// zuckerbeat vol. 84

Wer blickt denn da mit großen Augen aus dem Dunkel der Nacht zu uns herüber? The Temper Trap? Schon wieder so eine Hippie-Kapelle über die morgen keiner mehr redet? Kann durchaus sein, es wäre allerdings äußerst schade, denn „Conditions“ hat wesentlich mehr zu bieten, als man anfangs vermutet. Die großen Hitsingles „Sweet Disposition“, „Fader“ und […]

the-temper-trapWer blickt denn da mit großen Augen aus dem Dunkel der Nacht zu uns herüber? The Temper Trap? Schon wieder so eine Hippie-Kapelle über die morgen keiner mehr redet? Kann durchaus sein, es wäre allerdings äußerst schade, denn „Conditions“ hat wesentlich mehr zu bieten, als man anfangs vermutet. Die großen Hitsingles „Sweet Disposition“, „Fader“ und „Science Of Fear“ überstrahlen zwar anfangs die Szenerie, weichen aber nach und nach dem vertrackten Gepolter von „Rest“ oder den akustischen Momenten Marke „Soldier On“ und „Ressurection“, das in seiner schmachtvollen Art fast schon ein bisschen an Thom Yorke erinnert. Man kann sich nicht helfen: in diesem Album stecken so bezaubernde Sounds, dass man sich einfach nicht daran satt zu hören vermag. Wenn dann gegen Ende auch noch ein instrumentales Gewitter aus Schlagzeugklängen mit einer betörenden Gitarrenmelodie kulminieren, stürmt man völlig benebelt auf die Tanzfläche und startet einen Luftgitarrenwettbewerb. The Temper Trap zwingen einen mit ihrer Musik im wahrsten Sinne des Wortes auf die Knie. 

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Wobei ihnen auch die nächste Band in unserer trauten Runde in nichts nachsteht. „Uuuuäaahhhhh“, so in etwa gestaltet sich der Auftakt zum neuen Album von Pissed Jeans. Da werden keine Gefangenen gemacht. Fans von Motörhead bis Fucked Up werden sich die Haare zottelig wühlen. Werden sich mit voller Kraft in den Körper des Gegenübers stemmen und dieser vom Bass durchtränkten Brachialgewalt frönen, die das Album ausstrahlt. Man kommt nicht umhin der Band für ihr drittes Werk „King Of Jeans“ endlich den großen Durchbruch zu prophezeien. Besonders im Livegewand dürfte sie mit diesen Songs jeden in Grund und Boden rammen, der bei den Queens Of Stone Age nur leise zu gähnen anfängt. Pissed Jeans Musik ist konzentrierte Brachialwalze. So spannend arrangiert, dass die Tracks von einem schweißtreibenden Höhepunkt zum nächsten jagen. Und am Ende steht man dann da in seinen schweißgetränkten Klamotten und ist wie „bepisst“ vor Glück. Ein energiegeladenes Werk, dessen größte Stärke darin liegt, dass die Songs so dynamisch sind.

amanda-blankAmanda Blank ballert uns derweil einen wirklich imposanten Entwurf elektronischer Raffinesse um die Ohren. Mit ihren Weggefährten Spank Rock, Switch, Diplo und der herzallerliebsten Lykke Li gibt sie sich auf „I Love You“ vollends ihren sexuellen Phantasien hin, vermengt das Ganze aber, ebenso wie die Jungs von Spank Rock mit einem subtilen Augenzwinkern, so dass man sich davon über weite Strecke ganz hervorragend unterhalten fühlt. Ein Track wie „Something Bigger Something Better“ ist in seiner ganzen reduzierten Glückseligkeit, so ein dermaßen schweißtreibender Sidekick ins Blitzlicht der Tanzfläche, dass man sich gegen Ende des -geschickt mit Euphoriemomenten sparenden- Stücks, schweißüberströmt in die Arme des Gegenübers plumpsen lässt. Überhaupt packen einen die fulminanten Beats der Scheibe immer wieder am Ärmel, streifen einem den Pulli über den Kopf und sorgen für exzessiven Ausdruckstanz im Stop And Go-Rhythmus. Seit Ebony Bones und den letzten Sounds von Uffie sicher das Beste, was in Sachen elektronischer Rapklatsche in den letzten Monaten so aus den Blogs ins Blickfeld der breiten Öffentlichkeit gehievt wurde. Bleibt nur zu hoffen, dass Spank Rock auch bald nachlegt.

