„London Calling“ von The Clash muss ich hier wohl nicht mehr groß vorstellen. Das Teil ist ein Klassiker. Die Platte ist eine einzige Ansammlung von Hits aus dem verpunkten Sektor mit einer gehörigen Portion Popappeal. Bemerkenswert allerdings an der nun erscheinenden „30th Anniversary Edition“ ist, dass diese Stücke immer noch so frisch und unbekümmert anmuten, als würde man sie gerade zum ersten Mal serviert bekommen. Unzählige Hits der Marke „Rudie Can´t Fail“ und „The Guns Of Brixton“ zaubern einem ein Lächeln ins Gesicht und man reckt die Faust in Richtung Sommersonne. Scheißegal, dass gerade Winter ist. Darum geht’s ja schließlich im Punkrock. Die Scheibe wird zudem ergänzt um eine von Don Letts gefilmte Dokumentation namens „The Last Testament: The Making Of London Calling“. Dazu ein paar Aufnahmen der Band, die sie beim Einträllern der Songs in den Wessex Studios zeigt. Fettes Heftchen ist natürlich auch Ehrensache. Wer „London Calling“ also noch nicht sein eigen nennt – jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, das nachzuholen.
Die Stompin´ Souls möchte man derweil ganz doll herzen, weil sie so ein wunderbares neues Album aufgenommen haben. „Silhouettes“ möchte man insgeheim gar nicht in den gängigen Jahresendlisten der einschlägigen Musikgazetten finden. „Silhouettes“ möchte man lieber ganz für sich alleine haben. Da ist ein bisschen so, wie bei der ersten Moneybrother, nur dass hier nicht Soul gespielt wird, sondern astreiner Indie-Pop, der ebenso wie der letzte Entwurf von Molotov Jive oder Milburn durch hohes Hitpotenzial besticht, was allerdings nur diejenigen bemerken, die dem Album angemessen viel Zeit zur Entfaltung einräumen. Einmal im Ohr bekommt man den gleichnamigen Titeltrack, das dahin geschmetterte „Morning Bell“ und den Tanzflächenfüller „Two Birds“ einfach nicht mehr aus dem Kopf. Das vielleicht liebenswerteste Indierock-Album des Jahres. Reinhören und abfeiern. Da können die Kooks kacken gehen.
Fans von Morrissey können sich derweil wirklich nicht beschweren mit Veröffentlichungen unterfüttert zu werden. Sehr schick gerät da auch das Dreifach-Cd-Set aus dem Hause EMI, das Morrisseys größte Hymnen aus den Jahren 1988 bis 1995 versammelt. „The HMV / Parlophone Singles ´88-´95“ hat dabei nicht nur die entsprechenden Klassiker am Start, von denen einige völlig zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind, sondern auch alle längst verschollenen B-Seiten des Meisters. Insgesamt ergibt das am Ende ein Sammelsurium , bestehend aus 62 Songs, die nahezu alle für verträumte Nächte am Fenstersims taugen, wenn man mal wieder schwermütig in die Nacht blickt, während sich der Regen am kargen Licht der Straßenlaternen abseilt. Morrisseys Songs sind Tränen der Popkultur. Wer solche Unmengen an Herzblut schwitzt und im Laufe einer endlos anmutenden Karriere nicht an Bedeutung eingebüßt hat. Noch besser: vielleicht sogar auf dem Zenith seines Post-Smiths-Schaffens angelangt ist, dem gebührt vor allem eins: mein aufrichtiger Respekt. Diese 62 Leidensgeschichten sind einfach nur ganz großes Kino.
Cobra Starship machen derweil genau dort weiter, wo sie beim Vorgänger aufgehört haben. „Hot Mess“ ist das Album für all jene, denen Panic At The Disco inzwischen zu blutleer und Fall Out Boy zu wenig tanzbar geraten sind. Emo-Pop mit Blitzlichtsystem und fettem Augenzwinkern. Ein Umstand, der sich auch in den Songtitel widerspiegelt. „Pete Wentz Is The Only Reason We´re Famous“ – da muss man auch erstmal drauf kommen. Schade nur, dass nicht jeder Song von „Hot Mess” das hohe Niveau der beiden ersten Tracks zu halten vermag. Neben dem Rohkrepierer „Good Girls Go Bad“ und dem unsäglichen Titelsong, der sich anmaßt zur plumpsten Emo-Hymne des Jahres zu avancieren, hat dieses Album dennoch einige ganz famose Partykracher an Bord. Da vergisst man schnell das schmierige Artwork. Einfach Play drücken und die Nacht durchtanzen.
