Oasis wird ja immer nachgesagt, sie hätten ihre besten Tage bereits hinter sich. Lieben oder hassen konnte man diese Band allerdings auf Lebenszeit. Feiern und verzweifeln konnte man an ihrer Musik. Während ihr Größenwahn von zahlreichen Festival-Besuchern mit Mittelfingern und Flaschenwürfen goutiert wurde, feierten die Fans ihre Helden auf Solo-Konzerten mit einer Hingabe, wie man sie nur selten erlebt hatte. Oasis vertraten ihren Standpunkt. Mit Nachdruck. Dafür wurden sie geliebt. Dafür wurden sie gehasst. Nun wird alles noch mal auf einem Album versammelt, was als (vorläufiges) Vermächtnis dieser Band durchgeht und das spricht für sich. Zwei Cds, randvoll mit Hymnen aus 18 Jahren Bandgeschichte, die einem immer wieder eine Gänsehaut über den Rücken jagen. Was haben wir geknutscht zur „Wonderwall“, was haben wir die Nächte durchfeiert und nächtelang „Don´t Look Back In Anger“ gegrölt. Wir waren davon überzeugt: das würde ewig so weitergehen. Und jetzt soll Schluss damit sein? Kein „Live Forever“ any more? Man mag es nicht wahrhaben. Suhlt sich fortwährend in der Nostalgie, welche diese Hymnen hier ausstrahlen. Freut sich über die Liner-Notes im Booklet. Träumt von vergangenen Tagen und singt jede Zeile, als wäre es das erste Mal. „Time Flies… 1994-2009“ löst ein, was manches aktuelle Werk der Jungs nur noch anzudeuten vermochte. Es versammelt einen genialen Moment nach dem Anderen. Genauso war das gedacht. Eben deshalb lieben wir diese Compilation. Auch oder gerade deshalb, weil wir eh schon jedes Lied auswendig kennen. Also kommt schon: Erheben wir noch mal unser Glas. Erheben wir noch mal unsere Stimmen. „Wir sind bereit, gib uns Korn & Sprite“. Und was heißt jetzt, falsch zitiert? Wen schert das schon inmitten von lauter guten Freunden.
Dan Le Sac Vs Scroobius Pip holen uns hinterher dann schnell wieder von Wolke 7 und geleiten Rapmusik in experimentelle Gefilde. So macht HipHop wieder Spaß. Die Aussage in den Vordergrund gestellt und dazu jeglichen Konventionen abgeschworen. So entfaltet „The Logic Of Chance“ einen anarchistischen Charme, der die Scheibe auch für Fans von Major Lazor bis Uffie interessant macht. Die verstrahlten Elektro-Sounds, die detail-verliebten Beats und Texte. Diese Offenheit gegenüber Dancehall und Grime-Klängen. Den Mut, diesen zerhackstückelten Sounds mit glasklaren Pop-Refrains zu kontern, auch wenn das noch so abseitig wirkt und darüber hinaus noch ein Stück abzuliefern, das man mit einem alten Song von 2 Unlimited verwechseln könnte. All das fusioniert auf diesem Album zu einer großen Party. Diese Scheibe ist reines Dynamit. Dan Le Sac Vs Scroobius Pip feiern den Moment. Zeit sich die Tanzschuhe überzustreifen und das Leben zu genießen. Hier ist der Soundtrack dazu.
Katze (nicht zu verwechseln mit Bratze) schaffen es derweil auf „Du und meine Freunde“ schmissigen Pop der Marke Karpatenhund mit der lässigen Attitüde der Lassie Singers zu verknüpfen. „Du bist meine Freunde“ besticht nicht nur aufgrund charmanter Songtitel, wie „Franzi wir wollen, dass du bei uns in der Band mitmachst“, sondern geleitet den Hörer auch zum „Shampoo Beach“ oder zum „Love Planet“. Klingt jetzt alles viel kitschiger, als es ist. Stattdessen lebt die Band von ihrer Unbekümmertheit, die Songs, wie „Bei mir wird immer alles schmutzig“ über die Ziellinie schleppt und dem Hörer ein sanftes Grinsen abringt. „Katze“! „Du bist meine Freunde!“. „Komm her, lass knuddeln“.
