Auf den Lippen der Indie-Gemeinde wird sich vor kurzem ein fettes Grinsen abgezeichnet haben, als klar war, dass Robert Stadelobers Pop-Combo Gary ein neues Album an den Start bringt. Die Vorab-Single „Leave Me“ ließ dann ein echtes Meisterstück erwarten, weil der Song wie geschaffen ist, um als Soundtrack auf der abendlichen Abi-Feier am Baggersee in Endlosschleife rauf und runter zu laufen. „One Last Hurrah For The Lost Beards Of Pompeji“ liefert derweil weitere Indie-Hymnen, wie zum Beispiel das zauberhafte „John Peel And The Dragon Of Steel“, das einen mit seiner zärtlichen Melodie regelrecht beschwipst vor Glück. Der Rest der Scheibe sorgt dann dafür, dass man sich auf der Stelle einen großen Haufen Gänseblümchen ins Haar stecken möchte. Wie auch Velojet wird so lärmig-hittig vor sich hingepoppt, dass man am Ende ne neue Matratze kaufen muss. Wer auf Indie-Pop der 90er steht, der sollte sich diesen Nostalgie-Reigen auf keinen Fall entgehen lassen.
Aus dem Hause „Warp“ bekommen wir derweil eine charmante Portion zeitgenössischen Indie-Pops um die Ohren gehauen. Die Born Ruffians haben ihr zweites Album „Say It“ am Start und landen irgendwo zwischen Owen Pallett und Animal Collective. Da die Songs sich allerdings bei allen Spielereien immer am klassischen Pop-Moment orientieren, dürfte die Scheibe wieder zahlreiche Hitsingles abwerfen, die in den gängigen Blogs für großes Aufsehen sorgen werden. Nehmen wir zum Beispiel einen Track, wie „Retard Canard“, der strotzt nur so vor Ideen, wechselt ständig die Richtung und mündet doch immer wieder in einen schmissigen Refrain, der alle Bruchstücke gekonnt zusammenhält. Wer am experimentellen Klangsalat von Panda Bear und der Pop-Affinität von Grizzly Bear seine Freude hatte, sollte sich die Scheibe unbedingt mal reinziehen. In Sachen Zeitgeist macht den Born Ruffians zur Zeit niemand etwas vor.
Unsere allerliebsten Fußball-Lagerfeuer-Geschichten-Erzähler aus dem Hause „11 Freunde“ haben sich derweil dazu entschlossen eine 2. Edition ihrer Fussballklassiker-Reihe aufs ballverliebte Publikum loszulassen. Die „11 Freunde Edition Vol. 2“ umfasst sechs Streifen, von denen vor allem der britische Hooligan-Streifen „Awaydays“ aufs Wärmste zu empfehlen ist. Realitätsgetreu und aufschlussreich geht’s derweil in der Dokumentation „Referees At Work“ zu, die einem gekonnt vor Augen führt, welchem Druck sich die pfeifende Zunft alltäglich ausgesetzt fühlt. Der Film des belgischen Produzenten Jean Libon und des Regisseurs Yves Hinant zeigt die Schiedsrichter in Extremsituationen und führt einem vor Augen, wie sie es schaffen, dem ganzen Druck stand zu halten. Ebenfalls am Start ist ein gleichnamiges „Maradona“-Portrait, das effektvoll von Star-Regisseur Emir Kusturica in Szene gesetzt wurde. Der Film skizziert gekonnt die Auf und Abs im Leben des Ballkünstlers und setzt sich ausgiebig mit den „drei Maradonas“ auseinander: dem Fußballlehrer, den aufmüpfigen Bürger und den Familienmenschen. Ein durch und durch famoses Werk. Wem das noch nicht reicht, kann sich außerdem den australischen Streifen „Spiel der Götter – Als Buddha den Fußball entdeckte“ (1999), das iranische „Offside“ (2006) und die charmante WM-Doku „Die besten Frauen der Welt“ (2007) nach Hause holen. Also zugreifen und auf die WM einstimmen. Es lohnt sich.
