Was für ein Wochenende… besser gesagt: was für eine Woche. Das 36. Internationale Filmwochenende zu Würzburg stand auf dem Programm und los ging es schon am Dienstag in der Posthalle, wo Naked Lunch den österreichischen Film „Universalove“ vertonten und unter Beweis stellten, wie man seine Zuschauer mit dem Dampfhammer an Emotionen streichelt (anstatt sie zu erschlagen). Die vertonten Szenen wirkten so unmittelbar, dass man sich bisweilen vollends in dem Spektakel verlor. Der Inhalt des Films selbst hat sich mir zwar bisweilen nur geringfügig erschlossen, die Tendenz geht aber eher dahin, sich das Teil noch mal rein zu ziehen.
Am Mittwoch startete dann das reguläre Festival, diesmal nur noch in Cinemaxx und Bockshorn. Zuschauertechnisch hatte das keine großen Auswirkungen. 12.000 waren das Wochenende über da und wenn ich mich so entsinne, herrschte in keinem der Säle, wo ich zu Gast war, gähnende Leere. Der Auftakt selbst war mir dann ein bisschen zu kindisch. Aber was will man auch erwarten, wenn man sich zur Eröffnung den Kinderfilm „Le Petit Nicolas“ (Frankreich) reinzieht. Ist ja schließlich ein Jugendfilm und zumindest vom ästhetischen her für jeden „Amelie“-Fan ein gefundenes Fressen. Hinterher folgte dann „La Milagrosa“ (Kolumbien) – eine kolumbianische Entführungsgeschichte, die zwar zwischenzeitlich sehr gut funktioniert, aber bisweilen leider die letzte Konsequenz vermissen lässt. Die eingebauten Fußball-Sequenzen wollen da nicht so recht ins Bild passen. Lockern das schwierige Thema zwar auf, wirken aber bisweilen etwas konstruiert. Famos dagegen das abendliche Abschlussfeuerwerk „Mary & Max“ (Australien), das zu Recht in einer Sondervorstellung am Sonntag noch mal aufgeführt wird. Das geknetete Meisterwerk des schwarzen Humors sollte sich jeder reinziehen, dem „Corpse Bride“ und Konsorten ein Lächeln aufs Gesicht zaubern. Noch besser war eigentlich nur die Ansage vor Beginn, als der betreffende Vorsteller seine erste Begegnung mit dem Streifen auf einem Zombiemovie-Filmfest schildert. Ganz großes Kino.
Donnerstag geht’s dann nicht minder toll weiter. „Riprendimi“ (Italien) krankt zwar ein bisschen daran, dass sich hier immer wieder der „Dokumentation im Film-Aspekt“ zum Störfaktor entwickelt, weil er nicht konsequent angewendet wird, die Pseudo-Doku ist aber dennoch bemerkenswert authentisch und präsentiert einen erfrischenden Ansatz, wie man cineastisch die Bruchstücke einer gescheiterten Beziehung seziert. Hinterher folgt „Bergfest“ (Deutschland), der im Großen und Ganzen weniger radikal ausfällt, als erwartet, gerade deshalb aber erstaunlich gut funktioniert. Der Konflikt ist glaubwürdig und der Zuschauer wird absichtlich ohne zufrieden stellende Antworten aus der Szenerie entlassen. „Black Dynamite“ (USA) beschließt dann den Abend mit einer gehörigen Portion Augenzwinkern und plündert die größten Momente des „Blaxploitation“-Booms, verliert allerdings gegen Ende etwas an Drive.
