Oliver Koletzki versammelt auf „Großstadtmärchen“ eine illustre Riege an Gaststars, die seine elektronischen Sounds der Marke Paul Kalkbrenner mit Pop-Appeal aufmotzen. Mieze Katz von mia. ist genauso am Start, wie Axel Bosse und die Raketen. Dass die Scheibe trotzdem wie aus einem Guss klingt, liebt an den urbanen Sounds, die Koletzki den Künstlern unterjubelt. Alles befindet sich im Fluss. Die große City transformiert sich zur Märchenwelt. Wir nehmen Fahrt auf und rennen mit den Tieren im Wald um die Wette. Knabbern am Lebkuchen-Haus. Schlecken am Zuckerwatte-Pop. Es macht schlicht und ergreifend Spaß, sich zu dieser Musik in Tagträumen zu verlieren. Das ist auch deshalb so, weil Koletzki immer klar macht, wer hier der Herr im Hause ist. Alles in allem ein bemerkenswertes Elektro-Werk, das aufzeigt, wie man sich der Popmusik annähert, ohne sich von deren Glitzer-Look blenden zu lassen.
Jamie Lidell macht sich derweil dazu auf, sein bisheriges Konzept zu perfektionieren. Auch auf seinem neuen Album verpasst er dem Jazz ein poppiges Outfit. „Compass“ beschreitet inzwischen fast schon Jamiroquai-anische Gefilde. Die Platte ist so dermaßen auf Party getrimmt, dass man sich auf die grüne Wiese pflanzen möchte, ein paar Sonnenblumen um sich herum platzieren und dann einen astreinen Hüftschwung hinlegen möchte, der jeden um einen herum in ungläubiges Staunen versetzt. Alles klingt so schlüssig. Und es ist schon bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass diese Songs hier aus einem chaotischen Sammelsurium zusammen geschraubt wurden, das sich auf der heimischen Festplatte des Künstlers befand. Gerade die verschrobenen Stücke, wie zum Beispiel „The Ring“, sorgen zudem dafür, dass die Platte nie zu gleichförmig anmutet. Alles in allem: die perfekte Frühlings-Pop-Platte.
Danko Jones machen derweil genau dort weiter, wo sie aufgehört haben. Stumpfe Gitarrenbretter mit Schweißflecken-Garantie gibt’s auf „Below The Belt“ vor den Latz geknallt. Das ist natürlich wie geschaffen für die Luftgitarrenfraktion und strotzt auch nur so vor Hitsingles. Wem also das ewige Geseier von AC/DC nach dreißig Songs ein bisschen auf die Nerven fällt, der kann sich parallel auch das Teil hier einwerfen. Alle anderen können getrost die Hoffnung verlieren, dass Danko Jones im Laufe ihrer Karriere noch mal anfangen, ihren Stil zu variieren.
Und verdammt ist das schön. Eine Pianomelodie erfüllt den Raum und lullt den Hörer dermaßen ein, dass man Chau Chat regelrecht um den Hals fallen möchte. Das verführerische Debütalbum der beiden Multi-Instrumentalisten Christian Illi und Ron Flieger besticht durch warme Klänge, gepaart mit zunehmenden Annäherungen an Popgefilde der Sorte Blackmail und Naked Lunch. Klassische Musik trifft hier auf ganz großen Popmusik-Budenzauber und man kommt nicht umhin, dem Elektro-Duo für „Le Début“ Luftküsse en masse zuzuwerfen. Zwischenzeitlich werden dabei sogar schöne Erinnerungen an Underworld wach, allerdings mündet alles immer im ganz großen Gefühlskino. Ein alles in allem bemerkenswertes Debüt.
Die Firma fabriziert derweil „Das sechste Kapitel“ ihres Rapmusik-Daseins und tritt diesmal mit 50-Mann-Orchester auf, so dass man als Hörer soundtechnisch viel Honig ums Maul geschmiert bekommt. Die Scheibe bietet alles, was Firma-Fans erwarten. Ein neues „Die Eine“ ist zwar nicht drauf, dafür aber himmelhoch jauchzende Piano-Klänge und zuckersüße Streicher-Eskapaden. Dass sie dabei auch noch einen beschwingten Hüpfer, wie „Jetzt“ hinbekommen, der direkt an Samy Deluxes Reggae-Phase anknüpft, muss man den Jungs da schon hoch anrechnen. Am Ende ist die Scheibe vielleicht fünf Stücke zu lang, aber vielleicht muss das auch so sein, wenn man schon ein solches Tohuwabohu in Sachen Sound veranstaltet.
Andrew Collberg legt derweil ein astreines Indie-Pop-Werk in bester Elvis Costello- meets Badly Drawn Boy-Manier vor. „On The Wreath“ besticht mit schlichten Popsongs, die aber niemals belanglos anmuten. Man fühlt sich von den Lagerfeuerhymnen wohl behütet in den Arm genommen und wenn dann zwischenzeitlich auch noch Erinnerungen an Calexico und Konsorten aufkommen, kommt man nicht umhin, den werten Herrn Collberg zum nächsten Zeltlager mitnehmen zu wollen. Ich wette darauf: spätestens wenn ein Stück, wie „On The Road“, in einer amerikanischen Vorabendserie läuft, wird dieser Sound hier Millionen Herzen brechen. Jeder der auf schlichte, romantische Sounds im Grenzgebiet von Americana, Folk und Indie-Rock steht, könnte in dieser kleinen Platte einen Freund fürs Leben finden.
Wintersleep schauen sich derweil ein bisschen in der Rumpelkammer um, ziehen die Vorhänge zu und schwelgen in nostalgischen Erinnerungen der Marke Joy Division und Teenage Fanclub. Jeder Ton auf dieser Scheibe ist so dermaßen auf Stadionhymne getrimmt, dass man diese Band das nächste Mal am Liebsten mit einem Kammerorchester auf die Bühne stellen möchte. Der Überfluss regiert auf „New Inheritors“, Wintersleep schaffen es aber dennoch Luft für charmante Melodien zu lassen, so dass man sich schon nach wenigen Minuten sanft in den Arm geschlossen fühlt. Am Ende entspringt daraus Musik, die zwar perfekt ausbalanciert ist, die aber tiefer geht, als der Konsens-Pop der üblichen Verdächtigen der Marke White Lies und Editors.
Moke wiederum schlagen in eine ähnliche Kerbe. Die Jungs aus Amsterdam schaffen es Düster-Pop-Ästhetik mit Hit-Potenzial zu verknüpfen, ohne dabei ins Kiesbett zu schlittern. Schon beim zweiten Song „Switch“ dürfte die halbe Indie-Disco Kopf stehen und jeder Editors-Fan auf die Knie fallen. Man muss den Holländern zu Gute halten, dass sie hier einen Hit an den nächsten Reihen. Das dürfte auf den Tanzflächen ganz hervorragend funktionieren, muss sich allerdings erst noch in Sachen Nachhaltigkeit beweisen. „The Long & Dangerous Sea“ called Popgeschäft will ja schließlich erst durchquert werden, ohne dass der Frachter Moke auf Grund läuft. Die Vorzeichen, dass sie es schaffen könnten, stehen sehr gut mit diesem Zweitling. Also genießt die Musik. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?