Vertragserfüllungen sind schon ein leidiges Thema. Vor allem, wenn man wie Madonna schon drei Best Of-Compilations veröffentlicht hat, aber trotzdem noch ein neues Album nachzureichen hat. Die Königin der Pomusik hat sich also ein Herz gefasst und sich gedacht: scheiß drauf. Auf eine Rückbesinnung mehr oder weniger kommt es jetzt auch nicht mehr an. Pumpen wir die Scheibe doch diesmal so dermaßen voll mit Hits, dass auch die alten Fans noch mal in den Klingelbeuten greifen und sich den x-ten Aufguss der ollen Hits ins Schlafzimmer holen. Die Sache mit „Celebration“ wird also wohl auch in der vierten Runde aufgehen. Das ist absehbar. Und man hat auch schon schlimmere Zusammenstellungen erlebt, als diese. Das Artwork ist ansprechend. Die Auswahl der 36 Songs geglückt. Zwei neue Tracks wurden nebenbei auch eingespielt, wobei die Single „Celebration“ nur bedingt kickt. „Revolver“ im Duett mit Reimkönig Lil Wayne ist da schon wesentlich knalliger geraten. Das Teil pumpt, als wollten die beiden zusammen ihr neues Soundsystems einweihen. Ansonsten gibt’s die ganz großen Hits Marke „Music“, „Material Girl“, Like A Virgin“, „Die Another Day“ und Hung Up“, dazu reichlich gelungenes aus der zweiten Reihe, das man bisweilen gar nicht mehr auf dem Schirm hatte. Alles in allem das perfekte Rundum-Sorglos-Paket für alle Nachzügler in Sachen guter Popmusik. Der Rest kann getrost zu Hause bleiben und die Originale auflegen. Die sind zwar soundtechnisch nicht ganz so aufgemotzt, wie diese blitze blanken Perlen hier, atmen dafür aber einen nostalgischen Charme, den die neu gemasterten Varianten bisweilen leider vermissen lassen. Vielleicht ist das am Ende aber auch nur Madonnas Art zu sagen, dass Popmusik immer ein Produkt der Gegenwart sein sollte. In diesem Fall hätte sie dann aber auch gleich ein neues Album einspielen können. Also dann. Abfeiern oder bleiben lassen.
Und hinterher ein bisschen mit Alberta Cross durch melancholische Gefilde gesurft. Deren neues Album „Broken Side Of Time“ ist ganz großes Kino für den schwer verliebten Britpopper, der sich bei den Doves und Konsorten wohl behütet in den Arm genommen fühlt. Das Album der Londoner driftet dabei niemals in gleichförmiges Radiogedudel der Marke Keane ab. Nein: Alberta Cross meinen es ernst, wenn sie dem Hörer ihr Herz in Form pathetischer Gitarrenglückseligkeit vor den Latz knallen. So catchy und ambitioniert übersetzen derzeit nur die wenigsten Bands ihr Gefühlsleben in Musik. Kein Wunder, dass sie schon Touren mit Oasis, den Shins, Neil Young und Simian Mobile Disco absolvieren durften. Diese Musik will gefeiert werden. Bei aller gebotenen Melancholie. Ein himmelhoch jauchzendes Brit-Pop-Album, das sich zwischenzeitlich auch mal traut die klassische Rockpeitsche auszupacken. Wobei sich das die Jungs vielleicht beim nächsten Mal lieber allein auf ihre melancholische Ader berufen sollten. Die Rockstücke klingen nämlich wie ein lahmer Abklatsch von Kings Of Leon; was man aber nur zu gerne überhört bei so viel musikalischer Klasse drum herum.