Hinterher dann zum endgültigen Durchdrehen am Besten die neue Scheibe von Royal Bangs einwerfen. Die Band behauptet von sich, mehr Ideen am Start zu haben, als die letzten drei TV On The Radio Alben zusammen. Ob so was nun unbedingt von Vorteil ist, wenn man alles so zugekleistert? In diesem Fall funktioniert es. Royal Bangs begegnen dem Überfluss einfach mit einer gehörigen Portion Ambition und landen irgendwo zwischen himmel hoch jauchzenden Arcade Fire-Momenten, holpriger Campesinos-Klatsche und übereifrigem Polter-Pop, der dem Hörer das Gefühl vermittelt, hier wollte jemand im heimischen Wohnzimmer gerade Indierock neu erfinden. Auch wenn sie das am Ende nicht ganz schaffen, macht „Let It Beep“ aber trotzdem viel Spaß, wenn man die Regler der Anlage mit diesem ungestümen Bastard im Schlepptau auf Anschlag hievt.
Blind Melon bemühen sich derweil auf „For My Friends“ den 90er Jahre Alternative-Rock mit einer gehörigen Portion Blues und fett produzierter Rockklatsche aufzuplustern. Klingt allerdings viel schlimmer, als es letztendlich ist. „For My Friends“ ist einfach nur ein gelungenes Rockalbum, das die üblichen Verdächtigen aus dem Hause Nickelback und Konsorten so alt aussehen lässt, wie es bei ihrem unsäglichen Rockbrei angemessen erscheint. Mit der letzten Alice in Chains bin ich nicht so richtig warm geworden, obwohl ich die Band früher klasse fand, Blind Melon fand ich früher kacke, dafür läuft „For My Friends“ nun schon seit mehreren Stunden auf Dauerrotation in meiner Anlage. Alles in allem ein bodenständiges, 90er beeinflusstes Stück Post-Grunge, für alle, die sich immer noch auf Festivals mit alten Tapes von Bush und Konsorten ausstatten.
Rakim macht es einem derweil nicht schwer ihn auch auf seinem neuen Album wieder als Rapper von Format zu titulieren. Der renommierte Reimer hat nicht nur eine illustre Gästeliste am Start, wobei unter anderem Jadakiss und Busta Rhymes ihre Styles zum Besten geben, sein neues Album „The Seventh Seal“ besticht auch durch eine gehörige Portion Pop-Appeal. Rakim liefert den perfekten Soundtrack um mit runter gekurbelten Scheiben um die nächste Straßenecke zu hüpfen. Ein bemerkenswert zurückgelehntes Werk von einem Künstler, dem man anmerkt, dass er etwas Langlebiges schaffen möchte in Zeiten, wo Rapper schneller Mixtapes raus hauen, als dass nur annährend etwas Nachhaltiges dabei raus kommen könnte. Also Bassboxen auf Anschlag und ab dafür.
Timbaland präsentiert derweil mal wieder ein neues Album, sorgt allerdings zeitweise für Kopfschütteln, wenn er so unsägliche Gesellen, wie Chad Kroeger und The Fray zu sich ins Studio einlädt, um nahezu alle Zielgruppen abzudecken. Positiv anzumerken ist, dass die Songs mit Justin Timberlake und Nelly Furtado mal wieder vor Augen führen, dass in Sachen Popmusik auch 2009 noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Katy Perry geht gerade noch so okay, aber ansonsten wird hier aus dem Hause Keri Hilson und Daughtry viel zu viel Verzichtbares an den Mann gebracht, auf das man nur zu gerne verzichtet hätte. Hoffen wir deshalb, dass sich Timbaland in Zukunft wieder auf seine Kernkompetenz besinnt und sich den Ausflügen in rockige Gefilde weitestgehend verschließt. Alles in allem ist die Scheibe aber dennoch schön durchzuhören. Und damit Schluss für heute. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?