Freitag folgt dann der Hillbilly-Stampfer „White Lightnin´“ (USA), der aufgrund seiner expliziten Gewaltdarstellungen gegen Ende einige Zuschauer in die Flucht schlägt, aber insgesamt doch recht gelungen rüberkommt. Anschließend sehe ich den meines Erachtens besten Dokumentarfilm der letzten paar Jahre. „20 Seconds Of Joy“ (USA) vermag in nur 60 Minuten das Schicksal einer Base-Jumperin zu umreißen, dass man sich fühlt, als würde man in einen Sog der Emotionen gerissen. Das ganze Teil ist nicht nur spannend und temporeich gefilmt, sondern auch mit einer großen Portion Tiefgang ausgestattet. Für mich definitiv unter den Top3 des Festivalwochenendes. „Pink“ (Deutschland) von Rudolf Thome krankt dann leider an seiner unglaubwürdigen Story (die erste Hälfte), kriegt aber mit zunehmender Länge doch noch die Kurve. Am Ende ist man versöhnt. Und schleppt sich irgendwie noch durch „The Good, The Bad, The Weird“ (Südkorea), der es vermeidet, seine Charaktere allzu sehr ins Lächerliche abdriften zu lassen, und mich so davon abhält, meine Augen nicht dauerhaft geschlossen zu lassen. (Was zu gegebener Stunde durchaus als Kompliment zu verstehen ist). Storytechnisch allerdings muss ich dann doch passen. Der Film war zwar jetzt nicht sonderlich tiefgründig, aber dafür meine Augenränder.
Am Samstag schleppe ich mich irgendwie um 11 Uhr morgens zurück ins Kino, verfehle den richtigen Saal, schleppe mich weiter durch Charlie Kaufmans „Synecdoche, New York“ (USA), der erst auf deutsch läuft, dann schwarz wird und schließlich noch mal auf englisch startet. Etwas zu surreal für mein verplantes Hirn. Dem wiederum mundet „A´l Origine“ (Frankreich) schon mehr. Wer immer schon mal wissen wollte, wie man eine Straße mitten ins Nichts stellt, ohne auch nur einen Cent auf der Kralle zu haben, sei der Streifen hiermit empfohlen. Soll ja wahr gewesen sein, die Geschichte. Das wiederum scheint mir nun wirklich unglaublich. Danach gabs dann noch „Kleine Fische“ (Österreich), der ein bisschen rüber kam, wie „Six Feet Under“ in der österreichischen Variante und nicht ganz so morbid. Hat Spaß gemacht, reichte aber nicht an „Parkour“ (Deutschland) heran, den meiner Meinung nach besten Film des Wochenendes, weil er einerseits imposanten Aufnahmen der verwegenen Sportart zeigt, andererseits aber auch ein ziemlich rabiates Eifersuchtsdrama in petto hatte. Das Ende wird anschließend noch ausgiebig diskutiert. Ich finde es gerade aufgrund seiner zahlreichen Deutungsmöglichkeiten nahezu famos.
Der Sonntag beginnt dann meiner Meinung nach eine Spur zu melodramatisch. „Tutta Colpa Di Giuda“ (Italien) ist ein gelungener Film mit musikalischen Beilagen, krankt aber bisweilen an seiner sozialromantischen Grundeinstellung. „Kisses“ (Irland) hingegen ist auch nicht ganz frei von Sozialromantik, wirkt aber über weite Strecken glaubwürdiger, als der Vorgänger und zur Musik von Bob Dylan ist ja eigentlich eh scheißegal, wie die Qualität des dazu gehörigen Filmes ist. Was jetzt aber bitte nicht heißen soll, dass „Kisses“ kein charmanter Streifen wäre. Die Story über zwei junge Ausreißer, die sich mit lockeren Sprüchen auf den Lippen herzerwärmend durch die Gosse schlagen, hat nicht nur Wortwitz, sondern auch einige wirklich bewegende Szenen in petto. Zum Abschluss meines Wochenendes schaue ich mir anschließend noch „Come Dio Comanda“ (Italien) an – bin allerdings schon viel zu platt, um mir noch eine Meinung zu bilden.
Alles in allem macht dieses Wochenende einfach nur Lust darauf, dass bald ein neues Programmkino in der Frankenhalle aus der Taufe gehoben werden möchte (kann ja schließlich nicht sein, dass es in einer Studentenstadt wie Würzburg kein anspruchsvolles Programmkino mehr steht). Weitere Infos zu den Plänen und Mitmachmöglichkeiten unter anderem hier: http://wuerzblog.de/2010/02/01/wir-basteln-ein-programmkino/
Weitere Infos zu den Gewinnern des Wochenendes: http://www.filmwochenende.de
UND WAS NUN?