal voll die Klischeekeule auszupacken!). Scouting For Girls und Phoenix spielten zauberhafte Popmusik, Kettcar und Tomte sorgten für ganz große Gefühle. Und aus den Kilians könnte auch mal eine große Band werden, wenn der Sänger in Zukunft auf seine unsäglichen Ansagen verzichtet und sich auf die Musik konzentriert. Womit wir gegen ein Uhr nachts am Sonntag zu Dredg in Richtung Würzburg torkeln. Einen schöneren Soundtrack, als den der Jungs, kann man sich dazu kaum vorstellen. Im Radio des Wagens verklingen die letzten Töne… „ Before you go there is something more to say…” das darf in diesem Fall die Musik übernehmen. Die hat ja immer das letzte Wort…
//alexander nickel-hopfengart
UND WAS NUN?