Endlich!, möchte man hinterher dann brüllen. Frank Turner kann man jetzt auch in hiesigen Gefilden genießen. Der leidenschaftliche Liedermacher schreibt neben Dashboard Confessional wohl die herzallerliebsten Akustik-Hymnen, die die Welt je gesehen hat. Neben seinen regulären Alben, die gerade im Monats-Rhythmus bei uns aufschlagen, wird auch noch eine Compilation veröffentlicht, die sein musikalisches Schaffen um zahlreiche unveröffentlichte Songs und B-Seiten ergänzt. Auf „The First Three Years“ geht die Sonne auf, wenn die ersten kratzigen Melodien des begnadeten Sängers aus den Boxen dringen. 23 Stücke haben es auf das Album geschafft. Mindestens 15 davon sind einfach nur wunderschön. Frank Turner macht Musik im Grenzgebiet der Get Up Kids und der Weakerthans. Dazu gibt’s zahlreiche Coverversionen von The Postal Service bis Abba(!). Alles in allem muss ich am Ende zugeben, dass mir diese Songsammlung wahrscheinlich besser gefällt, als alle regulären Alben des Sängers. Die Musik schlägt so unmittelbar vor einem auf, dass man am liebsten einfach nur die Augen schließen möchte, um laut mitzugrölen. Der ganze Rotz, den das Leben mitbringt, wird einfach weggerockt. Verdammt noch mal, so muss es sein.
Nelly Furtado scheint sich derweil noch nicht so ganz aufs Verwalten ihres Ausnahmestatus in Sachen Popmusik beschränken zu wollen. Jedenfalls entpuppt sich ihr komplett in Spanisch eingespieltes Werk „Mi Plan“ als interessante Melange aus angesagten lateinamerikanischen Melodien, die kurzerhand vergessen machen, dass sie sich mit Hilfe von Timbaland vor kurzem noch zur absoluten Lachnummer zu entwickeln drohte. Nun also stehen nicht mehr die fetten Klunker, sondern die Melodien im Vordergrund. Mit Hilfe von Juan Luis Guerra, Alex Cuba, Julieta Venegas, La Mala Rodriguez und Buika rührt sie ganz tief im Soundtopf der lateinamerikanischen Musik und spielt ein entspanntes Werk ein, dass zwar keinem weh tut, das aber wesentlich besser rein läuft, als das nimmermüde Gesabber von so mancher werten Kollegin. Einen Innovationspreis wird Nelly Furtado für dieses Album ganz sicher nicht bekommen, dazu ist es zu brav geraten. Ihren Exoten-Status wird sie aber weiter festigen. Alles in allem: besser als erwartet.
Newton Faulkner müht sich derweil auf seinem neuen Album daran ab, nicht doch noch der neue Jack Johnson zu werden. Faulkner ist sich einerseits der Gefahr bewusst, dass seine Musik Gefahr läuft, allzu gleichförmig aus den Boxen zu hoppeln. Deshalb variiert er das Tempo und baut hin und wieder auch die eine oder andere Skizze eines Songs als Interlude ein. Dennoch ist „Rebuilt By Humans“ eine astreine Liedermacherplatte. Ein Album, das man nebenbei hören kann, weil es unaufgeregt klingt und niemals aneckt. Wer auf melancholische Songs dieser Machart steht, dürfte mit Faulkner einen neuen Lieblingskünstler für sich entdecken. Dazu gibt es in manchen Songs immer diesen Funken Ambition, der dafür sorgt, dass nicht alles im Radiogedudel erstickt. Faulkner spielt zwar gerne den Poeten vom Sandstrand, aber dann entdeckt man beim fünften Durchlauf doch noch, wie nachhaltig hier reduzierte Elektronik mit klassischer Songwriter-Klatsche gekontert wird. Alles in allem geht „Rebuilt By Humans“ durchaus okay, auch wenn der Platte etwas mehr Mut zum Risiko durchaus gut getan hätte.
