Unter dem Projektnamen „Athens“ haben sich die britischen Elektro-Urgesteine von Underworld an ihren musikalischen Wurzeln abgearbeitet und eine exquisite Auswahl an Tracks aus dem Dickicht der elektronischen Rauschschwaden zurück ins Blitzlicht gezerrt, die sich durchaus sehen lassen kann. Der angejazzte Porno-Sound von Alice Coltrane, die avantgardistischen Pulsschläge von Squarepusher, die weinerliche Psychedelic-Phantasien vom Mahavishnu Orchestra oder das verfunkt hippelige „Gnaumankoudji“ von Laurent Garnier bieten alles, nur keine Stangenware. Underworld Vs The Misterons legen mit „Athens“ ein solch vielfältiges, wie formvollendetes Stück Elektro-Geschichte vor, das nicht nur Nostalgiker dem schummrigen Sound dieser Compilation auf der Stelle verfallen dürften.
Wer derweil ein bisschen Sehnsucht nach den 90ern hat -Zeiten, in denen Blackmail noch so richtig Krach machten-, der sollte sich mal Scumbuckets Monster namens „Heliophobia“ reinziehen. Fans werden sich fragen, was soll der Scheiß? Das Teil gab´s doch schon mal und yep: die Anhänger der verrockten Indie-Haudegen haben verdammt noch mal Recht. Die Schlawiner von Scumbucket haben nämlich ihr Debütalbum von 1996 noch mal neu eingespielt. Den Songs tut das nicht sonderlich weh, weil sie jetzt endlich in ein ansprechendes Format transformiert wurden, ohne dass man den schroffen Klang von damals vermissen müsste. Blackmails musikalische Blutsbrüder zeigen mit diesem Werk, wie man anspruchsvolles Prog-Getöns mit schmissigen Rockmelodien verziert. Also Regler hoch und abgehen.
Juri Gagarin schicken derweil eine „Cobra“ auf die Reise ins Elektroland. Das Kollektiv aus dem Hause „Audiolith“ reiht sich mit seinem brachialen Sound nahezu passgenau in das Hamburger Label-Format ein. Da wird an den Maschinen gefummelt, als wolle man den Lautstärke-Regler einmal um die eigene Achse drehen. Die Bassboxen pulsieren und die Schweiß-Flecken breiten sich unaufhaltsam auf den Shirts der anwesenden Gäste aus. Mit treibenden Schmankerln, wie „Whip“ und „Electric Fucker“ (siehe auch: „Elektrofikke“ von „Frittenbude“), rufen sie schöne Erinnerungen an Uffie und Konsorten wach. Außerdem dürfen zwischendurch auch mal Bratze und Frittenbude selbst ans Mikro, was dazu führt, dass man gar nicht genug bekommt von dieser blinkenden Elektroparty. „Audiolith“ zeigen auch im Jahre 2010 keinerlei Ermüdungserscheinungen, deswegen schnell noch die Tanzschuhe überstreifen und auf in Richtung Lichtermeer.
Quietschfidel geht’s hinterher weiter mit freundlicher Unterstützung von Elektro-Tüftler Pawel. Mastermind Paul Kominek hat doch tatsächlich sein erstes Album am Start – hat ja auch lang genug gedauert. Zehn Jahre genau genommen und ebenso entspannt, wie die Veröffentlichungspolitik des Künstlers, gestaltet sich auch der Hörgenuss des gleichnamigen, reduziert anmutenden 10 Track-Monsters, mit dem der Mitbegründer des „Dial“-Labels hier auf die Tanzflächen losgeht. Die minimalistischen Gebilde Pawels sind dabei sicher nicht jedermanns Sache, im heimischen Wohnzimmer zudem auch nicht unbedingt zur euphorisierenden Beschallung geeignet, aber in den Nebelschwaden des Clubs verfällt man diesen glasklar strukturierten Rhythmen sofort. Die Freiräume in der Musik entwickeln ein Eigenleben. Alles befindet sich im Fluss. Alles steuert in letzter Konsequenz auf den großen Moment der so genannten Bruchstelle zu. In diesem Moment der Stille möchte man einfach nur die Hände in die Luft reißen um die Macht der Reduktion zu preisen. So klingt Vehemenz in Konsequenz – unter zugegeben: geringsten Einsatz von Mitteln.
