Für alle Musikverrückten im Lande, für die es nichts schöneres gibt, als bei Dauerregen und Dosenbier auf einer matschigen Wiese zu großartiger Musik abzugehen gab es am Wochenende nur eine Adresse im Süden. Das Southside- Festival in Neuhaus ob Eck, irgendwo im Schwarzwald. Man muss Festivals lieben, um unter solchen Bedingungen die Party des Sommers feiern zu können, die Liebe zur Musik allein ist da nicht genug. Aber alle, die genauso blöd wie ich sind, fanden am Southside perfekte Bedingungen für ein entspanntes Wochenende vor, und das trotz Dauerregen.
Die Organisatoren haben ganze Arbeit geleistet, alles hat gut bis sehr gut funktioniert, vom Müllpfand bis hin zum fast durchgehend perfekten Sound auf allen drei Bühnen. Das Publikum dankte es den Veranstaltern, indem es fast völlig friedlich feierte. Es geht schließlich um die Musik.
Das line up hatte es in diesem Jahr schwer mit seinem Vorgänger von 2008 mitzuhalten, wo man teilweise gar nicht mehr wusste, wie man jetzt schnell von der eine zur anderen Bühne kommen sollte, weil man einfach alles sehen musste- und das bei durchgehend über dreißig Grad im Schatten.
In diesem Jahr war alles ein bisschen gediegener, und die ganz großen Namen haben trotzdem ebenso wenig gefehlt wie die kleinen Überraschungen. Es gab ja schon im Vorfeld einige Sensationen was die Bands betraf. Wer hätte schon gedacht, dass es Kraftwerk oder Faith No More noch einmal wiedervereinigt auf eine Bühne schaffen würden, oder das man 2009 noch ein mal bei einem Livekonzert der großartigen Pixies zu „were is my mind“ über die Wiese tanzt?Nick Cave and the Bad Seeds, Social Distortion und Nine Inch Nails an einem einzigen Wochenende sieht? Wahrscheinlich geht es vielen wie mir: Die persönliche „muss ich unbedingt noch live sehen“- Liste ist an diesen drei Tagen um ein ganzes Stück kürzer geworden.
Natürlich war das Publikum dementsprechend teilweise nicht mehr ganz so jung, und nicht jeder Act absolut massenkompartibel. Aber wenn ein Nick Cave mit seiner großartigen Liveband bis weit nach Mitternacht- und bis weit über die Grenzen der Erschöpfung hinaus- wie ein besessener von der Bühne predigt und sich völlig auflöst in dem Licht und der Stimmung und der Energie, oder Mike Ness von Social Distortion sein ganzes Leben auf die Bühne wirft bei einem großartigen Auftritt, der leider ziemlich schwach besucht war, dann hat das mit einem normalen Rockkonzert rein gar nichts mehr zu tun. Das sind Künstlergenies die eine ganze Generation geprägt haben und mit ihrer völligen Autizität ganze Leben. Und am Ende ist das reine Kunst. Da muss eine Katie Perry erst mal hinkommen, auch wenn sie noch so niedlich vor ihrem Bühnenbild in Form eines weißen Gartenzaunes rumhüpft und „i kissed a girl“ gleich zweimal singt.
Neben diesen ganzen Superlativen gab es natürlich vor allem eines: Konzerte, die einfach Spaß gemacht haben. Dass die Ärzte eine geile Liveshow abliefern, ist bekannt. Ihr Konzert am Freitag Abend war einer der magischen Momente des Wochenendes, wo man trotz dem schlechten Wetter einfach plötzlich wieder wusste, warum man sich so lang auf dieses Festival gefreut hatte. Die Stimmung war einfach greifbar und es lag mal ausnahmsweise nicht am Wetter, das bei der „besten Band der Welt“ kein Hemd trocken blieb.
Eine ganze Menge neuer Fans haben nach diesem Wochenende wohl auch die unglaublich talentierten Jungs von The Gaslight Anthem, denen es mit ihrer Mischung aus Punkrock, Soul und Bruce Springsteen gelungen ist, unglaublich tiefgehende Musik zu machen, die gleichermaßen zart und hart sein kann, und das sogar live. Gut, die ganz hartgesottenen Zuschauer ließen sich selbst bei einer so ergreifend lässigen Ballade wie „Miles Davis & The Cool“ nicht von der Formirrung einer Wall of Death abhalten, aber die Stimmung war trotzdem einfach genial, und The Gaslight Anthem werden in den nächsten Jahren warscheinlich so richtig groß werden.
Tja, was darf sonst noch keinesfalls unerwähnt bleiben? Maja Ivarsson von The Sounds warscheinlich. Die hat im wohl knappsten Bühnenoutfit ever die männlichen Besucher ganz schön ins schwitzen gebracht, und das vielleicht lauteste Konzet des Festivals hingelegt, und natürlich Anti- Flag, bei denen man nicht nur gut abgehn konnte, sondern auch noch Nachhilfe in jüngster Politik und Nächstenliebe bekommen hat. Ob bouncen bei Culcha Candela,nackte Tatsachen bei SKA-P (die ziemlich krasse Texte machen- zum Glück kann nicht jeder Spanisch) oder Sex on Fire ( das heimliche Motto des Wochenendes) mit den Kings of Leon- alles immer relativ, was man mag und sich anschaut oder nicht. Aber es war auf jeden fall für jeden Geschmack mehr als genug geboten und die Stimmung war durchgehend absolut genial, und während ich hier sitze und mir die Müdigkeit noch bis zum Anschlag in den Knochen steckt, bekomme ich langsam schon wieder richtig Lust auf nächstes Jahr. Danke Southside.
UND WAS NUN?