Liebe Oma, lieber Opa, ihr klickt jetzt mal bitte ganz schnell weiter zum nächsten Artikel. Es gibt Dinge, die muss man auch mal ansprechen dürfen, obwohl es gemeinhin ja immer als respektlos gilt, das Wort gegen unsere lieben Senioren zu erheben. Ja ich weiß, ihr hattet es nicht leicht, und die Meisten von euch sind gütige, mehr oder weniger weißhäuptige Familienoberhäupter, gute Seelen und unverzichtbar für uns. Aber es geht auch anders. Ja, es gibt schwarze Schafe unter euch Senioren, und die nerven einfach nur noch. Von dieser Minderheit soll hier die Rede sein.
Morgens, kurz vor zehn Uhr in Würzburg: Ein schicker Roller fährt schnittig über die Kreuzung, die Ampel ist orange und die Fahrerin freut sich innerlich, der Straßenverkehrsordnung diesen kleinen Sieg abgerungen zu haben- der Tag fängt gut an. Doch plötzlich wird die Stimmung jäh getrübt. Wie aus dem nichts schießt eine rüstige Person mittleren biss hohen Alters, in geschmackvolle Ballonseide gekleidet, aus dem Gebüsch und brüllt völlig ohne jedes Schamgefühl über die gutbesuchte Straße: „Sie spinnen wohl, sie idiotischer Sonntagsfahrer! Die war doch nicht mehr grün!“ Schnell weicht die Freude, das vom aussterben bedrohte Wort „Sonntagsfahrer“ mal wieder gehört zu haben einer Mischung aus Empörung und Ausgeliefertsein. Leider sind aber solche und ähnliche Szenen in unserer Stadt mittlerweile an der Tagesordnung.
Vielen der mobilen Silverager geben sich mit Kleintierzucht, Kaffefahrt und Kirchenchor nicht mehr zufrieden und vertreiben sich die freie Zeit mit der Bespitzelung, Terrorisierung und Verfolgung nichts ahnender und meist völlig unschuldiger Bürger. Da wird Zucht und Ordnung gepredigt und gerne mal nach den eigenen Maßstäben ausgelegt. Oder gibt es sonst noch eine Bevölkerungsschicht, die es fertig bringt, einer gesamten Nachbarschaft das Leben zur Hölle zu machen durch ständig variierende Vorschriften im Sinne von: Im Hof wird nicht geraucht (könnte ja was in die Wohnung des rüstigen Rentners ziehen), gelbe Säcke werden im eigenen Keller gelagert und dürfen die Optik des Innenhofes nicht verschandeln und bei jedem Verstoß wird der Vermieter angerufen, weil die Jungen Leute ja hausen wie die Vandalen und dem armen Senioren 24 Stunden am Tag das Leben zur Hölle machen wollen. Was ist los in Deutschland? Sind die Herztabletten schuld? Lässt Kamillentee und Granufink unsere Senioren zu selbsternannten Ordnungshütern mutieren? Saß die Oma früher noch zu Hause bei Florian Silbereisen vor der Glotze, zieht sie jetzt ganz ungeniert über jedes Weinfest und bringt reihenweise Kellnerinnen aus der Fassung, weil sie nicht mehr weiß, wie viele Schoppen sie eigentlich hatte und laut rumstänkert, sie sei bei der Abrechnung betrogen worden. Derweilen schleicht der Opa im Supermarkt um die Regale wie ein abgehalfterter Aushilfssherif um junge Leute beim Alkoholkauf zu beschimpfen, als nichtsnutziges Pack zu titulieren und mit dem Regenschirm zu drohen. Haben beide einen besonders guten Tag setzen sie sich in ihren silbernen Mercedes, um auf ihre ganz eigene Art den Stadtverkehr zu entschleunigen. Tatort: Semmelstraße. Eine dunkle Limousine zuckelt in Schritgeschwindigkeit- mittig natürlich- durch die eh schon enge Straße, der Blinker geht ununterbrochen. Ein gekonnter Blick auf die Ablage des Mercedes verrät, ah, ein Hut, da muss ein Rentner am Steuer sitzen. Nach quälenden zehn Minute bist du endlich an der Ampel beim Knodt angekommen, du konntest ja nicht überholen, und da stehst du nun. Hinter dem Rentner, der sich mittlerweile durch ein ausladendes Lockengebirge auf dem Haupt als Rentnerin entpupp hat. Die Ampel ist rot, doch plötzlich kommt Leben in die flotte Bestagerin (auch so ein neues Modewort). Ziehlstrebig fährt sie in die Kreuzung hinein, steuert in Richtung Bürgerspital und bleibt mit quietschenden Reifen vor dem Hofeingang desselben stehen. Auf dem Gehsteig. Du hast noch immer rot, und fragst dich, ob denn die ganze Welt verrückt geworden ist, da macht sich die in geschmackvollen Animalprint gekleidete Mittsechzigerin schon munter auf den Weg in die Innenstadt, wobei sie die Handtasche wie eine Waffe unter den Arm geklemmt hat.