Wer mal wieder Lust auf zurück gelehnten HipHop mit Jazz und Funk-Einflüssen verspürt, der sollte sich an Tettorybad halten. Die setzen die drei unterschiedlichen Stile nämlich auf „Unite“ in schlüssiger Weise zusammen und landen damit irgendwo zwischen Jazzanova und Q-Tip. Die Scheibe kam in Japan schon vor einem Jahr auf den Markt und könnte auch hierzulande – zumindest in Szenekreisen – für allerhand freudiges Kopfnicken beim Publikum sorgen. Die elf Tracks tun keinem weh, sorgen mit dem gezielten Einsatz von Bläsersätzen und House-Sprengseln aber für ein nachhaltiges Gesamterlebnis. Wer bereit ist, sich mal wieder eine Albumlänge zurück zu lehnen und die Welt da draußen an sich vorbei ziehen zu lassen, der wird in „Unite“ einen äußerst entspannten Weggefährten finden.
Wer hinterher dann auch noch eine Runde im Kreis hopsen möchte, der könnte bei Le Peuple De L´Herbe an der richtigen Adresse sein. Das flippige Frontcover von „Tilt“ gibt die Richtung vor. Alles blitzt und blinkt, der Bass drückt, die Samples sitzen. Dazu ein Sound im Grenzgebiet von Post Punk, Dub und Rapmusik, der sich nicht groß darum schert, irgendwelchen Konventionen zu entsprechen. „Tilt“ klingt so intergalaktisch, als hätten die Beastie Boys plötzlich die Jungs von Major Lazer im Studio überrascht und zu einem Jam eingeladen. Die Scheibe wechselt ständig dir Richtung, wühlt sich durch die unterschiedlichsten Stilrichtungen und macht dabei auch nicht Halt vor Jazz, Reggae und Drum´N´Bass-Gefilden.
Der Songschreiber Adam Arcuragi müht sich derweil auf seinem neuen Album „I Am Cebome Joy“ daran ab, Folk, Americana, Pop und Gospelklänge zusammenzuführen. Das gelingt ihm vor allem im Opener ganz hervorragend. Da können die Fleet Foxes schon mal Angst bekommen. Hier wird nämlich nicht groß verschachtelt und verbuddelt, hier geht’s ziemlich puristisch zur Sache. Adam Arcuragi kriegt dabei immer wieder die Kurve, selbst wenn man beim Auftakt von „Math“ meint, da würde jetzt eine üble Trucker-Hymne abgeliefert. Ganz im Gegenteil: da treibt dann plötzlich wieder diese Stimme ihr Unwesen, die die Musik so viel erhabener wirken lässt, als so manches, was in Sachen Folkpop zuletzt auf Menschheit losgelassen wurde.
Hinterher darf man dann so mancher die letzte Frank Turner aus der Anlage nehmen. Mike Doughty, seines Zeichens ehemaliger Sänger von Soul Coughing, hat nämlich eine neue Scheibe am Start, die unnachahmlich zwischen den Polen Songwriter-Pop und Country hin und herpendelt und vor allem von ihrem trockenen Humor zehrt. Das perfekte Futter also für alle Punkrocker, die sich zuhause auch mal einen gemütlichen Abend am Kamin gönnen. Der „Sad Man Happy Man“ zeigt auch auf seinem achten Album (in neun Jahren) keinerlei Verschleißerscheinungen. Die Songs zucken rhythmisch vor sich hin, so dass man sofort mit den Zehenspitzen im Takt wippt und sich ein Bierchen nach dem anderen hinter die Binde kippt. Wer nach den dreizehn Songs noch nicht heißer vom Mitgrölen ist, der kann sich über die Zugabe „Half Smofe“ freuen, die das sympathische Label „Noisolution“ dem Tonträger als besonderes Extra untergeschoben hat. Die Scheibe zeigt einen Mike Doughty in Bestform auf Tour in Minneapolis. Danach möchte man auf der Stelle einem Live-Auftritt des sympathischen Sturkopfs beiwohnen. Jubel, Trubel, Traurigkeit. So schön kann akustischer Poppunk sein. Und damit Schluss für heute. Gutes Neues und bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?