Die werte Sängerin der Yeah Yeah Yeahs präsentiert in diesen Tagen den Soundtrack zu „Where The Wild Things Are“, einem netten Kinderfilm mit Plüsch-Figuren, der auch so manchem Erwachsenen Spaß machen dürfte. Karen O And The Kids jedenfalls lassen es ordentlich krachen auf vierzehn Songs, die wohl nicht nur unterbewusst am Sound der Underage-Riege kratzen und schmissig daher watscheln, wie die etwas lärmigeren Arien der Tiny Masters Of Today. Ich jedenfalls kann mich nicht erinnern, wann ich in diesem Jahr schon mal einen so polternden Hitreigen im Kinderlied-Format vor den Latz geknallt bekommen hätte. Da muss man auf der Stelle an Kimya Dawson denken, wenn sich Karen O durch „Capsize“ buchstabiert. Man merkt es der Künstlerin an: dieses Geschichte hier ist ihr eine echte Herzensangelegenheit; deswegen gerät mancher Song dann auch zum Schmachtgesang, sofern Karen O eben bereit ist, sich einer astreinen Schnulze wie „Worried Shoes“ zu öffnen. Man merkt ihr an, dass sie selbst hier gegen den geraden Klang des Klaviers anzubellen versucht. Keine Ahnung, aber diese Scheibe gehört zu den schräg-charmantesten Alben des Jahres. Moldy Peaches – reformieren und nachlegen.
The Films bemühen sich derweil auch auf ihrem neuen Album, die nächsten Kooks oder Mando Diaos zu werden. Ihre Musik ist wie geschaffen, um die Partylaune beim vorabendlichen Small Talk mit der besten Freundin ins Unermessliche zu steigern. Auf „Oh, Scorpio“ finden sich zehn schmissige Brit-Pop Hymnen, zu denen man sich die letzten Strahlen der Sonne zurück auf die Bildfläche holt. Diese Mucke sorgt dafür, dass die Party auch in herbstlicher Atmosphäre nicht zu Ende geht. Demnächst wird man diese Songs wohl auf den örtlichen Indie-Tanzflächen abfeiern und die Films schon deshalb tief ins Herz schließen, weil man die Band nicht mit der halben Welt zu teilen braucht. Wenn sie allerdings weiter solche Songs schreiben, wird sich das schneller ändern, als gedacht. Wer von Musik nicht mehr erwartet, als ein Hitfeuerwerk, wird mit „Oh, Scorpio“ glücklich werden.
Die Dogs on Catwalk könnten sich währenddessen als die legitimen Nachfolger von Joy Division empfehlen. Da wird die Düster-Attitüde von Ian Curtis mit einer gehörigen Portion Pop-Appeal der Marke „R.E.M.“ gekontert und daraus ein gelungener Mix zusammengebastelt, bis man meint, die Jungs wollten Popmusik nach dem Lego-Baukasten-Prinzip zusammensetzen. Nun kann man „Tainted Glove“ natürlich schon vom Titel her den Vorwurf machen, hier lediglich einer neu aufgekochten Popsoße zu lauschen, die den jungen Leuten in den Clubs formatgerecht in kleinen Dosen als Tanzflächenfutter vor den Latz geknallt wird, aber so schlecht ist die Scheibe dann gar nicht. Ganz im Gegenteil. Vor allem die erste Hälfte des Albums strotzt nur so vor Hits. Da müssen Interpol auf nächstem Album erstmal nachlegen. Bis dahin sind Dogs on Catwalk der perfekte Zeitvertreib für alle, die schon immer gerne zu Joy Division getanzt haben und die Ironie dieses Umstandes im vollen Maße genießen.
Auf „Warp20 (Chosen)“ versammeln sich derweil zum zwanzigsten Geburtstag des renommierten Elektro-Labels die größten Hits der vergangenen zwei Jahrzehnte aus dem Hause „Warp“. 50.000 Anhänger haben in einem eigens initiierten Voting ihren Favoriten gewählt. Der „Windowlicker“ von Aphex Twin ist demnach ebenso super, wie auch das Knallbonbon „Atlas“ von den Prügelknaben Battles. Weiterhin finden sich schicke Perlen aus dem Hause LFO, Clark, Squarepusher, Autechre und Konsorten unter den Gewinnern. Ein wahres Fest für Freunde der gehobenen Blitzlichtgewitter-Ästhetik. Wem das noch nicht reicht, der erfreut sich an dem, von Mitbegründer Steve Becketts, eigens zusammen gestellten Mixtape, das sich auf Seite B des Silberlings befindet. Da reihen sich charmante Tracks von Broadcast (einfach zauberhaft: „Tender Buttons“), Nightmares On Wax (mit „I´m For Real“ – dem perfekten Soundtrack, um nachts mit dem Bike eine lange Straße hinab zu schießen. Da bekommt man glatt das Gefühl, man würde E.T.-mäßig in die Erdatmosphäre abheben), Flying Lotus (betrachtet man dazu nachts mal ein altes Industriegebiet, dann schält sich plötzlich etwas wirklich Verstörendes in die karge Endzeitszenerie) und Grizzly Bear (so schön kann Indie-Pop sein). Wer noch nicht allzu viele Scheiben aus dem Hause „Warp“ im Schrank stehen hat: unbedingt zugreifen.
