Über das LCD Soundsystem muss man wohl keine großen Worte mehr verlieren. Wenn die Protagonisten ihr musikalisches Großereignis im Grenzgebiet von Elektro und Rock nun zu Grabe tragen, kommt man nicht umhin, ihnen dafür den Respekt zu erweisen, den sie verdienen. Ist doch klasse, wenn sich mal jemand traut, genau dann aufzuhören, wenn es am Schönsten ist. „This Is Happening“ wurde eingespielt im hauseigenen Studio in New York und dürfte James Murphy endgültig zum Megastar aufsteigen lassen. Spätestens, wenn nach gut drei Minuten der Beat reinknallt, als wollte sich der Protagonist mit einem elektronischen Staubsauger bewaffnet von den Rauchschwaden auf der Bühne befreien und ins Rampenlicht treten, wird klar, dass der Pop nun endlich bei Murphy und seiner Crew angekommen ist. Wohlgemerkt. Der Pop ist beim Soundsystem angekommen. Nicht Murphy im Pop. Der Zeitgeist sieht sich eben einem stetigen Wandel unterworfen. Und weil der begnadete Musiker es seinen Hörern nicht allzu leicht machen möchte, werden auch diesmal Krautrock-Anleihen eingeflochten, wobei andererseits nicht zu übersehen ist, dass der große Popmoment auf „This Is Happening“ zum ersten Mal ganz weit in den Vordergrund drängt. Für LCD Soundsystem dürfte dieses Album den Durchbruch bedeuten. „This Is Happening“ ist ein Ereignis. Also lasst es uns gebührend abfeiern, während Murphy den Club durch den Hinterausgang verlässt.
Paul Weller übt sich derweil weiter darin in Würde zu Altern. Der „Mod-Father“ nimmt sich auch auf seinem neuen Album „Wake Up The Nation“ die Freiheit, zu machen, wonach ihm gerade der Sinn steht. Da werden dann auch mal Erinnerungen an den Soul der 60er Jahre wachgerufen oder Feedback-Schleifen eingebunden, als ob es kein Morgen gäbe. Trotzdem ist das neue Album im Gegensatz zum ausufernden Vorgänger äußerst schmissig geraten. Mit gerade mal 40 Minuten Spielzeit, verteilt auf 16 Songs, achtet Weller diesmal darauf, dass er seine Stücke sofort auf den Punkt bringt und erinnert des Öfteren an seine Anfangstage mit den wunderbaren Mod-Göttern The Jam. Mit „She Speaks“ zeigt er auf, wie Morrissey wohl klingen würde, wenn er in einen Kessel mit bewusstseinserweiternten Zaubertränken geplumpst wäre. Einen Innovationspreis in Sachen zeitgenössischer Popmusik wird er dafür sicher nicht bekommen, seine Fans allerdings werden ihm für diese hittige Nostalgie-Scheibe ergeben zu Füßen liegen. Spätestens wenn die Brit-Pop-Hymne „Find The Torch, Burn The Plans“ erklingt, liegen sich alle Fans freudetrunken im Arm und singen… „Sha la la, Shalala…“
Wovon Mike Patton wiederum nicht viel halten dürfte. Der widmet sich auf seinen Solo-Alben ja gerne mal experimentellen Gefilden. Umso bemerkenswerter, dass sein aktuelles Album „Mondo Came“ doch tatsächlich ein echter Gassenhauer für nächtliche Auftritte in italienischen Straßencafes geworden ist. Der Frontmann von Faith No More beschreitet auf seinem aktuellen Werk Neuland und landet irgendwo zwischen orchestralem Heulsusen-Pop und dem schmissigen Intro von sympathischen Zeichentrick-Serien der Marke „Inspector Gadget“. Da er sich für die Scheibe ein 30köpfiges Orchester ins Studio geholt hat, klingt das Ganze dann auch noch so ausgefeilt, dass man sich die Scheibe am Besten über Kopfhörer zu Gemüte führt. Erst dann entfalten sich die zahlreichen Details, welche den Songs einen exotisch sympathischen Beigeschmack verleihen. Wer mal wieder eine gute halbe Stunde in jazzige Gefilde abtauchen möchte und sich nur zu gerne an den morbid-emotionalen, zugleich tanzbaren Sounds von Filmmusiken der Marke „Vampyros Lesbos“ ergötzt, sollte unbedingt mal rein hören. Es lohnt sich.
