Die Local Natives könnten Vampire Weekend und Bombay Bicycle Club den Rang ablaufen, wenn sie weiter so schöne vertrackt-beschwingte Hymnen abliefern, wie auf ihrem nun vorliegenden Album „Gorilla Manor“. Ein feuchter Indie-Traum von einer Platte ist das. Locker flockig einen Schneeball in die Fresse ballern und dann mit dem Schlitten die Piste runter jagen, damit einen die Besudelten nicht mit einem Racheakt nötigen. Sind eben echte Schlawiner, die Jungs aus Silver Lake bei Los Angeles. Wäre die Scheibe am Ende noch zwei Stücke kürzer geraten, die ganze Welt wäre ihnen für diesen Hitreigen zu Füßen gelegen. So allerdings lassen wir uns überraschen, ob sie nach dem anfänglichen Hype weiter ihren Kopf über Wasser halten. Dieser Band, die zuletzt neun Mal hintereinander an zwei Tagen beim SXSW Festival 2009 auf der Bühne stand, wäre es durchaus mal zu wünschen.
Zeit nehmen sollte man sich hinterher für Tarantinos Zitatgewitter „Inglourious Basterds“, dessen Eröffnungssequenz zum famosesten gehört, was in den letzten Jahren so über die Leinwände flimmerte. Zum Film gibt es derweil nicht mehr viel zu sagen. Haben ja eh alle Cineasten schon gesehen. Sieht man mal davon ab, dass Diane Kruger und Til Schweiger durchaus Akteure sind, über deren schauspielerische Leistungen sich streiten ließe, muss man Tarantino zumindest zugestehen, dass er letzteren im Kontext des Films entsprechend seiner Möglichkeiten einsetzt. Ansonsten wird hier ganz großes Kino geboten, auch weil Tarantino sich dem schwierigen Thema so respektlos annähert, wie man es von ihm erwartet. Alles in allem sollte jeder, der sich den Film nicht schon im Kino rein gezogen hat, auf der Stelle nach dieser DVD greifen. „Inglourious Basterds“ macht nämlich auch ohne das Wissen um die zahlreichen Querverweise ordentlich Spaß.
OK Go geben sich derweil auf ihrem neuen Album allerhand Mühe die Erinnerungen an das nimmermüde Laufstall-Video von „A Million Ways“ im Schnee zu versenken und fabrizieren verwegene Gesangs-Eskapaden im Opener ihres neuen Albums „Of The Blue Color Of The Sky“. Spätestens beim Song „This Too Shall Pass“ befindet man sich allerdings schon wieder im Zentrum der Glückseligkeit. Diese Scheibe sollte man sich zusammen mit der Letzten von den Virgins auf ein Sommertape überspielen und dann kann einem der Schneematsch da draußen aber mal so was von kreuzweise. OK Go machen mit ihrer Musik einfach nur gute Laune. Wo Bombay Bicycle Club mehrere Anläufe benötigen, zielen OK Go schon beim ersten Durchgang auf den Tanzboden und feuern ihre hymnischen Hitsingles wie Revolverpatronen auf die Füße des Zuhörers, so dass der gar nicht anders kann, als hektisch im Kreis zu springen. Außerdem weben sie ein paar geschickte Widerhaken in den Hitreigen mit ein, so dass das Ganze auch nach mehrmaligem Hörgenuss nicht an Spannung verliert. Eine wirklich gelungene Platte, die zum Liebhaben einlädt, ganz im Gegenteil zum unsäglichen Covermotiv. Das hätten OK Go am besten direkt in den Zwischenräumen ihres Laufrads versenkt.
Hinter Everybody Was In The French Resistance… Now! verstecken sich derweil die beiden Anarcho-Sympath(inn)en Dylan Valdes (The Blood Arm) und Eddie Argos (Art Brut). Dem charmanten Post-„Casablanca“-Artwork folgt auch in musikalischer Hinsicht ein imposantes Popwerk, dass wirkt, als wollte da jemand die Schleimspur von den ganzen Plastikpüppchen im Musikfernsehen mit einer gehörigen Portion Qualität aufputschen. „Fixin´ The Charts“ bietet große Momente, die aber absichtlich immer wieder ad absurdum geführt werden. Soll heißen. Hier gibt’s die Antwort auf euer aller Lieblingspopsongs. Allein schon die sympathische Schräglage von Argos Stimme sorgt dafür, dass ein fettes Augenzwinkern im Raum zurückbleibt, wenn die letzten Misstöne der Scheibe verklingen. Die zuckersüße Melodie von “G.I.R.L.F.R.E.N (You Know I Have On)” klebt einem noch Stunden später in den Gehörgängen und so kann man die beiden eigentlich für so viel Spitzbübiges a la Dylan und Sinatra nur noch ganz tief ins Herz schließen. Wie würde Kanye West so schön sagen? Die Scheibe ist echt „Coal Digger“.