Der Streifen „This Is Love“ dreht sich derweil um eine vertrackte Beziehung zwischen Ermittlerin und Verdächtigen, der die Grenzen des Zwischenmenschlichen auslotet. Das ist bestimmt keine leichte Kost, fesselt aber ungemein, wenn Regisseur Matthias Glasner, der sich auch für den preisgekrönten „Freien Willen“ verantwortlich zeigt, sein illustres Ensemble um Corinna Herfouch und Jürgen Vogel in emotionalen Extremsituationen aufeinander treffen lässt. Die ganze Lethargie und Hoffnungslosigkeit, die aus vielen Szenen des Films spricht, geht einem immens nahe. Der Film führt außerdem schonungslos vor Augen, wie abgewetzte Seelen versuchen, dem Leben einen neuen Sinn einzuhauchen. Ob sie daran scheitern werden? Finde es selbst heraus…
Zeitgenössischen HipHop aus Österreich mit Tiefsinn in den Texten haut uns MAdoppelT seit vielen Jahren um die Ohren. Sein drittes Album „Hybrid“ schwemmt ihn nun endlich auch über die Landesgrenzen in hiesige Gefilde und wenn man sich anschaut, was da so alles in den Charts herumkrabbelt, kann man sich nur entspannt zurücklehnen und ihm dabei zuhören, wie er all den harten Jungs da draußen vor Augen führt, wie man intelligente Texte mit zeitgemäßen Sounds verknüpft. Schnörkellos reimt sich der Wortakrobat durch die dreizehn Tracks, die trotz weniger Gäste keine Langeweile aufkommen lassen. Stattdessen klebt man an den Lippen des begnadeten Reimers und weiß die wenigen poppigen Momente, wie „Luft“ (bei dem er von Lukas Hillebrand unterstützt wird) oder „Frage der Zeit“ (mit Juci) dann nur umso mehr zu schätzen. Dieses Album ist ein gefundenes Fressen für all jene, die sich zu Texta und Curse aufs Sofa flaggen und die Welt um sich herum einfach für eine gute Stunde ausknipsen möchten, um den charmanten Geschichten eines Menschen zu lauschen, der noch wirklich was zu sagen hat.
Die ollen Kiffer-Kumpanen von Cypress Hill machen sich derweil daran, ihre Geschichte fortzuschreiben und holen mit Everlast, Tom Morello von Rage Agaginst The Machine und Mike Shinoda ein paar alte bekannte ins Studio, damit das Comeback auch so richtig rein knallt. Irgendwie müsste das dann auch charttechnisch funktionieren, wenn man sich überlegt, dass die großen Rockfestivals immer noch mit Stars der Crossover-Szene auf der Pole Position besetzt sind. An die verstrahlten Anfangstage können sie mit dem neuen Werk zwar nicht anknüpfen, dafür wird zeitgemäß der „Rock Superstar“ reanimiert und zahlreiches Material im Grenzgebiet von Rap und Rock eingespielt. Diese Scheibe ist Pflichtprogramm auf den Camping-Plätzen der nahe liegenden Mega-Festivals. Fans von früher sollten trotzdem einen Probe-Durchlauf riskieren, ob ihnen das Ganze nicht eine Spur zu pop-rockig geraten ist.
Janelle Monáe führt uns derweil auf „The Archandroid“ vor Augen wie man eine Science-Fiction-Oper aus dem Ärmel schüttelt, welche Fans von futuristischem Funk die Socken ausziehen sollte. Im Geiste von Outkast und Georgia Anne Muldrow bringt uns Miss Monáe „outta space“ und holt sich dazu Unterstützung von Saul Williams und Of Montreal. Mit gängigem Chart-Gedönse aus R´n´B-Gefilden hat die Musikerin rein gar nichts am Hut. Stattdessen experimentiert sie mit abgedrehten Sounds und verknüpft die 18 Tracks so gekonnt miteinander, dass man sich nur noch treiben lässt von der Musik.
Die Punkrocker von Kafkas haben sich derweil gedacht: machen wir doch mal ein Pop-Album. Damit landen sie dann zwischen Jona und Jupiter Jones mit einer großen Portion Gesellschaftskritik, vermeiden aber die üblichen Deutschpunk-Klischees. „Paula“ zeigt eine Band, die auf dem Weg ist, erwachsen zu werden. Das Album macht Spaß, obwohl es am Ende vielleicht drei Songs weniger auch getan hätten. Trotzdem kommt man nicht umhin, beim Nachfolger den großen Wurf zu erwarten. Bis dahin kann man sich mit diesem Werk ganz hervorragend die Zeit bis zum nächsten Kettcar-Release vertreiben. Oder bis zum nächsten Zuckerbeat. Also lasst es euch gut gehen. Wir lesen uns.
UND WAS NUN?