Und jetzt herzlich willkommen bei unserer illustren Songschreiber-Runde. Den Auftakt macht Badly Drawn Boy, bei dem überkommt einen immer wieder diese nostalgische Romantik-Stimmung, welche der Künstler damals schon auf seinem schrulligen Debüt und dem Soundtrack zu „About A Boy“ versprühte. Schade eigentlich, dass viele seiner letzten Alben den direkten Vergleich mit früher nicht standhalten konnten. Sein neustes Werk ist nun abermals ein Soundtrack-Album zu einem charmanten Streifen namens „The Fattest Man In Britain“. Das Album – Vorsicht! – hört auf den Namen „Is There Nothing We Could Do?“ und bezaubert schon im „Opening Theme“ mit schlichter Melodie, die einen in ferne Traumwelten lockt. Anschließend werden dann Piano-Schmachtfetzen mit kleinen Sound-Schnipseln und Filmzitaten gestreckt und es entsteht bisweilen ganz großes Gefühlskino, wenn der Malermeister seinen Emotionen zum Beispiel im Titelsong freien Lauf lässt. Am Ende kann man sich da eigentlich nur über die kurze Laufzeit des Werkes beschweren, es ist jedoch eben diese Kurzweil, die den Hörer über die volle Länge bei der Stange hält. Ich bin mal gespannt, was da beim nächsten Werk noch so rumkommt. Mit diesem Album kann man jedenfalls ganz wunderbar in nostalgischer Stimmung schwelgen.
Weiter geht’s mit Jeremy Jay, der sich auf seinem neuen Album daran versucht, George Harrison vor Augen zu führen, wie man ein zeitgemäßes Liedermacher-Werk aus dem Ärmel schüttelt und dabei auch mal eine elektrische Gitarre aufjaulen lässt, ohne im Formatradio zu landen. Der Spagat zwischen Lagerfeuer-Hymne und Mitwipp-Pop gelingt dem Künstler auf seinem neuen Werk ganz vorzüglich. Eine so beschwipste Frühlingsnummer, wie „Just Dial My Number“ muss man erstmal hinkriegen. Das kommt so jungfräulich rüber, dass man sich „Splash“-mäßig sofort ins Wellenbad stürzen möchte, um dort weiter nach mehr Popmusik-Schätzen zu tauchen. Schade eigentlich nur, dass dieser Hitreigen schon nach neun Songs wieder vorbei ist. Da hätte man am Ende gern noch ein paar mehr mitgenommen.
Kate Walsh bietet sich derweil als neues Sternchen am Pophimmel an. Die Stimmung auf „Light & Dark“ ist zwar vorwiegend düster, eben deshalb fühlt man sich aber von den Songs hier wohl behütet in den Arm genommen. Mit Streichern und schmachtenden Melodien macht sich Kate Walsh auf, allen Fans von Norah Jones und Konsorten vor Augen zu führen, wie man leidet, ohne dabei austauschbar rüber zu kommen. Nein, diese Musik hier taugt nicht zur Hintergrundbeschallung beim abendlichen Diner mit Freunden, zu diesem Album möchte man sich die Decke über den Kopf ziehen und in Tagträumen versinken.
Zärtliche Momente könnte ihr euch derweil auch bei Orenda Fink abholen. Die liebenswerte Dame aus dem Hause Saddle Creek versucht auf „Ask The Night“ Fever Ray Konkurrenz zu machen, ohne sich dabei allerdings vollends im Geisterhaus zu verirren. „Ask The Night“ ist ein bodenständiges Liedermacher-Werk, das vor allem von Finks Stimme lebt. Zwischen den Polen Country und Folk, bewaffnet mit Banjo, Slide-Gitarre und Violine, entwirft Miss Fink ein charmantes Lo-Fi-Pop-Werk, das dazu anregt, sich ein weißes Bettlaken überzustreifen und mit Westerngitarre als menschlicher Geist durch die Straßen der Stadt zu ziehen.
Tracey Thorn haut uns derweil weichgespülte Pop-Momente um die Ohren. Leider klingt das neue Album „Love And Ist Opposite“ über die volle Länge etwas gleichförmig, so dass man irgendwann das Gefühl bekommt, man würde dem örtlichen Formatradio lauschen. Die Stücke selbst tun nicht sonderlich weh, bemerkenswert allerdings ist das Lee Hazelwood-Cover „Come On Home To Me“, das die Künstlerin zusammen mit Jens Lekman eingespielt hat. Da werden kurzfristig schöne Erinnerungen an Nick Caves „Murder Ballads“-Phase wach. Die letzten beiden Songs versöhnen den Hörer dann mit tieftraurigen Melodien und lassen hoffen, dass Miss Thorn in Zukunft weiter das Extrem sucht. Steht ihr auf jeden Fall wesentlich besser, als der Konsens-Pop von Hälfte eins.
Harper Simon widmet sich in der Zwischenzeit dem psychedelischen Rock der 60er Jahre und vermengt das Ganze mit einer gehörigen Portion Lagerfeuer-Atmosphäre. Sein gleichnamiges Debütalbum klingt, als wollte er den Zombies die Chöre abspenstig machen, mit Sean Lennon um die Wette säuseln und Elvis Costello in Sachen Pop-Appeal den Rang ablaufen. Alles wird so hemmungslos miteinander vermengt, dass die Scheibe anfangs etwas zerrissen anmutet. Nach mehreren Durchläufen allerdings entfaltet das Werk seine Klasse. Harper Simon entpuppt sich als entspannter Songschreiber-Kollege. Wer bereit ist, sich die zehn Songs hier wiederholt zu Gemüte zu führen, wird mit einer klasse Liedermacherscheibe beschenkt.
Anais Mitchell macht sich derweil daran zum weiblichen Gegenstück von Bon Iver zu werden. Es scheint jedenfalls kein Zufall zu sein, dass sich Selbiger auch auf der Gästeliste ihres neuen Albums „Hadestown“ wieder findet. Die zwanzig Stücke des Albums bewegen sich zwischen spärlichen Folk-Momenten und orchestralen Arrangements und sorgen für Abwechslung im Tapedeck. Wenn man bedenkt, dass hier circa 15 Musiker ihr Talent in die Wagschale werfen, konnte ja eigentlich nur ein kleines Meisterwerk dabei raus springen. Wie es Mitchell schafft, bei aller Stil-Vielfalt, nicht den roten Faden zu verlieren ist bemerkenswert. Alles in allem ein größenwahnsinniges Pop-Werk, das bei aller Ambition eine gewisse Leichtigkeit ausstrahlt. Gut gemacht, Miss Mitchell.
Das letzte Wort hat heute der libanesische Komponist Gabriel Yared, der uns auf seinem Soundtrack zu dem französischen Film „Le Herisson“ mit zärtlichen Piano-Instrumentals einlullt und damit der Geschichte um die mürrische Concierge Madame Michel ein entspanntes Flair verleiht. So kratzbürstig die Figur der Madame Michel im Film rüber kommt, so watteweich erstrahlt dieser Soundtrack zum Film, der sich auch entspannt als Hintergrundbeschallung zum illustren Abendessen eignet. Der Musiker, der sich auch für die Filmmusik von „Das Leben der Anderen“ und „Der englische Patient“ verantwortlich zeigt, schafft es, dem Zuhörer abseits der Leinwand Gelassenheit zu vermitteln. Man möchte sich einfach aufs Sofa flaggen und die Augen schließen. Womit wir dann auch schon wieder am Ende wären. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?