Nikko Weidemann ist derweil einer dieser deutschsprachigen Sänger, die man auf den ersten Blick direkt wieder in eine No Go-Ecke packen möchte, weil einem dieser schmachtende Gesang so dermaßen auf die Nerven fällt, dass unsägliche Erinnerungen an die Schandtaten von diversen Revolverhelden aufkommen. Nach einer gewissen Einhör-Phase allerdings entpuppt sich „Schöne Schmerzen“, als charmante Alternative zum letzten Tune von Voltaire. Hier ertrinkt das Schluchzen des Sängers zwar nicht im musikalischen Fluss der Scheibe, dennoch bieten Songs wie „Ewigkeit für einen Moment“ eine erstaunliche hohe Halbwertszeit. Die Songs sind zwar eine Spur zu glatt gebügelt, weshalb man immer wieder das Gefühl bekommt, hier einen deutschen Robbie Williams vor den Latz geknallt zu bekommen, dennoch dürften Fans von Virginia Jetzt! und Anajo ganz hervorragend zu diesen Melodien abgehen. Manche schimpfen das dann Neo-New-Wave, für andere ists schlicht Schlagerpop.
Wohler fühle ich mich persönlich mit dem neuen Album von Tony Sly. Der Sänger von No Use For A Name macht ernst und lässt sein lang erwartetes Solodebüt auf die vereinte Punk-Romantiker-Gemeinde los. Frank Turner und Mike Doughty-Fans dürften zu diesen Songs die Tränendrüsen aufgeschraubt werden. „12 Song Program“ gehört zu den schönsten Songwriter-Alben der letzten Jahre. Wer sich gelegentlich zum Schaffen von Nikola Sarcevic oder Joey Cape (mit dem Tony Sly ja bereits eine Akustik-Split-EP eingeträllert hat) die Herzkammern erwärmt, der wird begeistert sein von dieser Platte. Mögen die kalten Tage also noch ein bisschen länger andauern. Mit diesem Album wird einen auf jeden Fall warm unter der Nietenjacke.
Während die Meinungen über die Qualität des Streifens „Same Same But Different“ bisweilen meilenweit auseinander driften, lädt der Soundtrack vor allem im zweiten Abschnitt zum Träumen ein. Slut, Konstantin Gropper (Get Well Soon), Cat Power / Karen Elson, Miss Kittin und Charlotte Gainsbourg stürzen alle einsamen Indie-Hörer-Herzen in einen wahren Reigen der Glückseligkeit . Peter Fox und klassisches Liedgut der Marke Schubert sorgen im ersten Abschnitt für die passende Stilvielfalt und weil das alles so gut rein läuft, verzeiht man dem Regisseur auch, dass er ausgerechnet die unsägliche Gesangskapelle Rammstein mit dem Song „Amour“ im Trailer des Films platziert. Ein imposanter Rundumschlag in 14 Akten, der neugierig macht und den Hörer dazu anregt, dem Schaffen des ein oder anderen gefeatureten Künstlers etwas weiter auf den Grund zu gehen.
The Black Box Revelation machen derweil auf ihrem neuen Album genau dort weiter, wo sie bei ihrem Erstling aufgehört haben. Eingeläutet wird der Post-Grunge-Reigen mit breiter Garage-Rock-Breitseite vom unbändig vor sich hin donnernden „High On A Wire“. Dieses Niveau halten sie zwar nicht über die gesamte Länge des Albums, dennoch erzeugen die Songs schöne Erinnerungen an die 90er, als man allerhand Mädels und Jungs in zerfetzten Jeans und mit böser Miene durch verträumte Videoclips schlurfen sah. Spätestens wenn man sich zu „Run Wild“ auf den Teppichboden kniet und ein Luftgitarrensolo par excellence aufs Parkett schmettert, presst sich auch der letzte Nostalgie-Verweigerer ein brachiales „Run Wiiiiiiiiiiiiild“ aus der Seele, als ob es das Letzte wäre, was er in diesem Leben noch tun wird. „Silver Threats“ ist ein Album vor dem man auf die Knie fällt, auch wenn es in Sachen Hitqualität nicht ganz an den Vorgänger heranreicht. Ein brachialer Abschluss für den heutigen Zuckerkick. Also geht mal wieder Feiern. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?