tom-morello-boots-rileyWomit wir schon wieder bei Tom Morello und Boots Riley wären. Die statten ihre Boombox mit hartem Arsenal aus und halten damit die Erinnerung an Rage Against The Machine wach. Was Rapper Riley von der großartigen HipHop-Crew „The Coup“ und Morello da aus dem Ärmel schütteln, klingt zwar zwischenzeitlich stark nach 90er Jahre Crossover-Tracks der Marke „Judgement Night“, ruft aber schöne nostalgische Erinnerungen wach. „Street Sweeper Social Club“ bringt Morello nach seinen spärlich erfolgreichen Versuchen als „Nightwatchman“ wieder in die Spur zurück. Hier pulsiert wieder alles, wie zu den besten Zeiten von Rage Against The Machine. Und wer weiß? In Zeiten wo plötzlich wieder ehemalige Crossover-Vertreter auf die Spitzenpositionen der Festivals gebucht werden. Vielleicht geht da ja auch in kommerzieller Hinsicht noch mal was. Zu wünschen wäre es ihnen, dann muss man sich wenigstens nicht länger die scheintoten Limp Bizit ansehen.

fruit-batsDie Fruit Bats geben sich derweil mit ihrem neuen Album alle Mühe, den Shins nicht nur gestaltungstechnisch den Rang abzulaufen. Jedenfalls habe ich schon lange keine so verpoppten Indiemelodien gehört, wie auf „The Ruminant Band“. Ein Album, dass ohne viel Aufhebens die Frage beantwortet, warum Frontmann Eric D. Johnson erst kürzlich bei den Shins zum festen Mitglied ernannt wurde. Diese Stücke würden in einer besseren Welt auf jedem Rummelplatz laufen. Man möchte sich zu den Songs klebrige Zuckerwatte ins Gesicht schmieren und von schokoladenumhüllten Süßkram naschen. Man möchte Knutschen und Händchen halten. Seifenblasen in die Atmosphäre pusten und sich Herzchen auf die Backen malen. Soviel Wohlfühlpop mag manch einem wie das schlimmste Grauen auf Erden vorkommen. Die Fruit Bats verstecken ihre Melodien allerdings so versiert, dass man erst eine Schnitzeljagd vollführen muss, um sich vollends in den watteweichen Klängen zu verlieren. Wer bei Popmusik gerne mal um die Ecke denkt. Hier könnte er sein Glück finden.

frank-poppGleiches gilt übrigens auch anno 2009 noch für den werten Herrn Popp. Also den Frank. Diesen sympathische Musiker mit dem „Hip Teens“-Sommerhit, der leider völlig zu Unrecht wieder so ein bisschen von der Bildfläche der breitenwirksamen Popmusik verschwunden ist. Dabei hat er inzwischen auch neue, süßlich beschwingte Klänge veröffentlicht, die zum Hüftschwingen und Rockwippen einladen. „Receiver“ ist auch wieder so ein Werk, mit dem Frank Popp eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass ihm in Sachen eingängiger Melodien mit Bläser und Rockeinschlag so schnell niemand etwas vormachen kann. Das ganze Album ist voll gepumpt mit Knallkörpern, die nur darauf warten, auf der Tanzfläche gezündet zu werden. Dabei schafft es Popp immer wieder den klischeehaften Moment auszusparen. Wo andere in unsägliche Bierzeltgefilde abdriften und die Kalauer für die trinkende Horde ohne Augenzwinkern rausposaunen, schafft er es, niemals plakativ zu agieren. Von seinen Songs fühlt man sich wohlbehütet in den Arm genommen. Auf dem Volksfest können sie deshalb weiter seine „Hip Teens“ kloppen – alle, die damit nichts am Hut haben, bekommen auf „Receiver“ eine ganze Reihe unverbrauchter Klangkörper für die nächtliche Tanzparty. Und das ganz ohne Bierfahne. Toll, oder?!

