Die halbe Hauptstadt kämpft auf dem Sampler „Listen To Berlin“ um die Aufmerksamkeit des Hörers. Hier wird himmelhochjauchzender Pop (Super 700) mit kühler Elektronik gekontert (Cobra Killer). Hier treffen die Großmeister aus elektronischen Gefilden (DJ T, Moderat) auf die frechen Indie-Pop-Elektronika aus dem Hause Masha Qrella. Unter dem Banner „Berlin Music Commission“ versammeln sich auf dem Silberling 18 Tracks und verschaffen dem Neueinsteiger einen imposanten Überblick darüber, welch vielseitige Szene derzeit in Berlins Clubs zwischen den Polen Elektronik, Indie und Pop am Start ist. Auch wenn viele der Songs dem geneigten Clubgänger bereits bekannt sein dürften: alles in allem ein gelungener, äußerst vielseitiger Mix für Neueinsteiger.
Und wo wir gerade bei Berlin sind, sei hier auch noch mal auf die passende DVD für den Durchhänger nach der nächtlichen Elektro-Sause verwiesen. „Berlin Calling“ ist ein charmanter Film über den alltäglichen Wahnsinn des Berliner Elektro-Sympathen Paul Kalkbrenner, der im Alltag von einem Fettnäpfchen ins Nächste stolpert. Die unmittelbare Atmosphäre des Films überträgt sich sofort auf den Zuschauer. Jeder, der schon mal atemlos durch die Clubs der Hauptstadt gestreift ist, wird seine eigenen Erinnerungen in dieses sympathische Stück halbautobiographischer Phantasien einfließen lassen. Paul Kalkbrenner alias Ickarus streift nimmermüde durch die Nacht, pendelt zwischen Freundin und Techno-Parties in In- und Ausland hin und her und landet schließlich in einer Suchtklinik, die er ordentlich aufmischt. All das wirkt so sympathisch, lebensecht, bisweilen auch drastisch, dass man dem Charme des Films auf der Stelle erliegt. Ich hätte mir am Ende vielleicht noch etwas mehr Clubatmosphäre gewünscht, wobei hier das Bonus-Material der DVD Abhilfe leistet. Darauf versammeln sich neben neuen Szenen und Pannen auch Club-Sequenzen und Gigs in der Bar 25 & Maria. Außerdem ein paar Ausschnitte vom „Welcome to the Future Festival“ und Extra-Interviews mit Hannes Stöhr, Paul Kalkbrenner, Sascha Funke und Konsorten. Alles in allem, ein Muss für jeden Clubgänger. Für alle anderen, die mit Techno eher weniger am Hut haben, aber auch ohne den Club-Aspekt sehr zu empfehlen.
Der DJ, taz- und Spiegel-Schreiberling Tobias Rapp nimmt uns hinterher in seinem Roman „Lost And Sound“ mit auf eine Reise durch das Nachtleben Berlins. „Berlin, Techno und der Easyjet“ lautet die Devise dieses analytischen Romans, der sich im Gegensatz zu Airens „Strobo“ nicht nur um das Nachtleben selbst schert, sondern auch die Zusammenhänge im Berliner Clubhimmel aufdeckt. Man könnte in gewissem Maße anmerken, das Airen sich im Blitzlichtgewitter des Clubs suhlt, während Rapp noch Verbindungslinien auf der Landkarte Berlins zeichnet. Seine eigens aufgestellte These in diesem Buch würde man nicht unbedingt viel über Musik erfahren, ist haltlos. Das unmittelbare Erleben wird zwar analytisch umschifft, der Roman wirkt aber dennoch unmittelbar. Die eingestreuten Clubszenen wirken nachvollziehbar, aber am bemerkenswertesten ist Rapps Buch vor allem in der Hinsicht, dass er einem das Gefühl vermittelt, zu verstehen, wie das System „Berlin“ eigentlich tickt. Wer mit wem. Wann und wo. Wie kam es dazu. Rapp schafft Ordnung im Zentrum des Chaos. Seine Sätze sind wie Beats, die den Leser anfixen. Einmal darauf angesprungen, bewegt man sich am Puls des Autors. Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal ein (sagen wir mal…) wissenschaftliches Werk gelesen habe, dass mich so in Bann gezogen hat.