Taken By Trees wiederum erfüllen die in sie gesetzten Erwartungen in vollem Maße. Auf dem neuen Album von Victoria Bergsman geht’s insgesamt zwar etwas esoterisch zu, aber irgendwie macht das in diesem Fall sogar Spaß. Wenn sich ein Chor aus dem Dickicht der Musik schlängelt und anschließend Trommeln, Gitarren und Flöten Ringelreih miteinander tanzen, klingt das weniger nach Therapiegruppe, sondern mehr nach einem ambitionierten Soundentwurf, der sich im Grenzgebiet von Hello Saferide und indischem Soundgetüftel einnistet. Zu den Höhepunkten des Albums zählen derweil die Coverversion von Animal Collective´s „My Girls“ und das von AC-Sänger Noah intonierte „Anna“, das die Verschrobenheit der animalischen Hauptband mal ausspart und Noahs Melodiefetzen in einem völlig neuem Licht erscheinen lässt. Taken By Trees werden zum jetzigen Zeitpunkt sicher eine Spur zu sehr durch den Hype-Wolf gedreht, die Band scheint mit „East Of Eden“ erst auf dem Sprung, aber noch lange nicht am Ziel ihrer musikalischen Bemühungen. Trotzdem macht das Album Spaß. Hinter den esoterischen Klängen schlummert nämlich große und romantische Popmusik. Eine von der Art, die dazu im Stande ist, Herzen zu brechen. Da dürfte sich das Warten auf Weiteres durchaus mal lohnen.
Yoko Ono macht sich derweil mal wieder daran die Welt mit einem bunten Klangsalat zu verzaubern. Manche werden schon beim ersten Durchlauf müde abwinken, denn die werte Dame ist auch anno 2009 eine äußerst anstrengende Musikerin geblieben. Schon im Opener wird geschrieen und gepoltert, als wolle sie eine neue Riot-Girl-Bewegung ausrufen. Ansonsten geht’s auf „Between My Head And The Sky“ mal wieder äußerst bunt zu. Minimale elektronische Soundimpulse treffen auf akustische Gitarren. Klavierpassagen auf Blaskapellen. Aber irgendwie klingt das Album am Ende doch seltsam homogen. Fast so, als hätte man sich inzwischen als Hörer einfach mit dem Stilmix abgefunden. Auf diesem Album macht es wirklich Spaß der großen Künstlerin bei ihrer Zauberstunde in Sachen Popmusik zuzusehen. Das liegt auch daran, dass inzwischen sanfte Jazzsounds für eine fast romantische Stimmung im Hause Yoko Ono Plastic Ono Band sorgen. Und da diese jazzigen Passagen gegen Mitte der Scheibe auch noch in den Vordergrund rücken, ist „Between My Head And The Sky“ fast schon ein Album fürs nächste Candle-Light-Dinner geworden. Auch wenn die Musikerin, dass sicher nicht gerne hören wird.
A Mountain Of One empfehlen sich derweil mit ihrem neuen Album „Institute Of Joy“ als zeitgemäßes Update von Pink Floyd. Den Eindruck vermittelt zumindest der von Flächen durchtränkte Opener. Diese Musik solle man sich am besten nicht bei einer nächtlichen Autofahrt reinziehen. Da neigt man nämlich nur zu dazu, abzuheben, kalkuliert aber den Aufprall nicht mit ein. Im weiteren Verlauf wird dann bei Talk Talk, Santana und Fleetwood Mac angedockt. Alles klingt so ein bisschen verstrahlt, trotzdem schälen sich immer wieder ein paar herzerwärmende Melodien aus den Songs, wie der stampfende Beat von „Bones“, der fast schon an die verschwurbelten Momente der Happy Mondays erinnert. Alles in allem schreiben A Mountain Of Joy Rockmusik im klassischen Sinne – nur eben in etwas vertrackterer Form – „Insitute Of Joy“ ist ein psychedelischer Trip, der sich frech an der Geschichte des Genres abarbeitet. Sicher kein moderner Klassiker, aber durchaus ein zeitloser Sonderling, der aus dem breiten Sammelsurium an hippen Soundentwürfen positiv heraus sticht. Womit wir dann auch schon wieder am Ende wären. Lasst es euch gut gehen und genießt die Musik. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?