mike-oldfieldUnd jetzt aufgepasst meine Damen und Herren, herzlich Willkommen im Esoterik-Paradies. Man glaubt es kaum, aber Mike Oldfield hat sich daran gemacht, seinen größten Kalauer neu aufzupolieren. „Tubular Bells“, das Debüt des Progressive-Rockers gehört zu den Klassikern des Genres. Für alle, die es noch nicht kennen, weil sie 1973 noch nicht auf dieser Welt hausten: Das Teil besteht im Grunde genommen nur aus zwei gleichberechtigten Abschnitten, die ein bestimmtes Thema variieren. „Tubular Bells“ Teil eins und zwei sind jeweils mit einer Laufzeit von nahezu 25 Minuten gesegnet und fast vollkommen instrumental gehalten. Als der Mischmasch aus Klavier und Gitarrenmelodien vor knapp 40 Jahren das Licht der Welt erblickte, hielt sich das Teil fast fünf Jahre in den britischen Charts. Die Scheibe klingt heute zwar etwas angestaubt, verstrahlt einen aber immer noch ordentlich die Gehörgänge, wenn man sich im heimischen Sessel einkuschelt und die Äuglein schließt. Nicht umsonst wurde die Eröffnungssequenz des Albums sogar als Soundtrack für den „Exorzisten“ verwendet. Die neue Variante wurde nun vom Maestro persönlich eingespielt, mit zeitgemäßem Sound aufpoliert und um zwei ergänzende Tracks erweitert, die aufgrund ihrer kurzen Laufzeit sogar ins Formatradio passen dürften. Wer sich mal wieder gedanklich verlieren möchte, sollte der Scheibe durchaus mal eine Chance geben. Neben dem regulären Album erscheinen auch noch eine Deluxe Edition mit 2Cds und einer DVD und eine Ultimate Edition mit 60seitigem Buch und allerhand weiteren Schmankerln. Die Fans wird’s freuen, der Rest hält sich lieber an die normale Edition. Die bietet nämlich das, um was es geht: die Musik. Und die ist auch heute noch ein echter Spalter.

niobeDerweil wirkt es schon fast ein bisschen kalkuliert, wie Niobe vom Frontcover ihres neuen Albums direkt in deine Augen blickt. Dabei ist Yvonne Cornelius eigentlich nicht dafür bekannt, sich an gängigen Klischees abzuarbeiten. Nein, ihre Musik frönt schon zum Auftakt trippigen Klangeskapaden, wie man sie bereits von The Knife kennt. In „You Have A Gift“ wird zum Beispiel Schiffschaukel gefahren und mit gesampelten Absurditäten das Spielfeld abgesteckt. Ambitionierte Klänge werden hier mit Folk-Melodien verknüpft und sorgen für einen musikalischen Wimpernschlag in Richtung Norah Jones und Konsorten, ohne dabei in deren breitenwirksamer Schnulzenarienhaftigkeit zu versinken. „Blackbird´s Echo“ ist vielmehr eine Art vertonter Gedichtband, der einen immer wieder überrascht, aus der Bahn wirft und mit seiner jazzigen Elektronik den Glauben an TripHop zurückgibt. Wer noch bereit ist, sich auf Musik einzulassen. In Niobe könnte er eine treue Freundin finden. Gerade wegen der Sprunghaftigkeit ihrer Musik. Und damit Schluss für heute. Bis zum nächsten Zuckerbeat.