Alex Gopher macht sich derweil mit seinem neusten Release „My New Remixes“ daran die komplette Hipster-Szene der popmusikalischen Gegenwart zu verwerten. Alle sind sie dabei. Von Ladyhawke („Paris Is Burning“) bis Autokratz („Stay The Same“). Von Who Made Who (“Out The Door”) über Air & Etienne De Crezy (“Ash Sync”). Von Kraftwerk (“Aerodynamik”) bis Kid Sister (“Get Fresh”). Die Originale werden in zwanzig treibende Elektro-Ballermann-Disco-Tracks verwandelt, die einmal abgefeuert, jede Tanzfläche in ein verschwitztes Abwackel-Gebiet transformieren. Wer auf atemlose Beschallung im Grenzgebiet von Pop, Rock und elektronischen Geschredder steht, der kommt an dieser Scheibe nicht vorbei. Dabei aber bitte beachten: mit zunehmender Lautstärke steigt auch das Glücksgefühl. Für den Hausgebrauch jedenfalls sind viele der Tracks nur bedingt zu empfehlen. Außer man möchte alles in Grund und Boden rammen.
Giddy erinnern einen dann an diese sagenhaften Alternative-Rock-Schunkler aus den Neunzigern. Diese Bands Marke Buffalo Tom, Counting Crows und Konsorten. Vielleicht sind sie mit ihrem Album „Pugwash“ einfach ein bisschen zu spät dran. Haben sich in ihren übergroßen Holzfällerhemden verheddert und sich nun doch noch entschlossen, ihr unvollendetes Meisterwerk zu Ende zu bringen. Zu den Songs von „ Pugwash“ jedenfalls geht einem sofort das Herz auf. „It´s Nice To Ne Nice“ – da will man sofort wieder „Willkommen im Leben“ glotzen und sich vom Fenstersims aus die Schleierwolken draußen vor der Tür reinziehen, die da vom heftigen Sturm durch die Straßenschluchten der Stadt getrieben werden. Dass es solche Musik heute noch gibt, ist schon für sich genommen herzallerliebst. Aufgrund fehlender Alternativen in der Neuzeit erkläre ich sie deshalb vorübergehend zu meiner liebsten Herbst-Formation des Jahres. Mögen sie vom schönen Irland aus die Welt erobern.
The Echo Hunters nehmen die Dinge auf ihrem aktuellen Album „Cabin Fever“ derweil ziemlich gelassen. Eigentlich klingt die Band wie eine Reinkarnation von Neil Young, die Band fabriziert einen zurück gelehnten Mix aus Blues, Folk und Popmelodien. Das ist der perfekte Soundtrack, um auf einer einsamen Wüstenranch den Rindern beim Grasen zuzusehen. In solch herbstlich angehauchter Atmosphäre kommt einem diese Platte wie gerufen. Einfach den Lagerfeuer-Bildschirmschoner hochfahren, Play drücken und zurück lehnen. Dann pressen wir aus dem ganzen digitalen Scheiß hier doch noch einen Spritzer Emotion raus. Ein bemerkenswertes, traditionelles Werk ohne große Überraschungen. Hoffnungslose Nostalgiker sollten unbedingt zugreifen.
Fleur Earth wird derweil schon von allen Seiten als die deutsche Erykah Badu bezeichnet und ich muss zugeben: ihr Album kann was. Im Grenzgebiet zwischen Georgia Anne Muldrow und Lauryn Hill schlängelt sich ihre Stimme durch die achtzehn Songs und sorgt dafür, dass sich der Hörer niemals fragt, ob deutsche Sprache und Soulgesang denn nun wirklich zusammen passen. Das allein ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass das bisweilen nicht mal der durchaus talentierten Joy Denalane gelingt. Auf „Es entstehen Wesen“ vermengt die Künstlerin tiefsinnige Texte mit entspannten Jazz-Samples aus dem Hause Twit One und sorgt dafür, dass Neo-Soul hierzulande nicht allein in der Konsens Ecke der Marke Steen & Naidoo verreckt. Das hier hat nichts zu tun mit den gleichförmigen Hits im Nachmittagsprogramm der einschlägigen Radistationen, das hier ist „Straßenkötersoul“. Zitat: Fleur Earth. Over And Out. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?