Men Among Animals bezaubern hinterher mit perkussivem Geklöppel, als würden sie eine städtische Müllhalte beackern. Das erinnert ein wenig an das letzte Album von Animal Collective nur ohne deren ständige „Wir klatschen alles voll“-Taktik. Die Songs von „Run Ego“ bleiben trotz ihres imposanten Drumherums immer noch Songs, die man am Liebsten sofort ins Herz schließen möchte. Die Band wildert zudem hin und wieder in New Wave-Gefilden, wobei auch der ein oder andere Hit für die Tanzfläche raus springt. Alles in allem ein ambitioniertes Indie-Pop-Werk, dass allen ein Lächeln ins Gesicht zaubern dürfte, denen die letzte Grizzly Bear ein wenig zu ruhig geraten ist. Weiter so, bitte.
Wer derweil ein bisschen in Nostalgie verfallen möchte, sollte sich mal an den düster-schaurigen Sampler „Bustin´Out“ – New Wave To New Beat: The Post Punk Era 1979-1981“ heranwagen. Eine gewisses Faible für schwarz-getönte Tanzfeger vorausgesetzt, spulen einen die Songs von Killing Joke bis Dead Can Dance / Front 242 bis Lizzy Mercier Descloux dreißig Jahre in die Vergangenheit zurück und klingen trotzdem so frisch, als hätte man das Ganze erst vor kurzen auf Tonband gebannt. Für alle Jungspunde seit gesagt, dass sich im schicken Beilage-Heft auch noch zahlreiche Hintergrundinfos verstecken. Kann man eigentlich nicht meckern, man fragt sich nur leicht nostalgisiert, ob Sampler wie diese nicht schon bald der Vergangenheit angehören. Überspielt ja eh gleich jeder auf seinen MP3-Player.
Ringo Starr ist derweil mal wieder auf Solo-Pfaden unterwegs. Trotz einer illustren Gästeliste von Rock-Urgestein Dave Stewart über Joe Walsh und Gary Wright, Benmont Tench von den Heartbreakers, Joss Stone und nicht zuletzt Paul McCartney, kommt sein neues Werk natürlich nicht an die Großtaten von früher heran. „Y Not“ ist alles in allem einfach ein kompaktes Rockalbum, das allen Spaß machen dürfte, die sich zu Matchbox 20 und Konsorten des Schiebedachs im Auto entledigen. Ringo Starr spielt heute Radiorock zum Mitpfeifen, der hin und wieder auch mal etwas riskanter arrangiert sein könnte. Alles in allem ein solides Album, so wie man es von einem Alterswerk eines Rock-Dinosauriers eben erwartet.
Von Altmeister Jimi Hendrix bekommen wir in diesen Tagen auch noch zwölf Überbleibsel aus alten Studiotagen ums Maul geschmiert, zu denen man sofort in der zugehörigen Luftgitarren-Pose verharren möchte. Man muss allerdings schon ziemlich versiert sein, um da pantomimisch mitzuhalten. „Valley´s Of Neptune“ besticht durch eine ausgesprochene Improvisationsfreude, die ja von Seiten des Gitarrengottes allseits bekannt sein dürfte. Man hat nie das Gefühl es hier mit Ausschussware zu tun zu haben, stattdessen klingt das Album mit jedem Durchlauf schlüssiger. Ist allerdings auch kein Wunder, da bisweilen aufgrund der kurzen Laufbahn des Musikers keine großen Zeitsprünge zwischen den Stücken absolviert werden. Dass die Songs auf den Originalalben keinen Platz fanden, kann derweil als weiterer Beleg dafür gewertet werden, mit was für einen begnadeten Musiker man es hier zu tun hatte. Alles in allem ein lohnendes Gesamtpaket, dass sich die Fans eh ins Regal stellen werden, alle Neueinsteiger allerdings als Startschuss zur Entdeckung des „Hendrix im Gitarren-Wunderland“-Universums nutzen sollten. Keine Frage: es lohnt sich.
Nom De Guerre scheinen abschließend ziemlich viel Ringo Starr Schrägstrich Beatles in der Vergangenheit gehört zu haben. Das Album strotzt nur so vor nostalgischem Flair, so dass man auf der Stelle ein Erdbeerfeld im Zimmer anlegen möchte. Ansonsten gesellt sich dazu eine gehörige Portion 80s Kitsch, der aber niemals so offensichtlich aufs Tanzparkett schielt, dass man auch beim zehnten Durchlauf noch Spaß daran hat. „Love Thy Neighbour“ ist ein Album voller verschlungener Hit-Experimente, die sich mit jedem Durchlauf ein kleines bisschen weiter öffnen. Am Ende steht dann der Horizont in Flammen. Arme werden nach oben gerissen. Die Discokugel fängt an, den Raum zu durchfluten. Also lasst es euch gut gehen. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?