Die verehrte Amy Millan von den Stars und Broken Social Scene gönnt sich auf ihrem neuen Soloalbum eine Auszeit vom großen Tohuwabohu, das sie sonst so mit ihren Hauptbands veranstaltet. „Masters Of The Burial“ ist ein Totengräber-Album… ein in sich gekehrtes Werk, das einen mit seiner ganzen Intensität die Tränen in die Augen treibt, wenn es gerade eh schon nicht so gut läuft. Zeilen, wie „I Find My Way Back To You“ wirken aus ihrem Mund so hoffnungslos, dass selbst Frohnaturen zu diesem Album den Melancholiker in sich entdecken dürften. Versteht mich bitte nicht falsch: dieses Album ist bemerkenswert. Voll gepackt mit zärtlich gehauchten Melodien und einem bezaubernden Cover von Death Cab For Cuties „I Will Follow You Into The Dark“, das hier gegen die Spur läuft und im Kontext dieser Scheibe fast schon nach Sonnenschein-Pop klingt, wirft einen Miss Millan mit ihren Songs immer wieder aus der Bahn. Am besten einfach aufs Sofa pflanzen, zurücklehnen und auf große Reise mitnehmen lassen. Amy Millan ist die perfekte Reiseführerin zurück zu einem selbst.
Titiyo bemühte sich derweil bis vor einiger Zeit noch darum, den Soulgesang auch in Schwedische zu überführen. Im Gegensatz zum allseits beliebten Sound von Moneybrother wird ihr aktuelles Album „Hidden“ allerdings durchdrungen von einem elektronischen Schleier und einem betörenden Soundkorsett, das wirkt, als käme die Künstlerin eben erst aus einem dunklen Wald gekrochen. „Hidden“ ist ein durchaus esoterisch angehauchtes Werk, das sich beinahe vollständig vom sonstigen Schaffen der Künstlerin abhebt. Mir wird da zwar etwas zu viel gefrickelt, die Songs aber wirken in sich stimmig und auch stimmungsvoll. Damit bewegt sich Titiyo am Ende im Grenzgebiet von Bat For Lashes und Robyn. Überholen kann sie die beiden allerdings nur mit dem bezaubernden Duett „If Only Your Bed Could Cry“. Wer sich von melancholischer Musik gerne hypnotisieren lässt, sollte die Scheibe unbedingt mal anchecken.
Zeep klingen derweil so zeitgeistig wie möglich. Das verwundert nicht, denn Nina Miranda und Chris Franck haben schon mal die berauschende Szenerie eines Levis Spots unter anderem Banner vertont. Nun wenden sie sich auf „People & Things“ einer geschickten Kombination aus Folk und Balkan-Anleihen zu, die schmissig genug und mit ausreichend Ideen bestückt ist, um über die volle Länge nicht auf die Nerven zu fallen. Auf ihrem akustischen Abenteuerspielplatz nehmen sie den Hörer bei der Hand, stupsen ihn in eine Schiffschaukel und lassen das Teil dann allerhand Kopfüberschläge fabrizieren. Wer ein geradeaus klimperndes Akustikabenteuer erwartet, ist bei Zeep an der falschen Adresse. Das Duo sucht nicht immer den direkten Weg von A nach B. Es führt den Hörer mit minimalem musikalischem Aufwand gehörig an der Nase herum. Alles in allem ein eindrucksvolles Album, mit dem man nach dem blutleeren Erstling nicht unbedingt rechnen konnte.
Bernd Begemann & Die Befreiung machen sich derweil daran, Songs zu schreiben, die ihr Heil nicht mehr nur in humoristischen, sondern in gefühlvollen Gefilden suchen. „Ich erkläre diese Krise für beendet“ ist der Gegenschlag in Sachen Krise. Wenn überhaupt dann kriselt hier höchstens noch Sternenstaub vom Clubhimmel in Form bunter Konfettisterne, die dem schmalzigen, aber niemals plakativen Gesang des Frontmanns das passende Outfit verleihen. Yep, Bernd Begemann hat auch auf seinem neuen Album nicht dem Traum abgeschworen, als deutschsprachige Reinkarnation von Elvis in die Geschichte einzugehen. Dass er dabei ab und zu auch den Schlager-King markiert… geschenkt. Der Auftakt dieses Albums in Form der fantastischen Mitgröl-Trilogie „Zurück an den wundervollen Ort“, „Die neuen Mädchen sind da“ und „Du bist mein Niveau“, in dem er alles von Schlager-Pop bis AC/DC durchdekliniert, als ob es kein Morgen gäbe, entschädigt für manche Schwachstelle gegen Ende des Albums. Vielleicht gibt’s das ganze ja demnächst auch mal im Duett mit Distelmeyer. Zieht man sich einen Song wie „Sie redet Revolution“ rein, scheint dieser Gedanke gar nicht mal so abwegig. Wenn auch nur musikalisch. Bis dahin einfach weiterfreuen und losklatschen: die passende Anleitung gibt’s auf „Exfreundin in Berlin“. Muss man einfach nur abfeiern, dieses Teil.