Wer sich derweil mal wieder die Seele aus dem Leib brüllen möchte, der ist bei Turbostaat an der richtigen Adresse. Die renommierten Punkrocker starten „Das Island Manöver“, öffnen das „Kussmaul“ und machen zusammen mit Produzent Moses Schneider Randale, als wollten sie die heimischen Boxen sprengen. Dieses Album hier ist geschrieben worden, um im Live-Kontext zu funktionieren. Stilistisch klingt zwar alles verwischter, als auf dem Vorgänger. Trotzdem wird sofort klar, dass sich Turbostaat auch auf ihrem neuen Werk keinen großen Experimenten hingeben. Aus dieser Band wird ganz sicher keine Popgruppe mehr, die sich dem Zeitgeist anbiedert. Stattdessen punkten die Jungs wieder mit famosen, doppelbödigen Songs, feuern musikalisch aus allen Rohren und schreiben Balladen, wie „Fraukes Ende“, die sich als Rocksongs tarnen, die aber immer eine gewisse Wehmut ausstrahlen. Mit ihrem Island Manöver schielen Turbostaat ganz sicher nicht auf den Durchbruch in den Charts. Stattdessen nutzen die Band die Möglichkeiten des größeren Budgets, um die eigenen musikalischen Vorstellungen kompromisslos umzusetzen.
Jyoti nennt sich derweil das neue Projekt von der HipHop-Prophetin Georgia Anne Muldrow, die uns bereits seit einigen Jahren gekonnt vor Augen führt, wo HipHop in naher Zukunft angelangt sein könnte, wenn die dicken Schlitten von der Mattscheibe verschwunden sind. Auf „Ocotea“ überführt sie uns in jazzige Gefilde und landet musikalisch zwischen den Polen Hancock, Sun Ra und Mingus. Daraus entspringt ein experimentierfreudiger Hüpfer von Instrumental-Album, das die volle Aufmerksamkeit seiner Hörerschaft beansprucht. Ist ganz sicher keine leichte Kost, was Muldrow hier abliefert, es macht aber wahnsinnig viel Spaß ihr durch die verschlungenen Pfade dieser musikalischen Safari zu folgen. Wer sich mal eine Pause von dem gleichförmigen Gedudel aus dem Formatradio gönnen möchte, sollte sich zwei gute Kopfhörer krallen, sich aufs Sofa flaggen und die Augen schließen. Diese Scheibe hier erledigt den Rest. Sie überwältigt einen mit einem bunten Strauß voll Ideen.
Nach dem gelungenen Erstling erscheint nun das neue „Popkiller“-Album von Anthony Rother. „Popkiller II“ orientiert sich stilistisch am Vorgänger, liefert klar strukturierte Soundgebilde ab und dürfte damit jeden Club in einen Tanztempel transformieren. Auf der heimischen Anlage wirkt das bisweilen zwar etwas ausschweifend, was Rother hier abliefert, im Antlitz des Stroboskops dürften sich die Zuhörer allerdings die Füßchen wund dazu tapsen. Routiniert poltert Rothers Klang-Sammelsurium durch die Fasern der Boxentürme und sollte am Besten am Stück genossen werden. Diese Scheibe versteht sich als Einheit, auf die es sich einzulassen gilt. Hat dich der Beat dann erst mal abgeholt, kommt man gar nicht mehr los von dem Sound.
Little Annie and Paul Wallfisch spielen derweil die sehnsüchtig schluchzenden Trauerklöße und philosophieren vom „Dinner For Two with Denzel Washington“. Fortan regieren die Piano-Melodien eine orchestrale Szenerie und man fühlt sich, als würden die „Murder Ballads“ von Nick Cave von einer weiblichen Stimme intoniert. Eigentlich müsste man diese Songs hier direkt auf eine Theaterbühne transformieren. Die Musik auf „Genderful“ schreit regelrecht nach einer großen Inszenierung. Und mit „Billy Martin Requiem“ ist ja auch ein echter Lagerfeuer-Schunkler dabei, der sich ganz vorzüglich zum Nachsäuseln beim nächtlichen Trinkgelage eignet.
Sweet Sweet Moon alias Matthias Frey stammt aus Hollabrunn und verknüpft auf seiner Debüt-EP ein herzergreifendes Schluchzen mit einem breiten Grinsen. Mit Violinen und Schlagzeug bewaffnet schmiert er uns auf „Pompidou“ reichlich Honig ums Maul, um uns dann mit einer charmanten Liedermacher-Gitarre zum Sit-Down am Lagerfeuer einzuladen. Alles in allem ein charmantes Kleinformätchen, dass sich der geneigte Indie-Popper durchaus mal reinziehen sollte. Womit wir auch schon wieder am Ende wären. Viel Spaß beim abrocken und entspannen. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?