Da bist du platt. Wie haben Caribou das nur gemacht? Diesen Song namens „Odessa“, der wirkt, als würde Pantha Du Prince ein Phoenix-Stück durch den Mixer jagen. Das ist ganz großes Kino. Mit zunehmender Lauflänge entfaltet „Swim“, das neue Album von Mastermind Dan Snaith, im Grenzgebiet von Elektronik und Folk einen Charme, dem man sich kaum zu entziehen vermag. Die Scheibe läuft nie Gefahr, sich in gängigen Klischees zu verlieren. Stattdessen wird hier schlüssig zusammengefügt, was bisher nicht so recht zusammen passen wollte. Viele der Songs funktionieren sowohl im Blitzlichtgewitter des Clubs, als auch auf dem heimischen Sofa. Zu dieser Musik möchte man sich mit geschlossenen Augen im Kreis drehen und in himmlische Höhen aufschwingen. Wie hier treffsicher mit unterschiedlichen Einflüssen jongliert wird, das entfaltet einen Charme, als würde man ein Effektgerät am Lagerfeuer aufstellen und einen akustischen Hit von Simon & Garfunkel durch den Reiswolf drehen. Die Flammen des Feuers geben den Takt vor. Alles pulsiert. Alles explodiert. Und es funktioniert, verdammt noch mal, es funktioniert.
CocoRosie spielen derweil weiter das Versteckspiel mit den Geschlechterrollen und liefern mit „Grey Oceans“ den bisherigen Höhepunkt ihres Schaffens ab. Der Sound des Duos wurde mit reichlich Melancholie unterspült und in Sachen HipHop-Anleihen stark entschlackt. Trotzdem dürften alle, die eine gewisse Affinität für Jazzmusik verspüren, welche sich als Pop verkleidet, ihre wahre Freude an dieser Scheibe haben. Die weltmusikalischen Anleihen wirken nie esoterisch, sondern werden charmant in das poppige Format des Albums eingepflegt. Alles in allem ein durchaus gelungenes Comeback, von einer Band, mit der man auch nach vier Alben noch rechnen darf.
Unbunny alias Jarid del Deo suhlt sich derweil im Antlitz des Lagerfeuers und beschert uns auf seinem neuen Album mal wieder zahlreiche Gassenhauer für melancholische Nächte zu zweit. Irgendwo im nirgendwo möchte man diese Platte hören, ist eben „Moon Food“ und die Band hätte kaum einen besseren Titel für diese zehn Melodiefetzen auswählen können. Fans von Built To Spill und Konsorten werden die Tränen ins Gesicht schießen, wenn sie Songs, wie „Young Men Are Easy Prey“ zum ersten Mal auf die Ohren gepresst bekommen. Dazwischen ein paar schicke Schunkler der Marke Counting Crows und fertig ist der frühlingshafte Liebeslied-Reigen. Wenn ihr mal wieder staunende Blicke für euer Mixtape ernten möchtet, spielt einen Song von Jarid del Deo drauf.
Flying Lotus versprühen auf ihrem neuen Album mal wieder reichlich Weltuntergangsstimmung und sorgen mit ihren kryptisch minimalistischen Sounds dafür, dass sich die verregneten Straßenschluchten der Stadt kurzerhand in eine bedrohliche Maschinenwelt transformieren. Nach einem Post-Atari-Intro, dass sie wahrscheinlich mit einer ollen Kiste aus den 80ern zusammen geschraubt haben, driften sie mit Streichern und reichlich Blubberblasen in Richtung Unendlichkeit ab und vermengen das Ganze mit charmanten Dub-Step-Sounds, die „Cosmogramma“ zu einem echten Meisterstück werden lassen. Ein Gastauftritt von Thom Yorke ist da natürlich Ehrensache. Schließlich wird Flying Lotus schon als der „Hendrix seiner Generation“ geadelt. Das ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt sicher etwas hoch gegriffen, aber wer weiß, in fünfzig Jahren? So lange einfach abwarten und „Cosmogramma“ hören.
Womit wir auch schon bei den herz allerliebsten Indie-Rockern von Mintzkov angelangt wären, denen vielleicht in Sachen Hippness-Faktor nicht der große Durchbruch bevor steht, die aber all jene glücklich machen dürften, die sich zu Slut, Blackmail und Konsorten in den Indie Discos hemmungslos die Körper verrenken. „Rising Sun, Setting Sun“ besticht durch seinen charmanten Fluss, der einen von einer Melodie zur nächsten führt, ohne dass man nur eine Sekunde des Albums missen möchte. Die Scheibe strotzt nur so vor schicken Tanzboden-Hymnen, reduziert zwischenzeitlich gekonnt das Tempo, um Dynamik in der Tradition von deUS zu erzeugen und macht sich ganz schick neben dem neuen, ebenfalls ganz hervorragendem Album von Ken im Regal. Keine Ahnung, warum Mintzkov bisher nur so wenig Aufsehen erregt haben, schließlich war schon der Vorgänger eine astreine Hitsammlung für den geneigten Indie-Rocker. Einfach mal reinhören, zurücklehnen, mitwippen und durchdrehen. Ist gar nicht so schwer zu dem Sound.
Calaveras versuchen derweil Nick Cave und den Bad Seeeds Konkurrenz zu machen und sorgen für morbide Stimmung, wenn sie ihre düsteren Chorgesänge auf „Water High“ übereinander stapeln. Der Pathos, die Melodien, alles wirkt so herzzerreißend melancholie-verliebt, dass man sich in eine astreine Twin-Peaks-Szenerie versetzt sieht. Hier bekommt man 10 Songs um die Ohren gehauen, die sich im Grenzgebiet von Jazz und Americana einnisten und dennoch nie Gefahr laufen, sich in selbst verliebter Klischee-Klatsche zu verlieren. Bitte direkt neben dem letzten Album von The Builders & The Butchers einsortieren.
The Miserable Rich werden derweil mit „Cello, Violine, Kontrabass und Gitarre“ im Würzburger Jugendkulturhaus Cairo auftreten. Am Dienstag, den 27. April ist es soweit. Da präsentiert die Band dem lechzenden Indie-Publikum das neue Album „Of Flight And Fury“. Auf der Scheibe veranstalten The Miserable Rich wieder ein großes musikalisches Tohuwabohu. Selbiges wird dann mit spärlichen Folk-Sprengseln gekontert. Am Ende landet das Duo im Orchestergraben und genießt es, den Zuschauern eine gehörige Portion Dreck um die Ohren zu hauen. Hier trifft Pfadfinder-Rock der geerdeten Gangart auf Orchester-Pop, der um Wolkenformationen tanzt. Ein eindrucksvoller Misch-Masch.
Nervous Nellie sorgen zum Abschliss dafür, dass schöne Erinnerungen an die Shout Out Louds aufkommen. Sie verknüpfen ihren charmanten Indie-Pop allerdings immer wieder mit choralem Gekrächze der Marke Friska Viljor. Klingt anfangs etwas abseitig, entfaltet aber ebenso, wie die Alben des vorab erwähnten Künstlers, nach einigen Durchläufen durchaus seinen Charme. Vorwiegend geschieht das deshalb, weil hier am Ende die Songs stimmen. Auf „Why Dawn Is Called Mourning“ versammelt sich vor allem in Hälfte eins eine illustre Riege an Hymnen, die man am Lagerfeuer nachspielen möchte. Womit wir dann auch schon wieder am Ende wären. Genießt die Frühlingssonne. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?