Brendan Benson möchte man für sein neues Album einfach nur in Grund und Boden knuddeln. Diese Melodien. Da greift man sofort nach dem virtuellen Mikro vor der Nase des Nachbarn und trällert los in den schönsten Tönen. Musikalisch so Alternativ-Rock-Style mit regenerierter Raucherstimme startet das wilde Treiben. Der liebe Brendan zerrt dich mit dieser Platte direkt auf die Tanzfläche und lädt zum Hüftschwingen ein. Also nicht so plakativ neumodisch, eher im Sinne der Lemonheads. Brendan Benson spult einen zurück in die Zeit, als tolle Lyrik und romantische Rocksounds noch Hand in Hand gingen. Dazu eine dicke Portion schwarzer Humor und fast meint man, Elvis Costello hätte sich mal wieder auf den heimischen Plattenteller verirrt. „My Old Familiar Friend“ ist wie ein guter alter Freund, der nach einer langen Reise wieder an die heimische Haustür klopft. Ein Album zum einfach nur tief in die Arme schließen.
Und yep, es ist endlich soweit: das neue Album von Balkan-Superstar Shantel steht in den Startlöchern. Das Bemerkenswerte an dem Künstler ist ja seit, dass er es mit seinen volkstümlichen Rhythmen schafft, auch mal den einen oder anderen Indiehörer in die Großraumdisco zu locken. Sein Geheimnis liegt darin, dass es Shantel seit jeher vermeidet, allzu plakativ drauf los zu poltern. Seine Songs wirken auch auf „Planet Paprika“ wieder so, als wollten sie dem Hörer auf dem letzten Meter zur hymnischen Breitseite ein Bein stellen. Gerade davon lebt die Musik. Dass sie immer im richtigen Moment den Absprung schafft, bevor sie allzu offensichtlich klingt. Das führt dazu, dass sich die Songs selbst vor dem geistigen Auge des Hörers zusammensetzen. Das hält die Platte spannend. Das bläst anfangs „charmante“ Songs, wie „Wandering Stars“ zu echten Knallbonbons auf, die dann im Livekontext einen Konfettiregen vom Clubhimmel abstürzen lassen. Inmitten des bunten Treibens steht dann der Protagonist, von jubelnden Massen umringt. Und alle sind glücklich, grinsen sich einen ab und feiern den Moment. Auf zum „Planet Paprika“. Einfach Play drücken und los geht’s zum Karneval der Glückseligkeiten.
Laura Vane & The Vipertones blasen uns derweil auf ihrem gleichnamigen Album eine dicke Portion elektrofizierten Funk um die Ohren, dass man sich fast zwangsläufig ein schickes Outfit überstreifen möchte, um sich in das nächtlichen Treiben da draußen zu stürzen. Diese Musik strotzt so dermaßen vor Sexappeal, dass es ein kleines Wunder ist, dass sie nicht aufgesetzt wirkt. Jan Delay sollte vielleicht mal ein Duett anfragen. Mit Gnarls Barkley und The Streets war die liebe Laura ja auch schon im Studio und schafft es nun in Eigenregie auf ihrem vierten Output, die tanzbare Meute im Funkclub nahezu mit links um den Finger zu wickeln. Da, wo Amy Winehouse immer wieder die Tränendrüse bedient, gibt sich Laura Vane keine Blöße und setzt dem mitleidigen Blick einen stilbewussten Ausfallschritt entgegen. Vorher wurde derweil noch mal ordentlich geschwitzt und so lange der tanzwütige Mob befeuert, bis auch dem letzten Mädel der Minirock bis zur Hüfte wippt und jedem Jungen die Achselhöhlen ausbluten – schweißbedingt natürlich. Ein atemloses Album im Grenzgebiet zwischen Pop, Funk und Soul.
Durch die endlosen Weiten vom „Saharasand“ stapft hinterher Funny van Dannen auf seinem gleichnamigen Werk. Vorab sei gesagt: die Titel sind mal wieder famos, wie Promi-Gazetten. Wo trifft man heute schon noch „Katzenpissepistolen“ und „Sternschnuppen“ direkt hintereinander? Das gibt’s nur bei Funny, ansonsten höchstens noch beim Begemann. Allerdings schafft es van Dannen seinen Songs eine größere Halbwertszeit einzuhauchen. An Liwa reicht er damit zwar noch nicht heran, aber ein Dutzend der 21 Songs von „Saharahand“ kann man durchaus ein zweites Mal hören. Der eine oder andere Ausfall ist bei einem solchen Rundumschlag zwar nicht vollkommen auszuschließen und dennoch geht von diesem Album ein zauberhafter Charme aus. So war das ja eigentlich mal gedacht: ein Songschreiber singt von den Dingen, die ihnen bewegen. Erzählt verrückte bisweilen melancholische, kleine Geschichten aus dem Leben. Wer eben das von Musik erwartet, der sollte sich durchaus mal dem „Saharasound“, pardon „Saharasand“ aussetzen.