Friska Viljor hat in den letzten Jahren eine so große Schar an Fans um sich versammelt, dass man meint, man habe es in seinem Fall mit einer atemberaubenden Jahrmarktsattraktion zu tun. Auf seinem neuen Album „For New Beginnings“ hält sich der Überraschungspegel dabei zwar in Grenzen, seine Musik, die wirkt als würden Belle & Sebastian zusammen mit Conor Oberst und Gaslight Anthem zusammen in einem Zirkus auftreten, ist aber nach wie vor ein sympathischer, catchy Misch-Masch aus Pop und Folkmelodien, die mit einer winzigen Portion Punkrock garniert werden. Da kann man dann fröhlich im Takt zu springen, einmal tief Luft holen und die Melodien nach pfeifen. Trotzdem macht das Album auch beim zehnten Durchlauf noch Spaß. „For New Beginnings“ wirkt wie ein alkoholischer Durstlöscher, der die Lebensfreude sprunghaft ansteigen lässt. Das ist dann sowohl für Manu Chao-Anhänger, wie auch für Punkrockrecken attraktiv.
Einen ebenfalls ambitionierten Popentwurf knallen uns hinterher Morton Valence mit ihrer wunderbaren Ballade von „Bob And Veronica“ vor den Latz. In dieser romantisch veranlagten Musik lebt der Charme der großen Pop-Ballade gepaart mit einer gehörigen Portion Drama wieder auf. Das Album wird begleitet von einem über 100seitigen Taschenbuch, dass die Geschichte der beiden Protagonisten vor Augen führt. So ein Rumdum-Glücklich-Paket schnürt man ja normalerweise nur, wenn man olle Kamellen noch mal in neuer Form präsentieren möchte, aber bei Morton Valence ist das anders. Sie surfen auf „Bob And Veronica Ride Again“ wie die Raveonettes durch ein verstrahltes B-Movie und verzaubern den Hörer mit ihrer Mischung aus Jesus And The Mary Jane und Belle & Sebastian-Gedächtnissounds. Das Album entstand derweil übrigens nach dem inzwischen gängigen Prinzip, dass die Fans der Band sich in Form von Anteilen an der Scheibe beteiligten und so am Ende auf einen fetten Gewinn hoffen dürfen. Ich würde zudem dafür plädieren diese Story vielleicht noch auf Filmspule zu bannen. Da wird dann auch der letzte wie Gletscherspalten dahin schmelzen. Alles in allem: ein süß-saures musikalisches Road-Movie der Extraklasse.
Das Pop haben derweil auch endlich wieder ein neues Album am Start und schon im Opener des gleichnamigen Werks geht die Sonne auf. Straight from the „Underground“ macht sich die Band um Frontmann Bent Van Looy auf, die Herzen der Zuhörer im Takt hopsen zu lassen. Der Sound wirkt dabei fast ein wenig schroffer, als zuvor, ohne allerdings den Hang zur großen Melodie vermissen zu lassen. Und das anfangs etwas schräge „You Don´t Wanna Know“ geht beim dritten Mal fast schon als der große Hit der Scheibe durch. Nachfolgend werden dann schöne Erinnerungen an Phoenix wach („Wings“) und spätestens bei „Never Get Enough“ steht man mit Bacardi-gefüllten Wasserpistolen auf dem Zehn Meter Brett und injiziert sich beim schwerelosen Abflug eine Portion Glückseligkeit in Richtung Geschmacksnerven. Wer mal wieder wissen möchte, wie zeitloser Pop klingen sollte. Hier bekommt er das volle Programm, abgemischt von Soulwax. Da konnte ja eh nichts schief gehen.
Zum Abschluss geben wir uns dann noch mal die volle volkstümliche Breitseite mit LaBrassBanda. Die stecken ihre traditionellen Phantasien auf „Übersee“ gekonnt in ein poppiges Kleid. Das klingt im Opener fast schon ein bisschen nach Hans Söllner mit perkussivem Getrommel im Hintergrund und läuft nie Gefahr ins Plakative abzudriften. In diesem Album steckt so viel Seele, dass man sich wünschen würde, sie würden den üblichen Popverdächtigen aus Berlin Marke Ohrbooten und Konsorten ein wenig ihrer textlichen Raffinesse überlassen. Auf „Übersee“ treffen sich Posaunisten, Bassspieler und bayrische Sängersknaben zum Stelldichein am Strandkorb. Das vielleicht entspannteste Album, um sich die Sommersonne 2009 noch mal zu sich nach Hause ins Wohnzimmer zu holen. Einfach mal wieder zurück lehnen, gemütlich machen und das Leben genießen. Wir lesen uns beim nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?