Andere Senioren bleiben zu Hause und regieren ihren Bezirk quasi vom Küchenfenster aus. Das Ziel hierbei ist es, alles zu sehen, was auf der Straße oder im Hof vor sich geht, selbst aber nicht gesehen zu werden. Eigens zu diesem Zweck hat sich eine der Autorin gut bekannte Person einen Spezialvorhang anfertigen lassen, der durch eine geschickte Dreieckskonstellation freien Blick bei gleichzeitiger optimaler Tarnung garantiert.
Noch perfider ist nur die Rücksichtsfalle. Ach, du wohnst auch in einem Mietshaus mit Wänden aus Zeitungspapier und hast einen grauhaarigen Quälgeist als Nachbar(In)? Herzlichen Glückwunsch, dann weißt du ja, von was hier die Rede ist. Am Anfang ist alles noch ganz wunderbar, die nette Oma von Nebenann weist dich jedes mal persönlich darauf hin, wenn eure WG mit dem Hofdienst dran ist, und macht sich nach dessen Erledigung durch dich und deine Mitbewohner extra die Mühe, bei euch vorbeizukommen und euch darauf aufmerksam zu machen, wie das Ganze beim nächsten Mal noch besser laufen könnte. Bei der Gelegenheit bittet sie euch höflich darum, in dem Zimmer, welches an ihre Wohnung angrenzt ab 22 Uhr doch bitte keinen Fernseher laufen zu lassen und selbst nur noch auf Zehenspitzen zu gehen, weil sie sonst jede Nacht aufwacht und unter Tränen den Vermieter anrufen muss. Der Hat euch zu diesem Zeitpunkt schon das erste Mal abgemahnt, ihr seid gerade seit einer Woche in der neuen Wohnung. Aber ihr wollt da bleiben, und deshalb müsst ihr ab jetzt Rücksicht auf die Nachbarin nehmen. Das führt in der WG zu Reibereien, weil ihr euch gegenseitig beschuldigt, in dem angrenzenden Zimmer, welches übrigens euer Wohnzimmer ist, gelärmt zu haben (ihr definiert Lärm jetzt ganz neu), und ja, am nächsten Morgen steht der Vermieter weder vor der Tür. Der Ton wird rauer, nachdem die gutmütuge Oma mit den zwei Gesichtern einen von Euch absichtlich beim Liebesspiel belauscht hat ( vor zehn Uhr abends wohlgemerkt) und diese Person nun als grunzendes Schwein mit … im Hirn bezeichnet. Früher nante man sowas Spannerei und schämte sich dafür.Das geht alles so lange, bis einer von euch eines Morgens noch ganz verschlafen in die Küche schlurft und die Rentnerin dabei ertappt, wie sie von Außen an eurer Scheibe klebt und eine Skizze vom Chaos der vorabendlichen Kochorgie macht. Was zu viel ist ist zu viel, ihr feiert erst mal eine wilde Party in euerem Wohnzimmer. Natürlich steht wenig später die Polizei vor der Tür. Statt Rücksicht ist jetzt Rache angesagt, aber irgendwann werdet ihr ausziehen müssen, so kann man nicht leben. Gegen die Nachbarn im besten Alter ist kein Kraut gewachsen.
Liebe Best- ,Silver- oder was auch immer Ager dieser Nation, macht euch und uns das Leben doch bitte nicht so schwer. Klar sollt ihr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen dürfen, und wir wollen euch echt nicht wegsperren. Aber sucht euch doch mal ein vernünftiges Hobby, das nicht auf Kosten eurer Mitmenschen geht! Kampfsport statt unkontrollierter Regenschirmattacken, Rhetorikseminar statt rüdem Rumpöbeln, und im Herbst könnt ihr ja auch wieder die obligatorischen Kunstgeschichtsvorlesungen an der Uni besuchen. Für die ganz harten Fälle habe ich mir auch schon was ausgedacht. Wie wäre es mit Rollenspielen? Ein bisschen World of Warkraft vieleicht. Da kann man den Drachen auch rauslassen, und statt einer Anzeige wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses oder ähnlichem droht euch nur die Spielsucht.Ich werde das meiner Nachbarin auf jeden Fall mal vorschlagen…
UND WAS NUN?