The Poem Is You klingen derweil, als wollten sie Country eine Frischzellenkur verpassen. Zumindest Artwork-technisch dürften sie damit schon mal ziemlich allein dastehen im Regal der kratzbürstigen Lagerfeuerromantik. „TPIY“ wirkt allerdings auch viel zu unentschlossen, um sich auf ein bestimmtes Genre festzulegen. Das ist im Falle von The Poem Is You allerdings ausdrücklich positiv gemeint, denn wie hier Songwritersounds und elektronische Klänge zueinander finden, dass hat schon was von einem Candle-Light-Diner mit gehobenem Anspruch. Solch romantische Songs, allen voran das polternde „Hostages“ wirken so leichtfüßig, dass man sich gar nicht vorstellen kann, warum es zwischen den beiden Genres vorher immer so viele Reibungspunkte gegeben hat. Über die volle Länge gesellen sich dazu noch ein paar Disco-Stampfer und Folk-Schwärmerein. Und am Ende liegt man barfuss in der Sonne und steckt sich bunte Blümchen zwischen die Zehen, um damit in Richtung Sonne zu winken. The Poem Is You haben ein Album für Träumer geschrieben. Schwärmerische Klänge, so widersprüchlich wie der Sommer 2009. Ein auf und ab der Gefühle, dem man unbedingt mal ein paar Streifen seiner Zeit abschneiden sollte.
Sehr entspannt und zurückgelehnt geht es derweil auf dem neuen Album von Rodrigo Y Gabriela zu. „11:11“ ist ein musikalisches Manifest an die akustische Gitarre. Was das Duo Rodrigo Sanchez und Gabriela Quintero hier aus der Zupfnudel herausholen, ist einfach nur lobenswert. Da schlängelt sich eine Melodie nach der anderen aus dem perkussiven Dickicht der Songs, was dazu führt, dass man als Zuhörer plötzlich wie wild auf allen herumliegenden Gegenstände herum trommelt. Diese akustischen, instrumentalen Sounds machen schlicht und ergreifend gute Laune. Ein Hauch von mexikanischer Straßenmusiker-Romantik liegt in der Luft, wenn diese Sounds den Raum erfüllen. Kurz gesagt: das perfekte Album, um dem ausklingenden Sommer neues Leben einzuhauchen. Einfach play drücken und lostanzen.
Banner Pilot heißt derweil das neuste Signing aus dem Hause Fat Wreck und klingt dann auch genauso, wie man es erwarten durfte. Schicker, melodielastiger Poppunk der Marke Alkaline Trio mit einer Spur mehr Sommersonne und weniger Vollmond. Ein Zweitwerk, dem man durchaus mal einige Durchläufe zumuten sollte, dann nämlich wird man feststellen, dass der werte Fat Mike hier eine echte Perle aus der Tiefe gehoben hat. Die ganzen Emo-Fabrikanten, die in den letzten Jahren ihren Herzschmerz an den Mann brachten, können einpacken. Hier darf endlich mal wieder ordentlich gefeiert werden. Wer auch immer dachte, die Jungs von Fat Wreck hätten es sich in den letzten Jahren etwas gemütlich gemacht und von der eigenen Vergangenheit gezehrt. Mit Banner Pilot hat sich das Label kurzerhand aus dem Dickicht zurück an die Spitze katapultiert. Eine einzige Hymne, dieses Album. Seit dem Erstling von Broadway Calls habe ich keine schönere PopPunk-Platte mehr gehört. In diesem Sinne. Press the button und ab dafür. Bis zum „Collapser“.
The Bronx haben sich derweil entschlossen einfach mal die krachigen Gitarren in die Ecke zu pfeffern und sich einen mexikanischen Umhang übergeworfen. Als Mariachi el Bronx frönen sie der Sonnenseite des Lebens und zaubern mit ihren Fingerspitzen elf locker flockige Hymnen in die endlosen Weiten des Wüstensandes, dass man sich kurzerhand ein Tequila-Hütchen auf die Haube setzt. Leicht angeheitert dürften diese Sounds gleich doppelt so viel Spaß machen, weil sich zwischen dem poppigen Treiben auch immer wieder einzelne mitgröhlverdächtige Refrains empor schlängeln. Ganz im ernst: ich hätte beileibe nicht gedacht, dass die Sache hier gut gehen könnte. Tut sie aber und deswegen halte ich jetzt auch einfach mal die Klappe und lasse die Musik für sich sprechen… Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?