Delta Spirit haben sich derweil dazu entschlossen, ihren seligen Country-Rock mit einer gehörigen Portion Hit-Appeal aufzumotzen. Ganz hervorragend funktioniert das im Song „Bushwick Blues“, in dem man sich die Band tränenreich in Richtung Heiserkeit empor grölt und gegen Ende Gläser zu Bruch gehen. Diese Scheibe hier ist ein gefundenes Fressen für Fans von Tom Waits bis Kings Of Leon. Einige Uptempo-Kracher sorgen dafür, dass auch die Tanzflächenfreunde auf ihre Kosten kommen und machen „History From Below“ zu einem abwechslungsreichen Erlebnis für Freunde zeitgemäßer Americana-Klänge. Wenn dieser Sturm hier losbricht, siehst du bildlich die Strohballen vorm Haus Richtung Horizont spazieren. (2.7.)
Lateinamerikanische Klänge beschert uns hinterher ein südamerikanisches Orchester namens Grupo Fantasma, das einen auf seinem Album „El Existential“ beschwingte Sommerpop-Hymnen um die Ohren haut. Zehn Jahre nach Gründung der Band wähnt sich die Combo auf dem neuen Album am Zenith ihres Schaffens. Selbst Menschen, die mit Latin-Sounds sonst nichts am Hut haben, dürften zwangsläufig schon nach wenigen Sekunden mit dem Popo wackeln. Zu diesem Sound hier geht die Sonne auf. Ein Album, wie geschaffen für all jene, die von dem ewig gleiche Chartgedönse so langsam die Nase voll haben.
Here We Go Magic verschleiern derweil den Luftraum mit nebulösen Indie-Sounds der Marke Grizzly Bear & Animal Collective. So viel Kunstfertigkeit kann einem hin und wieder natürlich auch mal auf die Nerven gehen, wird hier aber schon im zweiten Song „Collector“ von tanzbaren, treibenden Drums nach vorne gepusht, zu denen man schon nach wenigen Sekunden die Hüften schwingt. Alles in allem kommen Here We Go Magic mit „Pigeons“ vielleicht eine Weile zu spät um die Ecke, um damit noch den großen Preis für Innovationen im zeitgenössischen Pop abzuräumen. Gut durchhören lässt sich das hit-affine Werk aber trotzdem über die volle Länge.
Rock-Darling Gemma Ray macht sich derweil auf in morbide Gefilde und lässt auf ihrem Grusel-Schunkler „It´s A Shame About Gemma Ray“ Rosemary´s Baby gegen betrunkenen Schmetterlinge antreten. Der Opener wildert in Nick Cave-Gefilden und ruft sanfte Erinnerungen an dessen „Murder Ballads“-Phase wach. Danach darf dann aber auch wieder von der Theke aus mitgegrölt werden. Unterteilt in „Mädchen“ und „Jungs“-Mucke zehrt die „Boys“-Hälfte der Scheibe von ihrer Düster-Ästhetik, die sich Gemma Ray hier in fetten Schichten auf die Nasespitze tupft, in Hälfte zwei versucht sie dann bisweilen Fever Ray Konkurrenz zu machen, wenn sie ihren „Big Spender“ durch den Häcksler jagt. Fans von Amy Winehouse und Norah Jones mit einem Faible für Vollmondnächte sollten unbedingt mal einen Durchlauf riskieren. Sie werden überrascht sein.
The More Assured dürften derweil bei der nächsten Indie-Disco im Vorprogramm von Maximo Park und The Jam Platz nehmen. Die Songs ihres Albums called „I Do Not Want A Free London Life“ klingen schmissig, sind aber nie so hoffnungslos überproduziert, dass man sie demnächst im Musikfernsehen rauf und runter leiern wird. Die Scheibe will im Stillen genossen werden. Man möchte sich einen Kübel Konfetti über die Birne kippen und zu den zahlreichen Hits dieser Scheibe im Kreis hüpfen, bis man nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. Ein durchweg schmissiges Album, das sich irgendwo im Grenzgebiet von den Kinks und den Wombats einnistet. Womit wir dann auch schon wieder am Ende wären. Lasst es euch gut gehen. Bis zum nächsten Zuckerbeat.
UND WAS NUN?